Interview

„Gefragt ist eine Kombination aus Online-Handel und stationären Angeboten.“

Sie sind Leiter des Urban Innovation Hub in Konstanz, das mit dem Slogan „Unser Beitrag zur Zukunft der Innenstadt“ wirbt. Was steckt hinter diesem Versprechen?
Zum Besuch der Innenstadt gibt es immer mehr digitale Optionen – Online-Shopping, Heimlieferdienste, Online-Unterhaltungsangebote, Telemedizin, um nur einige zu nennen. Um Innenstädte vor dem Hintergrund dieser digitalen Konkurrenz als lebendige Orte zu erhalten und weiterzuentwickeln und die sich wandelnden, vielschichtigen Besucherbedürfnisse auch in Zukunft durch innovative Angebote abzudecken, sind daher alle Akteure gefordert. Viele der meist kleinen Unternehmen aus Gastronomie, Freizeitwirtschaft und Einzelhandel sind jedoch eher innovationsarm, unter anderem weil es ihnen schlichtweg an Veränderungskapazität und -impulsen mangelt. Hier setzt das Konzept des vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus geförderten Urban Innovation Hub – kurz uih! – an. Es soll einen inspirierenden Ort bieten, an dem digitale Technologien erlebbar werden, konkrete Innovationsideen geschmiedet werden können und pragmatische Umsetzungsunterstützung erhältlich ist.
Digitale Services sollten ausgebaut werden, so einer Ihrer Ratschläge an die innerstädtischen Unternehmen. Wie können Sie Gastronomen, Einzelhändler oder Dienstleister konkret dabei unterstützen?
In unserem Förderprojekt bieten wir gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO in Stuttgart, der Hochschule Furtwangen, dem KODIS in Heilbronn, dem itb in Karlsruhe sowie der Universität Siegen landesweit unentgeltliche Unterstützungsangebote für kleine und mittlere Unternehmen, sogenannte KMUs, an. Diese Angebote umfassen Innovationsprojekte, bei denen Umsetzungskonzepte, Prototypen oder digitale Lösungen für Unternehmen entstehen. Aber auch die Aufbereitung von „Mutmacherbeispielen“, der Betrieb von digitalen Laboren als Erlebnis- und Inspirationsräume für Technologien und digitale Services sowie weitere Formate gehören dazu – immer mit der Zielsetzung, konkrete und im Unternehmensalltag nutzbare Impulse für beziehungsweise mit KMUs zu entwickeln.
Welche digitalen Lösungsansätze würden Sie zum Beispiel einem Gastronomen empfehlen, der kein allzu großes finanzielles Budget dafür hat?
Wir beobachten einen Trend zu mehr Self-Service, der seine Ursachen unter anderem im Arbeitskräftemangel und im Zwang zur Kostenreduktion hat. Verstärkt wird dieser Trend dadurch, dass Kunden zunehmend bereit sind, selbst in Serviceprozessen aktiv zu werden. Online- Reservierungssysteme, Bestell-Apps, Pager, AR-Speisekarten oder Self- Checkout-Systeme sind in diesem Kontext Beispiele für Lösungen, die in der Gastronomie mit vergleichsweise geringen Mitteln umgesetzt werden können und die Mitarbeiter entlasten. Es muss nicht immer gleich der teure Serviceroboter sein, wenngleich sich auch dieser unter entsprechenden Voraussetzungen durchaus rechnen kann.
Wer die Innenstädte als multifunktionalen Raum weiterentwickeln möchte, muss ja vor allem auch die Generation Z von den Innenstädten begeistern. Dazu gehören auch digitale Angebote. Was erwartet die Generation Z in diesem Bereich denn genau?
Julian Kemmer, Projektmanager im Zukunftslabor uih!, hat eine Studie zu den Anforderungen der Generation Z an den Einzelhandel der Zukunft durchgeführt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass der Trend zum Online- Handel bei der Generation Z wieder leicht rückläufig ist und der stationäre Handel sowie die Innenstädte für diese Generation grundsätzlich wieder an Bedeutung gewinnen, dies jedoch im Zusammenspiel mit digitalen Kanälen. Gefragt ist also eine Kombination aus Online-Handel und stationären Angeboten. Die Generation Z legt Wert darauf, Produkte online zu entdecken und Informationen zu sammeln, ohne jedoch auf das haptische Erlebnis und die – im Vorfeld online recherchierte – direkte Verfügbarkeit der Produkte im Ladengeschäft verzichten zu wollen. Händler sollten daher sowohl digitale als auch analoge Anlaufpunkte bieten, um ein kanalübergreifend nahtloses Einkaufserlebnis zu schaffen. Ebenfalls wichtig ist für die junge Generation der Aspekt eines gemeinsamen sozialen Erlebnisses im Rahmen des Innenstadtbesuchs, am besten natürlich Social-Media-Post-tauglich. Digitale Kanäle wie City-Apps mit Informationen und Angeboten aus den Bereichen Handel, Gastronomie, Kultur, Verkehr und Tourismus können die digitale Sichtbarkeit der Innenstadt gerade für die Generation Z erhöhen.
In Konstanz bieten Sie Führungen durch Ihr Zukunftslabor uih! an. Welchen Ansatz verfolgen Sie mit dem Projekt?
Im Zukunftslabor bieten wir unserer Zielgruppe – insbesondere KMUs aus dem Einzelhandel, der Gastronomie sowie der Freizeitwirtschaft mit stationärem Geschäft und direktem Kundenkontakt – Unterstützung bei der Umsetzung neuer digitaler Lösungen, innovativer Dienstleistungskonzepte und neuer Geschäftsmodelle. Die Basis bilden die ausgestellten digitalen Demonstratoren, die teilweise bereits als serienreife Lösungen am Markt verfügbar sind und somit unmittelbar und zu geringen Kosten in Unternehmen eingesetzt werden können. Teilweise sollen sie aber auch als Prototypen zukünftiger digitaler Lösungen einen Ausblick darauf geben, was in einigen Jahren potenziell State of the Art sein könnte. Neben den Laborführungen bieten wir, oft gemeinsam mit (über-)regionalen Akteuren wie Kammern, Verbänden oder anderen Intermediären Workshops, Vorträge und Diskussionsrunden zu Fragestellungen der Geschäftsmodell-, Prozess- und Technologieentwicklung an. Neben dem stationären Labor in Konstanz sind auch mobile Pop-Up- Labore an unterschiedlichen Standorten in Baden-Württemberg bereits realisiert worden oder aktuell in Planung. Unser Ziel ist es dabei immer, niederschwellig zu informieren, Zugangshürden abzubauen, neue Kundenforderungen aufzuzeigen und für das Thema Dienstleistungsdigitalisierung und -innovation zu sensibilisieren.
Interview: Bernhard Nattermann, Gudrun Hölz