10 min
Lesezeit

Ostbayerns Macherinnen
Frauen stehen vom Start-up bis zum Familienbetrieb an der Spitze vieler erfolgreicher Unternehmen in der Region. Unternehmerinnen sind dabei nicht nur Vorbilder für den Fachkräftenachwuchs, sondern stärken durch ihr Engagement auch den Wirtschaftsstandort. Eine entscheidende Rolle für weibliche Führungskräfte spielt dabei die Vernetzung.
Wer an einem Samstagvormittag in Postbauer-Heng unterwegs ist, dem bietet sich gelegentlich ein eher ungewöhnlicher Anblick: Eine junge Frau, die im Führerhaus eines Lkws, randvoll mit Schotter, entspannt die Landstraße entlangfährt. „Tatsächlich sind zehn unserer hundert Fahrkräfte Frauen“, sagt Anna Bärnreuther, nicht nur Fahrerin, sondern vor allem Geschäftsführerin der Bärnreuther Transport GmbH, einem Tochterunternehmen der Bärnreuther+Deuerlein Schotterwerke GmbH & Co. KG. Ihr Einstieg in das Familienunternehmen liegt sechs Jahre zurück. Zunächst begann sie im Personalbereich, 2021 folgte dann die Übernahme des Fuhrparkmanagements. Den Lkw-Führerschein habe sie gemacht, weil innerhalb der Familie die Tradition gilt, dass man das, was die Mitarbeiter können, auch selbst verstehen muss. „Und außerdem macht es mir einen Riesenspaß“, so Bärnreuther.
Für die Zukunft rüsten
Heute zählt natürlich nicht das Fahren zu ihren Hauptbeschäftigungen, sondern die Beschaffung von Lkws und die Betreuung des Personals. „Zudem bin ich Ausbilderin in unserem Betrieb“, sagt Bärnreuther. Nicht nur für diesen Bereich hat sie den Anspruch, dass „die Leute gern in die Arbeit kommen.“ Im Betrieb seien alle per Du, die Handynummer der Chefin hat jeder, denn schließlich wolle man in der Tradition des Familienunternehmens eine zweite Familie für die rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein. Noch habe man in dieser Konstellation kein Personalproblem, doch Bärnreuther rüstet sich für die Zukunft, bildet aus und versucht, die Leute ans Unternehmen zu binden. „Wir haben bereits drei Lkw-Fahrerinnen selbst ausgebildet. Ich denke, für die Bewerberinnen war es schon attraktiv, dass mit mir eine junge Frau in der Geschäftsführung ist“, sagt sie. Frauen an der Spitze seien wichtig als Perspektive für Mitarbeitende. Neben den Personalfragen steht in dem ressourcenintensiven Betrieb eine Neugestaltung der Energienutzung an: „Wir werden alternative Antriebe ausprobieren, einen E-Lkw anschaffen und gleichzeitig in unsere Ladeinfrastruktur investieren“, erklärt Bärnreuhter. Auch der hohe Strombedarf in den Steinbrüchen sei eine Herausforderung, der man in Zukunft anders begegnen müsse.
„Ich denke, für Bewerberinnen war es schon attraktiv, dass mit mir eine junge Frau in der Geschäftsführung ist.“Anna Bärnreuther, Bärnreuther Transport GmbH
Breite Vernetzung
Eine Frau, die ebenfalls betont, dass es wichtig sei, auf dem Fahrersitz zu sein, ist Rita Högl, Geschäftsführerin der HÖGL Kompost- und Recycling-GmbH in Volkenschwand und IHK-Vizepräsidentin. Bezogen ist diese Aussage zwar auf die Ausgestaltung von Kooperationsverträgen, doch auch sonst hält Högl wenig davon, aus der zweiten Reihe zu agieren oder keine klare Position zu beziehen. Sie kam als Diplomkauffrau im Jahr 2000 ins Familienunternehmen und hält seitdem die Themen Finanzen und Recht fest in der Hand. Regularien sind dabei ein wunder Punkt, wie sie sagt. Jede Woche käme irgendetwas Neues in der hochregulierten Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Lieber beschäftigt sie sich mit Investitionsentscheidungen, wie jüngst für eine neue Anlage, die es erlaubt, den Durchsatz zu erhöhen.
„Wer sich ausschließlich mit Frauen vernetzt, kommt auf Dauer nicht weiter.“Rita Högl, HÖGL Kompost- und Recycling-GmbH
Auch ihr Unternehmen kämpft mit dem Fachkräftemangel, setzt auf Ausbildung und dauerhafte Beschäftigung, auch von Frauen. „Ich sage den jungen Frauen, die bei uns ihre Ausbildung machen, dass sie auch nach einer Heirat weiterarbeiten müssen“, so Högl. „Denn das Scheidungsrecht ist ebenso wie das Unterhaltsrecht von Männern gemacht.“ Als Unternehmerin und Frau sieht sie in diesem Zusammenhang insbesondere die Steuerklasse fünf als Problem an: „Es ist wichtig, dass man einigermaßen Netto hat.“ Ein besonderes Anliegen ist es ihr, an Frauen zu appellieren, sich zu vernetzen – und zwar nicht nur in Frauennetzwerken, sondern insbesondere in denen der Männer, da diese ja immer noch die maßgeblich Entscheidenden seien. „Wer sich ausschließlich mit Frauen vernetzt, kommt auf Dauer nicht weiter“, weiß die langjährige IHK-Vizepräsidentin, die zuvor schon Mitglied im IHK-Gremium Kelheim war.
Die Ensinger GmbH fertigt am Standort Cham zerspante Fertigteile, Halbzeuge aus Guss-Polyamid, Isolierprofile für Fenster, Türen und Fassaden sowie Abstandhalter für Isolierglas.
© Ensinger GmbH
Flexibler und agiler werden
Womöglich spürt man in ihren Worten eine gewisse Routine, die denjenigen fehlt, die den jüngeren Generationen angehören. Eine davon ist Edith Schneider. Nachdem sie Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau studiert hatte, fand sie ihren Berufseinstieg bei Bosch. Es folgten zwei weitere Stationen, ehe sie 2018 in das von ihrem Großvater Wilfried Ensinger gegründete Familienunternehmen Ensinger GmbH wechselte. Im Herbst 2024 übernahm sie beim Kunststoffverarbeiter die Standortleitung in Cham. Im größten Zweigwerk der Ensinger-Gruppe hatte sie in der Sparte Machined Parts zuerst als Projektleiterin begonnen. Als Standortleiterin habe sie sich zunächst eine Findungsphase von drei Monaten verordnet, bei der es darum gehe, Fragen zu stellen und zuzuhören, sagt sie.
„Die Zeiten, in denen sich auch komplexe Produkte von allein verkaufen, sind vorbei.“Edith Schneider, Ensinger GmbH
Das bedeutet aber keineswegs, dass Schneider nicht eine klare Strategie hätte, wie es mit dem Chamer Werk weitergeht: „Wir werden an diesem Standort wie in der gesamten Ensinger Gruppe die Werkstruktur ändern und den Vertrieb neu aufstellen, weg von den bisherigen Sparten, hin zu einer funktionalen Matrixorganisation.“ Ziel sei es, flexibler und agiler zu werden, so Schneider. Denn man sei zwar Weltmarktführer im Bereich Hochleistungskunststoffe, „aber die Zeiten, in denen sich auch komplexe Produkte von allein verkaufen, sind vorbei“, sagt sie. Eine weitere Herausforderung, die sie mit vielen teilt, ist die Personalgewinnung. Schneider setzt hier auf eine zeitgemäße Unternehmenskultur, die einerseits die bestehenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitnimmt, und andererseits jungen Menschen neue Formen der Arbeitsgestaltung anbietet.
Im Analogen ankommen
Wie das gehen kann, weiß vielleicht auch das Mutter-Tochter-Duo, das die hefa kühlmöbel gmbh aus Sulzbach-Rosenberg leitet. Annette Exner ist Geschäftsführerin, ihre Tochter Bine Garcia Marketingleiterin. „In Zukunft wird es wichtig sein, sich auf eine andere Generation einzustellen“, sagt Exner. Prägend sei für sie eine Erfahrung auf einem Kongress gewesen, auf dem junge Menschen ihre Forderungen und Vorstellungen im Hinblick auf ihren Arbeitsplatz artikuliert hätten. „Zunächst war da im Publikum kollektives Kopfschütteln“, erinnert sie sich. Aber zumindest bei ihr hätte sich nach einigen Tagen die Erkenntnis durchgesetzt, dass es darum gehe, den künftigen Fachkräften zu helfen.
„In Zukunft wird es wichtig sein, sich auf eine andere Generation einzustellen.“Annette Exner, hefa kühlmöbel gmbh
„Sie sind vollständig anders sozialisiert und müssen erst einmal stärker im Analogen ankommen – denn da kommt dann kein Like“, so Exner. Ein wichtiger Hebel für mehr Fachkräfte beim High-End-Thekenhersteller für die gehobene Gastronomie sei ein hoher Frauenanteil. „Wir hatten immer schon sehr viele Frauen, insbesondere auch in den technischen Bereichen und in der Produktion“, sagt Garcia. Das sei eine Normalität, die weiter gepflegt werden solle. Exner beschreibt ihren eigenen Führungsstil als ausgleichend, die Strategie des Unternehmens sei auf Sicherheit ausgerichtet. Entsprechend sind die Führungsjobs mit Familienmitgliedern besetzt, nur der Vertriebsleiter macht eine Ausnahme.
Offen für Neuerungen
Während Bine Garcia wie auch Edith Schneider, Rita Högl und Anna Bärnreuther selbst darüber entschieden haben, ob sie ins Familienunternehmen eintreten oder nicht, fällt Inge Bauer-Joswigs Berufsbeginn in eine Zeit, in der es noch als selbstverständlich galt, dass Kinder den Betrieb übernehmen. Die Direktrice hatte Glück: Mode interessierte sie, sie studierte das Fach sechs Semester lang, absolvierte außerdem Lehren zur Industrieschneiderin und Einzelhandelskauffrau und qualifizierte sich zur Ausbilderin weiter. Damit war sie prädestiniert für den Start in den Modehäusern, die die Kaufmannsfamilie seit Generationen betrieb. Das war im Jahr 1972. „Mit 22 Jahren war ich selbstständig im Einzelhandel Mode“, sagt Bauer-Joswig. Im Laufe der Zeit betrieb sie parallel vier Läden in Schwarzenfeld, Nabburg und Pfreimd, in der Spitze mit 40 Mitarbeitenden. Vor sechs Jahren erfolgte die Übergabe an ihren Sohn. Nur ein Geschäft, das „Harlekin“, behielt Bauer-Joswig und arbeitet dort bis heute.
„Um zu bestehen, muss man offen für Neuerungen und Veränderungen sein.“Inge Bauer-Joswig, Modehaus Harlekin
Daneben war sie mehr als drei Jahrzehnte in unterschiedlichsten IHK-Gremien tätig – etwa 30 Jahre lang als Mitglied in der IHK-Vollversammlung sowie im Handelsausschuss. Außerdem war sie lange Jahre Prüferin für die IHK. In der Anfangszeit sei man da aufgefallen, zwischen all den dunklen Anzügen, sagt sie. Heute sei der Umgang legerer, man werde akzeptiert. Netzwerke seien dabei wichtig. „Um zu bestehen, muss man offen für Neuerungen und Veränderungen sein“, sagt Bauer-Joswig. Denn nur so lerne man neue Perspektiven kennen, und dies sei schließlich ein Dauerthema in der Selbstständigkeit. Sich selbst immer wieder in Frage stellen und weiterbilden – damit müsse man im Unternehmen oben beginnen, mit dem Chef oder der Chefin. Rückblickend sei an der Selbstständigkeit besonders bereichernd gewesen, mitzuerleben, wie aus ehemaligen Azubis gereifte Persönlichkeiten wurden, die Karriere gemacht hätten, sagt sie. „Wir haben immer dafür gesorgt, dass alle Mitarbeitenden die besten Schulungsmöglichkeiten bekommen.“
Die Firma LABERTALER fördert in Schierling bei Regensburg natürliches Mineralwasser und stellt qualitativ hochwertige Erfrischungsgetränke her.
© LABERTALER
Die Leistung zählt
Immer an der Spitze sein – diesem Anspruch hat sich auch Lilo Sillner, Geschäftsführerin der LABERTALER Heil- und Mineralquellen Getränke Hausler GmbH in Schierling, verschrieben. Schon mit 16 Jahren entschied sie sich dazu, den elterlichen Betrieb weiterzuführen. Die folgenden Ausbildungsschritte waren diesem Ziel exakt angepasst. So studierte Sillner nicht nur Betriebswirtschaftslehre, sondern absolvierte während dieser Zeit auch eine ganze Reihe von Praktika in Brauereien und bei anderen Getränkeherstellern. Frisch examiniert übernahm sie 1995 die Geschäftsführung, damals war sie 27 Jahre alt. Fünf Jahre lang teilte sie sich anschließend buchstäblich noch das Büro mit ihrem Vater, habe in dieser Zeit viel gelernt und sei mit allen Themen des Unternehmens vertraut geworden.
„Die Leistung zählt – alles andere ist egal.“Lilo Sillner, LABERTALER Heil- und Mineralquellen Getränke Hausler GmbH
Von der Elterngeneration stammt auch der Wunsch, ein Vorzeigebetrieb zu sein. Heute äußere sich das unter anderem darin, dass Labertaler als erstes Unternehmen im Landkreis eine ISO 9001-Zertifizierung habe durchführen lassen und das Umweltmanagement gemäß ISO 14001 umgesetzt hat. Technische Ausstattung, IT und Umweltschutz seien schon immer Bereiche gewesen, in denen man ganz vorne dabei sein wollte.
In Netzwerken präsent
Im eigenen Unternehmen setzt Sillner auf einen kooperativen Führungsstil: „Wir entscheiden Dinge immer gemeinsam, es ist mir wichtig, Meinungen einzuholen, da ich letztlich nicht in jedem Detail als Geschäftsführerin drinstecke“, sagt Sillner. Zum Thema Frau oder Mann sagt sie nur: „Die Leistung zählt – alles andere ist egal.“ Besonders wichtig sei ihr, dass die Mitarbeitenden sich im Unternehmen wohl- und als Teil der Labertaler-Familie fühlen. Für die weitere Zukunftssicherung des Unternehmens hat Sillner vor fünf Jahren mehrere neue Brunnen bohren lassen. „Wir sind ein kleines, regionales Familienunternehmen und als solches ist unsere Glaubwürdigkeit äußerst wichtig“, sagt sie. Dazu sei es auch wesentlich, in Netzwerken präsent zu sein.
Bessere Rahmenbedingungen schaffen
Das sieht auch die Leiterin der IHK-Geschäftsstelle in Neumarkt, Silke Auer, so: „Wir haben 2024 in der IHK ein Unternehmerinnen-Netzwerk gegründet, das sich für Frauen in Führungspositionen stark macht. Ziel des Netzwerks ist es, Frauen besser zu vernetzen, den Austausch zu fördern und ihr Engagement in berufsspezifischen Netzwerken zu stärken.“ Eine aktuelle Publikation der IHK zeigt: Frauen arbeiten insgesamt im Vergleich zu früher zwar häufiger und mehr, sind allerdings immer noch weniger am Arbeitsmarkt vertreten als Männer und machen weniger als die Hälfte der Beschäftigten aus. Bei Führungskräften ist diese Zahl noch niedriger – in diesem Bereich stellen Frauen nur ein knappes Drittel und sind damit deutlich unterrepräsentiert.
Unternehmen können einen Beitrag leisten, indem sie Frauen durch eine familienfreundliche Personalpolitik unterstützen.“Silke Auer, IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim
Viele Frauen arbeiten nach wie vor in Teilzeit, nämlich knapp 50 Prozent, während es bei Männern nur rund 13 Prozent sind. Gründe für die hohe Teilzeitquote finden sich unter anderem in der Betreuung von Kindern – vor allem, wenn diese noch minderjährig sind – sowie von pflegebedürftigen Angehörigen. Denn Frauen übernehmen beispielsweise häufiger als Männer Pflegearbeit. „Es ist daher wichtig, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen und Kinderbetreuungs- und Pflegeplätze auszubauen. Unternehmen können einen Beitrag leisten, indem sie Frauen durch eine familienfreundliche Personalpolitik unterstützen“, sagt Auer. Darüber hinaus appelliert sie an Unternehmerinnen und Unternehmer gleichermaßen, sich auch in den bestehenden Netzwerken und Gremien zu engagieren. „Frauen profitieren immer ganz besonders, wenn sie über den eigenen Betrieb hinaus Teil einer Business-Community werden“, zeigt sich Auer sicher.
Autorin: Alexandra Buba