Dramatische Situation auf den Wochenmärkten
Personalmangel, Finanzprobleme, Nachfolgeschwierigkeiten. Diese Probleme machen sich auch bei den Wochenmärkten bemerkbar. Ein Grund für die Großmarkt Rostock GmbH Alarm zu schlagen. Immer mehr Händler würden wegbrechen, neue zu gewinnen sei schwierig, sagt Geschäftsführerin Inga Knospe.
„Immer weniger Menschen wollen diesen Beruf ergreifen“
Das Unternehmen organisiert und betreibt seit 1991 Wochenmärkte in Rostock, Stralsund und Graal-Müritz. Die aktuelle Situation ist dramatisch, sagt Inga Knospe. Denn auf fast allen Rostocker Wochenmärkten gibt es freie Kapazitäten. Besonders gesucht: Händlerinnen und Händler mit Frischware.
„Nachdem in den Coronajahren die Wochenmärkte einen regelrechten Boom erfuhren, setzen seit 2023 die steigenden Preise und die wachsende Sparsamkeit der Verbraucher vielen Händlern zu.“ Hinzu komme, dass viele Produkte, die auf dem Markt verkauft werden, im Supermarkt nebenan oft günstiger zu haben seien. „Die Konkurrenz ist gewachsen.“
Noch gravierender ist die Situation allerdings beim Berufsstand selbst. „Immer weniger Menschen wollen diesen Beruf ergreifen. Lange Arbeitszeiten unter freiem Himmel auch bei ungünstigen Witterungsverhältnissen sind unattraktiv und anstrengend. Viele Händler gehen in Rente und finden keine geeigneten Nachfolger“, schildert Inga Knospe die Situation.
Deutsche Marktgilde: Händlerschwund ist allgemeines Problem
Der Wochenmarkt in Bergen auf Rügen soll belebt werden. Die Deutsche Marktgilde ist seit Frühjahr 2024 für die Organisation verantwortlich.
© Deutsche Marktgilde eG
Händlerinnen und Händler auf dem Wochenmarkt am Doberaner Platz in Rostock
© Großmarkt Rostock GmbH
Eine Händlerin und ein Händler posieren auf dem Wochenmarkt am Doberaner Platz in Rostock. Gerade in der Hanse- und Universitätsstadt sollen laut Großmarkt Rostock GmbH in den einzelnen Stadtteilen die Konzepte der Märkte überdacht werden.
© Stadtmagazin Piste
Ein Feinkosthändler auf dem Neuen Markt in Rostock.
© Stadtmagazin Piste
Der Wochenmarkt in Bergen auf Rügen hat mit massivem Händlerschwund zu kämpfen. Das sei ein allgemeines Problem, sagt Dirk Dieter von der Deutschen Marktgilde.
© Deutsche Marktgilde eG
Dass die Rahmenbedingungen den Händlerberuf immer unattraktiver machen, weiß auch Dirk Dieter von der Deutschen Marktgilde. Diese ist seit April 2024 verantwortlich für den Wochenmarkt in Bergen auf Rügen. „Hier gab es auch einen massiven Händlerschwund und wir sollen nun das Ganze wieder beleben“, sagt Dirk Dieter. Dass immer mehr Verkaufsstände wegbrechen, sei ein massives Problem, das generell auf allen Märkten zu beobachten sei.
Laut Dieter sind die Probleme der Wochenmärkte auch struktureller Natur. „Früher sind die Händler 50 bis 60 Kilometer pro Stunde zu den jeweiligen Märkten gefahren. Heute sind die Benzinpreise so hoch, dass sich das für sie finanziell nicht mehr lohnt. Kommen dann noch Schlechtwettertage hinzu, an denen mit weniger Kundschaft zu rechnen ist, fahren viele gar nicht erst los.“
„Stärken der Wochenmärkte müssen gezielter ausgespielt werden“
Doch wie kann der aktuelle Negativtrend wieder umgekehrt werden? Die Großmarkt Rostock GmbH nähert sich dem Problem von verschiedenen Seiten. Zum einen betreibt das Unternehmen intensive Händlerakquise, setzt dabei auf Werbeanzeigen, Anschreiben und gezielte Anfragen. „Außerdem bieten wir neuen Frischemarkthändlern ein Kennenlernangebot und Unterstützung bei der Werbung“, sagt Inga Knospe. Hinzu komme eine Erweiterung des Sortiments mit gastronomischen Ständen und die Organisation von Spezialmärkten.
Gerade in Rostock wird dabei gezielt auf die einzelnen Stadtteile geschaut. Inga Knospe: „Die Konzepte müssen überdacht werden. Oft ist auch nötig, Marktzeiten oder auch Markttage zu kürzen. Frische, regionale, saisonale Produkte, Angebotsvielfalt, Ambiente, soziale Kontakte: Das sind die Stärken der Wochenmärkte, die wir noch gezielter ausspielen müssen.“
Servicestände ziehen Kunden an
Dirk Dieter hat schon Einiges versucht, um die Märkte mit mehr Leben zu füllen. In Brandenburg hat er gerade ein Pilotprojekt begleitet, bei dem ein Bus der Marktgilde Dörfer anfuhr, um die Menschen zu den Märkten und dann wieder nach Hause zu bringen. „Damit sind wir gescheitert“, berichtet er. „Es wurde nicht angenommen und nach vier Wochen mussten wir es abbrechen.“ Das sei aus finanzieller Sicht bitter gewesen, aber immerhin sei man nun um eine Erfahrung reicher.
Was allerdings gut ankomme sei, das Angebot auf dem Markt um Servicestände jeglicher Art zu erweitern. Fahrradreparaturen, Messerschleifer – Dienstleistungen wie diese kommen laut Dirk Dieter gut an.
Gleiches berichtet auch Inga Knospe: „Ja, wir haben Serviceangebote auf unseren Märkten. Zum Beispiel einen Barbier, einen Messerschleifer oder das Röntgenmobil. Auch aus unserer Sicht hat sich das als erfolgreich erwiesen. Das Angebot wird dadurch vielfältiger. Als ebenfalls erfolgreich für die Wochenmärkte der Großmarkt Rostock GmbH haben sich Spezialmärkte und Events erwiesen. So habe zum Beispiel der Tag der Feuerwehr auf dem Neuen Markt viele zusätzliche Käufer und möglicherweise auch neue Stammkunden oder Touristen angezogen.
Verantwortung bei den Kommunen
Dass es Unterstützung vonseiten der Politik braucht, darin sind sich Inga Knospe und Dirk Dieter einig. „Das ist ein großer Faktor. Besonders im ländlichen Bereich gibt es viel Handlungsbedarf. Wichtig ist, dass die Kommunen aktiv und vor allem konstruktiv an der Gestaltung mitwirken. Die Einrichtung fester Markttage ist zum Beispiel enorm wichtig und bietet viel mehr Vorteile, als wenn die Händler kommen können, wann sie wollen“, so Dieter.
Inga Knospe sieht das genauso: „Es braucht auf jeden Fall eine positive Zusammenarbeit der Behörden, zum Beispiel bei den Genehmigungen und Festsetzungen der Märkte.“ Auch bei städtebaulichen Veränderungen der Standorte sei eine Abstimmung sinnvoll.
Christina Milbrandt
Kontakt
Denise Schulze
Grit Müller (GS Stralsund)