Region Stuttgart, Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2025

Wirtschaft in der Krise

Die Wirtschaft in der Region Stuttgart befindet sich in einer tiefgreifenden Krise. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine und den damit einhergehenden Energiepreissteigerungen konnte sich die regionale Wirtschaft nicht erholen. Die Herausforderungen sind vielfältig und sowohl konjunktureller als auch struktureller Natur. Zum einen leiden die Unternehmen unter der Kaufzurückhaltung der Haushalte, die sich aufgrund der Inflation und der nur langsam steigenden Reallöhne seit der Energiekrise nicht erholt hat. Mit 71 Prozent der Nennungen wird die schwache Inlandsnachfrage am häufigsten als Geschäftsrisiko genannt. Darüber hinaus haben die vergangenen Krisen strukturelle Schwächen offengelegt: Hohe Energiekosten, überbordende Bürokratie und ein Mangel an Fach- und Arbeitskräften hemmen das Wachstumspotenzial der regionalen Wirtschaft. Diese Faktoren beeinträchtigen derzeit die Attraktivität des Standorts. Insbesondere Industrieunternehmen erwägen, ihren Standort ins Ausland zu verlagern. In der Konjunkturumfrage zu Jahresbeginn 2025 geben rund 30 Prozent der im Ausland investierenden Industrieunternehmen in Baden-Württemberg an, dass sie geplante Investitionen im Inland zugunsten von Investitionen im Ausland zurückstellen werden.
IHK-Konjunkturumfrage für die Region Stuttgart: Diese Analyse basiert auf der IHK-Umfrage zum Jahresbeginn 2025, an der 785 Unternehmen zwischen dem 2. Januar 2025 und 21. Januar 2025 teilgenommen haben.
Ihr Unternehmen möchte auch an der IHK-Konjunkturumfrage teilnehmen? Sie können sich gerne mit einer formlosen E-Mail an konjunktur@stuttgart.ihk.de anmelden.
Die konjunkturelle Entwicklung in der Region Stuttgart zeigt weiterhin eine wellenförmige Bewegung. Der Lageindikator stieg leicht von –1 Punkt im Herbst 2024 auf 1 Punkt zu Beginn des Jahres 2025. Aktuell bewerten etwa 26 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut, was einem Anstieg von rund 2 Prozentpunkten im Vergleich zum Herbst 2024 entspricht. Allerdings beurteilt nach wie vor etwa ein Drittel der Unternehmen ihre Geschäftslage als schlecht.
Neben der schwachen Inlandsnachfrage belastet ein hoher Kostendruck die Unternehmen in der Region Stuttgart. Inflation und Fachkräftemangel erhöhen den Druck auf Löhne und Gehälter. Arbeitskosten werden von 58 Prozent der Unternehmen als Geschäftsrisiko genannt, gefolgt von Energiekosten, die von 45 Prozent der Unternehmen als Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung gesehen werden. Besonders in der Industrie, Bauwirtschaft und im Gastgewerbe wird dieses Risiko häufiger genannt. Dunkelflauten im November führten zu Preisschwankungen an den Strommärkten.
In den vergangenen Monaten und Jahren waren die Unternehmen immer wieder mit Unsicherheiten bezüglich wirtschaftlicher Förderungen und der künftigen Ausrichtung der Wirtschaftspolitik konfrontiert. In den Freitextantworten beklagen sie überbordende Bürokratie und einen unklaren Kurs der Regierung. Rund 45 Prozent der Unternehmen sehen in der aktuellen Wirtschaftspolitik ein Geschäftsrisiko, was den höchsten Wert seit Einführung dieser Antwortoption zum Jahresbeginn 2010 darstellt.
Die Erwartungen hinsichtlich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung in der Region Stuttgart bleiben verhalten. Nur etwa 16 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden 12 Monaten eine Verbesserung ihrer Geschäftslage, während etwa 30 Prozent von einer Verschlechterung ausgehen. Angesichts der trüben Zukunftsaussichten bleiben auch die Investitions- und Beschäftigungspläne zurückhaltend. Rund 21 Prozent der Unternehmen planen, ihre Investitionen im Inland zu erhöhen, während 37 Prozent einen Rückgang erwarten. Damit sind die Investitionspläne im Vergleich zum Herbst 2024 weitgehend unverändert. Der Beschäftigungsindikator für die kommenden 12 Monate verschlechtert sich um 3 Punkte auf –16 Punkte, wobei etwa 31 Prozent der Unternehmen einen Rückgang der Beschäftigung erwarten. In der Arbeitsmarktstatistik ist diese Entwicklung nur bedingt sichtbar. Die Arbeitslosenquote in der Region Stuttgart lag im Dezember 2024 bei 4,5 Prozent, was einem Anstieg von etwa 0,3 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr (Dezember 2023) entspricht. Der Fachkräftemangel wirkt hierbei als gegenläufiger Effekt zur schwachen Konjunktur.
Die Industrieunternehmen der Region Stuttgart verharren weiterhin in einer Rezession. Der Lageindikator verschlechtert sich um einen Punkt auf –22 Punkte. Derzeit bewerten fast 38 Prozent der Unternehmen ihre Geschäftslage als schlecht. Besonders der anhaltend schwache Auftragseingang aus dem In- und Ausland drückt die Stimmung bei den Unternehmen. Acht von zehn Industrieunternehmen sehen im geringen Inlandsabsatz ein Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung. Auch die Exportwirtschaft, die in der Vergangenheit positive Impulse setzte, leidet unter hohem Wettbewerb und schwacher Nachfrage.
Im Baugewerbe fand der kurze Aufschwung im Herbst ein jähes Ende. Der Lageindikator stieg im Herbst 2024 dank steigender Auftragseingänge im Straßen- und Tiefbau von 5 Punkten im Frühsommer auf 21 Punkte im Herbst 2024. Diese positive Entwicklung konnte sich jedoch trotz sinkender Zinsen nicht halten. Der Auftragseingang im privaten Wohnbau bleibt weiterhin zurückhaltend, und der Lageindikator sank von 21 Punkten auf 2 Punkte zu Jahresbeginn 2025.
Die Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte belastet weiterhin den Einzel- und Großhandel. Allgemeine Preissteigerungen führen zu einer geringeren Nachfrage nach Gütern. 65 Prozent der Einzelhändler beschreiben das Kaufverhalten ihrer Kunden als zurückhaltend, und jeder zweite Großhändler meldet eine fallende Tendenz beim Auftragseingang. Besonders der produktionsnahe Großhandel leidet unter der schwachen Konjunktur der Industrie.
Einen Lichtblick gibt es bei den Dienstleistungsunternehmen. Der Lageindikator stieg von 20 Punkten auf 23 Punkte. Besonders Unternehmen der technischen, kaufmännischen oder rechtlichen Beratung verzeichnen eine Verbesserung ihrer Lage im Vergleich zum Herbst. Finanzdienstleister profitieren von der aktuellen Zinspolitik und den Entwicklungen an der Börse. Mehr als jeder zweite Finanzdienstleister bewertet seine Geschäftslage als gut.
Der Kostendruck im Hotel- und Gastgewerbe bleibt hoch. Ursachen sind unter anderem hohe Arbeitskosten durch die Anhebung des Mindestlohns, hohe Lebensmittelpreise und Energiekosten. Auch hier zeigt sich die geringe Nachfrage der privaten Haushalte: 64 Prozent der Unternehmen im Gastgewerbe sehen ein Risiko in der Inlandsnachfrage.
Für die Unternehmen des Verkehrsgewerbes gibt es kaum positive Nachrichten. Der Lageindikator verschlechterte sich um 4 Punkte auf 3 Punkte im Vergleich zum Herbst 2024. Nur jedes fünfte Unternehmen bewertet die Geschäftslage als gut, etwa 17 Prozent als schlecht. Die schwache Konjunktur der Industrie trifft die Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Eine kleine Erleichterung gab es in den vergangenen Monaten nur bei den Dieselpreisen, die 2024 günstiger waren als 2023.