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Rocking „The Americas“
Die USA sind oftmals Ausgangspunkt für die Eroberung des gesamtamerikanischen Markts. Kanada sowie Mittel- und Südamerika sind von dort aus nicht nur leicht erreichbar, auch die dortige Wirtschaft orientiert sich vielfach an den Vereinigten Staaten. Wie die Reise von den USA in „The Americas“ gelingt, zeigen zwei Beispiele.
Klappe, Amerika, die Dritte! – möchte man sagen, wenn es um das Geschäft von Peter Märtin geht. Der gebürtige Weidener betrat nämlich sozusagen gerade die dritte Stufe, um die für seine Branche wichtigen Märkte in Mexiko, Chile, Brasilien und Kolumbien zu bedienen. Aber der Reihe nach: 1993 gründeten die beiden Filmtechniker Peter Märtin und Wolfgang Bäumler in Weiden ihre Verleihfirma „Vantage“ für professionelles Filmequipment. „Im selben Jahr war ich das erste Mal in L.A., denn in der Filmbranche ist das einfach der Nabel der Welt. Wer dort ein Unternehmen hat, ist wirklich jemand und nicht bloß ein europäischer Anbieter“, erklärt Märtin.
Es gelang dem Duo schon in den 90er Jahren die ersten Spielfilmproduktionen in Hollywood mit ihren besonderen, selbst entwickelten Objektiven namens „Hawk“ auszustatten. „Um unser Geschäft zu verstehen, muss man wissen, dass Produzenten kein Equipment besitzen wollen. Sie wollen nur die Idee und einen Schreibtisch, den Rest kaufen oder besser gesagt, mieten sie zu“, erklärt der Filmexperte. Die Kameratechnik, die Objektive, all das wird zum Beispiel für zwölf Wochen gemietet, um einen Spielfilm zu drehen oder für sechs Monate, um eine Streaming-Serie zu produzieren.
Ausgangspunkt Los Angeles
Dafür scheuten die Produzenten oft keine Kosten und Mühen auf der Logistikseite – was gebraucht wird, werde eingeflogen. „Der USP der Vantage Film GmbH war schon immer, dass wir logistisch sehr gut agiert haben“, erklärt der Geschäftsführer. Deshalb sei es 2015 an der Zeit gewesen, eine eigene Firma in Los Angeles zu gründen. „Wir wollten keine Zeitverzögerungen mehr durch den Transport von Weiden nach Kalifornien und haben deshalb vor Ort Strukturen geschaffen“, so Märtin.
Heute befindet sich Hawk LA, so der Name der amerikanischen Firma von Märtin und Bäumler, in einem mit Efeu bewachsenen Gebäude im West Adams District von Los Angeles, etwa auf halber Strecke zwischen Hollywood und Los Angeles Airport. Filmemacher und Kameraleute können dort auf Studioflächen jedes der 16 verschiedenen Objektive testen.Wichtig ist aber nicht nur die US-amerikanische Filmindustrie, die etwa zehn Prozent zum Gesamtumsatz der Unternehmensgruppe beiträgt, sondern insbesondere auch die mittel- und südamerikanische. „Es gibt so viel kreatives Talent dort und die Wege sind kurz – deshalb sind Chile, Brasilien, Mexiko und Kolumbien wichtige Märkte für uns, die wir von L.A. aus bedienen“, erklärt Märtin.
Die Flugzeiten seien kurz, ebenso wie übrigens nach Australien und Neuseeland, die sich in 16-stündigen Direktflügen von L.A. aus erreichen ließen. Auf diese Weise beliefert die Unternehmensgruppe von Märtin und Bäumler inzwischen den gesamten Globus, 90 Prozent der Umsätze werden im Ausland generiert. Insbesondere in Mittel- und Südamerika hätten sich die Umsätze verdoppelt, seit die dortigen Länder von L.A. anstelle von Weiden aus bedient würden. In Europa unterhält das Unternehmen neben dem Stammsitz in Weiden Niederlassungen in Berlin, Leipzig, Prag, Budapest, Paris, Brüssel und London. Außerdem gibt es noch eine Dependance in Marrakesch.
Erfrischend anders
Während die europäischen Märkte allesamt eher gleich funktionierten, sei der amerikanische „erfrischend anders“. Die Amerikaner seien sehr offen für jeden, der ein Produkt hat, das dort gebraucht werde. „Wir sind sehr schnell herumgereicht worden, denn die Filmbranche ist sehr übersichtlich, die Firmen sind fast alle inhabergeführt“, erklärt Märtin. Allerdings sei es noch einmal anders, ein Unternehmen zu gründen, anstatt nur Produkte von Europa aus zu vertreiben.
Insbesondere die Schwierigkeit, überhaupt ein Bankkonto ohne Credit history zu bekommen, sei nicht zu unterschätzen. Gründungen müssten vielfach aus Eigenkapital heraus finanziert werden. Außerdem kämen steuerliche Aspekte und ungleich höhere Haftungsrisiken im Schadensfall hinzu. Dr. Ralf Gaffal, Geschäftsführer der Bachner Elektro GmbH & Co. KG mit Stammsitz in Mainburg bringt einen weiteren Punkt ins Spiel: „Sie brauchen vor Ort den richtigen Mann, der die Dinge auch in Ihrem Sinn umsetzt“, erklärt er.
Von South Carolina nach Mexiko
Der Elektrotechnikspezialist mit 950 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an Standorten in Deutschland, Österreich, den USA und Mexico gründete 2018 die erste Niederlassung jenseits des Atlantiks, die Bachner Electro USA Inc., als Tochterunternehmen mit Sitz in Greenville, South Carolina. Aufgrund der wachsenden Auftragslage folgte 2020 der Umzug ins nahe Greer im selben Bundesstaat. Inzwischen ist Bachner mit 60 Beschäftigten in 15 US-Bundesstaaten aktiv und seit 2022 auch in Mexiko mit mittlerweile 25 Mitarbeitern.
Die Expansionsstrategie orientierte sich dabei an den Aktivitäten der Kunden, allen voran einem großen bayerischen Automobilhersteller, dem Bachner 2018 nach Greenville folgte. Mit Gaffal hat die Unternehmensgruppe einen Geschäftsführer mit viel Auslandserfahrung verpflichtet. „Ich habe Dutzende Länder auf der Welt besucht, aber nirgendwo so restriktive Visa-Regeln gefunden wie in den USA“, sagt er. Zudem seien die Bundesstaaten sehr eigenständig, die Regelungen teilweise von Bundesstaat zu Bundestaat anders. Nichtsdestotrotz sei der USMarkt sehr attraktiv.
Fachkräfte aus dem Süden
Die Expansion nach Süden sei ein logischer Schritt gewesen, wenngleich wieder in der Gefolgschaft des Automobilherstellers. „Doch wir erweitern unseren Kundenstamm beständig und sehen in Südamerika zudem viel Potenzial für Erneuerbare Energien“, so Gaffal. Letztere sind mit Gesamtsystemlösungen ein wichtiges künftiges Standbein der Firmengruppe in Europa und Amerika, das neben klassischer Elektrotechnik Sicherheitssysteme, Datentechnik und Gebäudeautomation abdeckt.
Auch das Thema Fachkräfte habe überdies eine süd- und mittelamerikanische Dimension. „Tatsächlich versuchen inzwischen sehr viele Firmen in den USA aufgrund des Fachkräftemangels, zumindest temporär Fachkräfte aus dem Süden in die USA zu bringen“, erklärt der Geschäftsführer. Bachner bedient sich ebenfalls teilweise dieses Reservoirs – aber nicht nur. Man versuche auch, die duale Ausbildung in den USA anzugehen und strebe eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Colleges an. Generell rät er Firmen, die auf dem US-Markt aktiv werden wollen, im Übrigen explizit dazu, sich an die Auslandshandelskammern in den USA zu wenden. „Die liefern wirklich tolle Unterstützung“, so Bachner.
Autorin: Alexandra Buba