Abmahnung im Wettbewerbsrecht

Das Wettbewerbsrecht ist kompliziert. Wettbewerbsverstöße sind daher keine Seltenheit. Viele Unternehmer werden schon einmal mit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung zu tun gehabt haben. Diese ist das zentrale Instrument, um Wettbewerbsverletzungen zu unterbinden. Im Dezember 2020 ist das “Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs” (auch “Gesetz gegen Abmahnmissbrauch” genannt) in Kraft getreten. Mit dem Gesetz sollen rechtsmissbräuchliche Abmahnungen erschwert werden. Weitere Regelungen für Wirtschaftsverbände sind ein Jahr später im Dezember 2021 in Kraft getreten.

Kurzer Überblick über die Neuregelungen 2020 / 2021:

  • Abmahnungen müssen bestimmte Informationen enthalten.
    Der Abmahner muss genaue Angaben machen zu seiner Identität, seiner Berechtigung, der Rechtsverletzung und evtl. Kosten.
  • Strengere Voraussetzungen für Abmahnbefugnis von Mitbewerbern
    Nur gelegentliche Geschäftstätigkeit, Schein-Onlineshops etc. reichen für eine Mitbewerber-Eigenschaft ausdrücklich nicht aus.
  • Strengere Voraussetzungen für Abmahnbefugnis und neue Aufsicht für Wettbewerbs- / Wirtschaftsverbände (gilt ab 01.12.2021)
    Wettbewerbsvereine müssen jetzt auch in eine Liste beim Bundesamt für Justiz eingetragen werden und dafür einige Voraussetzungen erfüllen.
  • Der Anspruch eines Mitbewerbers auf Erstattung von Abmahnkosten wird beschränkt.
    Bei Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Online-Handel oder teils auch gegen Datenschutzvorschriften können die Abmahnkosten von einem Mitbewerber (Anwalts- oder Verbandskosten) nicht mehr verlangt werden.
  • Abgemahnte erhalten Gegenansprüche bei unberechtigten Abmahnungen.
    Bei missbräuchlichen Abmahnungen muss der Abmahner dem Abgemahnten die Anwalts- oder Gerichtskosten zur Abwehr der Abmahnung ersetzen.
  • Vertragsstrafen werden in ihrem Umfang und ihrer Höhe begrenzt.
    Mitbewerber können bei einer Erstabmahnung von Verstößen gegen Informationspflichten im Online-Handel oder gegen Datenschutz-Vorschriften keine Vertragsstrafe mehr ansetzen. Im Übrigen ist die Vertragsstrafe bei „Bagatellverstößen“ auf 1.000 Euro gedeckelt.
  • Der sog. „fliegenden Gerichtsstand“ (die Zuständigkeit jedes deutschen Gerichts für Wettbewerbsverstöße im Internet) wird aufgehoben.
    Abmahner können in bestimmten Fällen nicht mehr ohne weiteres vor das Gericht gehen, das in ihrem Sinne entscheidet, sondern müssen am Sitz des Abgemahnten klagen.
In unserem IHK-Flyer “Abmahnungen in wettbewerbsrechtlichen Fällen” (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1346 KB) erfahren Sie in Kurzform, wie Sie auf eine Abmahnung reagieren und bei Erhalt einer Abmahnung handeln sollten.

Wo findet sich die gesetzliche Grundlage?

Der entsprechende Rechtsrahmen findet sich im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Er wurde durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs (umgangssprachlich auch “Gesetz gegen Abmahnmissbrauch” genannt) neu abgesteckt. Einige Regelungen sind am 2. Dezember 2020 in Kraft getreten, einige dann ein Jahr später am 1. Dezember 2021. Damit wurden gravierende Änderungen zum Schutz vor Serien- und Bagatellabmahnungen vorgenommen.
Zum Hintergrund: In den vergangenen Jahren ist der Missbrauch von wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen durch unseriöse Vereine, Verbände und leider in Einzelfällen auch durch Rechtsanwälte zu einem Ärgernis für viele, insbesondere kleinere, Betriebe geworden. Dies hat zu einer großen Unsicherheit geführt und zu beständig neuen Fragen, welche besonderen Anforderungen an Homepages, Online-Shops oder Werbeanzeigen zu stellen sind. Mit dem Gesetz sollen vor allem rechtsmissbräuchliche Abmahnungen erschwert werden. Mehr zum Gesetz erfahren Sie hier.

Was ist eine Abmahnung?

Wer in unzulässiger Weise (z. B. irreführend) wirbt oder Informationspflichten nicht einhält (z. B. als Onlinehändler) muss damit rechnen, kostenpflichtig abgemahnt zu werden – egal, ob man sich damit bewusst einen Wettbewerbsvorteil verschaffen will oder aus schlichter Unwissenheit handelt. Genauso riskiert man eine Abmahnung, wenn man fremde Schutzrechte (Marken-, Patent-, Gebrauchsmuster-, Design- oder Urheberrechte) verletzt, weil man – bewusst oder unbewusst – zum Beispiel fremde Namen, Logos, Produkte, Texte oder Bilder genutzt oder kopiert hat.
Mit der Abmahnung wird der Adressat in der Regel aufgefordert, innerhalb weniger Tage eine Unterlassungserklärung abzugeben. Damit kann der Abgemahnte vermeiden, dass der Unterlassungsanspruch gerichtlich geltend gemacht wird. Eine Unterlassungserklärung wird aber nur dann anerkannt, wenn sich der Abgemahnte verpflichtet, den Wettbewerbsverstoß künftig nicht mehr zu begehen und im Fall der Zuwiderhandlung eine bestimmte Vertragsstrafe zu zahlen. Außerdem soll er die durch die Abmahnung entstandenen Kosten übernehmen. Bei der Vertragsstrafe und den Abmahnkosten sieht das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs seit Dezember 2020 zwischenzeitlich Einschränkungen vor. Dazu wird nachfolgend weiter ausgeführt.
Bei vielen abgemahnten Unternehmern herrscht häufig der Glaube vor, dass es sich bei der Abmahnung um eine Form modernen Raubrittertums handelt. Diese Auffassung ist nicht richtig. Mit der Möglichkeit, dass bestimmte Stellen und Personen wettbewerbsrechtliche Verstöße auf zivilrechtlichem Wege verfolgen dürfen, hat der Gesetzgeber das Instrument einer Selbsteinigung innerhalb der Wirtschaft geschaffen. Es soll also nicht – wie in anderen Rechtsbereichen – eine Ordnungsbehörde eingreifen, sondern Unternehmer und Verbraucher sollen selbst den Wettbewerb beobachten.

Wer ist zur Abmahnung berechtigt?

Seit dem 1. Dezember 2021 sind einerseits die Anforderungen an die bereits Berechtigten verschärft worden und andererseits wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert. Einen wettbewerbsrechtlichen Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung können all jene geltend machen, die nachweislich einer der vier vorgeschriebenen Gruppen zuzuordnen sind:
  • Mitbewerber:
    Ein Mitbewerber muss schon bisher nachweislich die gleichen Produkte anbieten und die gleichen Kundenkreise ansprechen wie der Abgemahnte und er muss tatsächlich auf dem Markt aktiv sein.
    Seit dem 1. Dezember 2021 muss er außerdem “in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich” gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen. Es reicht also im Zweifel nicht aus, wenn der Abmahner z. B. selbst erst seit kurzem auf dem Markt ist und/oder kaum Produkte anbietet. Diese Voraussetzungen muss der Abmahner nachweisen können.
  • rechtsfähige Wirtschaftsverbände:
    Diese müssen auch weiterhin eine “erhebliche” Anzahl an Mitgliedern (d.h. Unternehmen) in derselben Branche und auf dem gleichen Markt wie der Abgemahnte nachweisen.
    Seit dem 1. Dezember 2021 müssen Wirtschafts- oder Wettbewerbsverbände außerdem in eine Liste, die sog. Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände beim Bundesamt für Justiz, eingetragen sein. Für eine Eintragung müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
    • mindestens 75 Mitglieder (egal aus welcher Branche)
    • Wahrnehmung satzungsgemäßer Aufgaben seit mindestens einem Jahr vor Antragstellung (keine Neuverbände)
    • strukturelle und finanzielle Kapazität, die sicherstellt, dass satzungsgemäße Aufgaben auch zukünftig sachgerecht wahrgenommen werden können und dass Ansprüche nicht vorwiegend für die Einnahmen aus Abmahnungen oder Vertragsstrafen geltend gemacht werden
    • ordnungsgemäße Vermögensverwaltung (keine Zuwendungen an Mitglieder aus Verbandsvermögen, keine unangemessen hohe Zuwendungen oder Vergütungen an verbandsfremde Dritte)
  • qualifizierten Einrichtungen:
    Dazu gehören Vereine zum Schutz von Verbraucherinteressen. Diese müssen in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach Unterlassungsklagegesetz (UKlaG) beim Bundesamt für Justiz eingetragen sein. Sofern sie aus einem anderen EU-Land stammen, müssen sie in einem Verzeichnis der Europäischen Kommission eingetragen sein.
  • Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern.
  • Seit dem 1. Dezember 2021 gehören auch andere berufsständische Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben sowie Gewerkschaften im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben bei der Vertretung selbstständiger beruflicher Interessen dazu.

Was ist Inhalt einer Abmahnung?

Inhaltlich müssen seit dem 2. Dezember 2020 folgende Informationen klar und verständlich gegeben werden:
  • Name oder Firma des Abmahnenden
    Bei einer Vertretung (z. B. durch einen Anwalt) zusätzlich Name oder Firma des Vertreters
  • die genauen Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung (z. B. als Mitbewerber),
  • die Rechtsverletzung: Welches Recht/welche Vorschrift ist verletzt und warum?
  • den Aufwendungsersatz: Ob und in welcher Höhe Kosten für die Abmahnung (z. B. Anwaltskosten) geltend gemacht werden und wie sich ihre Höhe zusammensetzt. Gegebenenfalls muss auch ein Hinweis erfolgen, wenn der Anspruch auf einen Aufwendungsersatz gesetzlich ausgeschlossen ist (siehe dazu nachfolgenden Punkt: “Welche Kosten entstehen bei einer Abmahnung?”)

Welche Kosten entstehen bei einer Abmahnung?

Eine Abmahnung bringt in der Regel unangenehme Kosten mit sich. Normalerweise wird ein Aufwendungsersatz fällig, also die Erstattung der Kosten z. B. für den Anwalt des Abmahners (meist zwischen 300 und 1000 Euro) oder die Kostenpauschale eines abmahnenden Vereins/Verbands zwischen 150 bis 300 Euro. Später können dann Vertragsstrafen anfallen, falls man erneut den abgemahnten Fehler begeht. Diese liegen jedes Mal bei ca. 3.000 bis 5.000 Euro.
Seit dem 1. Dezember 2020 schränkt das Gesetz gegen Abmahnmissbrauch die Kostenansprüche und Vertragsstrafen in einigen Fällen ein.
Kosten der Abmahnung (Aufwendungsersatz)
Diese entfallen bei Abmahnungen durch Mitbewerber wegen
  1. Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet (“im elektronischen Geschäftsverkehr oder Telemedien”) oder
  2. Verstößen gegen Datenschutzrecht (DSGVO, BDSG), wenn der Abgemahnte weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigt.
Anwalts- oder Verbandskosten können in diesen Fällen also nicht geltend gemacht werden.
Beispiele: Impressumspflicht, Widerrufsbelehrung, Fehler beim Hinweis oder Link auf die Online-Streitbeilegungsplattform, Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen (z. B. Lieferzeiten, Garantien, Produkteigenschaften), Preisangaben (Grundpreis, Versandkosten, MWSt-Hinweis), Datenschutzerklärung
Unterlassungsverpflichtung / Vertragsstrafen
Grundsätzlich sind die eingegangenen Unterlassungsverpflichtungen mit einer Vertragsstrafe bewährt. Jedoch gelten seit dem 2. Dezember 2020 folgende Einschränkungen:
Eine Vertragsstrafe ist ausgeschlossen, wenn
  1. es sich um eine erstmalige Abmahnung handelt und
  2. ein Mitbewerber abmahnt und
  3. wenn es um Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet (“im elektronischen Geschäftsverkehr oder Telemedien”) geht und
  4. der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.
Außerdem:
Generell darf eine Vertragsstrafe nicht mehr als 1.000 Euro betragen, wenn
  1. der Verstoß als “Bagatelle” einzustufen ist (d. h. “der Verstoß beeinträchtigt angesichts seiner Art, seines Ausmaßes und seiner Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße”) und
  2. der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

Welche Gegenansprüche können bei unberechtigten Abmahnungen entstehen?

Seit dem 2. Dezember 2020 kann der Abgemahnte seine Kosten für die Abmahnverteidigung (Anwaltskosten, Gerichtskosten) vom Abmahner ersetzt verlangen, wenn die Abmahnung unberechtigt ist.
Unberechtigt ist die Abmahnung z. B., wenn der Abmahner gar nicht berechtigt ist (s. o.: Wer ist zur Abmahnung berechtigt?), der behauptete Rechtsverstoß nicht vorliegt oder die Formalien der Abmahnung nicht eingehalten wurden (s. o.: Was ist Inhalt einer Abmahnung?).
Anmerkung: Ein Gegenanspruch besteht nicht bei jeder Abmahnung, die sich als unberechtigt herausstellt, sondern nur bei Vorsatz/Rechtsmissbrauch oder grob fahrlässigem Verhalten des Abmahners. In der Praxis wird ein Gegenanspruch also vor allem bei rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen bestehen.

Was ist zu tun, wenn man eine Abmahnung erhalten hat?

Das Schreiben nicht zu beachten ist ebenso falsch wie die übereilte und ungeprüfte Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung! In jedem Fall sollte eine schnelle Reaktion erfolgen. Die Frist, innerhalb derer die Erklärung abgegeben werden soll, beträgt häufig nur wenige Tage (i.d.R. 5-14) manchmal nur Stunden - nicht viel Zeit, um die Abmahnung in aller Ruhe auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Eine Abmahnung darf nie auf die leichte Schulter genommen werden, da sie weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen kann! Der Abgemahnte sollte innerhalb der gesetzten Frist reagieren, weil sonst der Erlass einer kostspieligen einstweiligen Verfügung droht. Mit dem einstweiligen Verfügungsverfahren könnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung innerhalb weniger Tage entscheiden und den Verantwortlichen zur Unterlassung verurteilen. Nur selten lassen sich die Abmahnenden auf eine Fristverlängerung zur weiteren Prüfung ein. Im Zweifel sollte man sich daher schnellstmöglich bei der Industrie- und Handelskammer, einem Berufsverband oder einem Fachanwalt Rat zu dem weiteren Vorgehen einholen.

Was sollte geprüft werden?

Nach Erhalt der Abmahnung sollten insbesondere folgende Punkte geprüft werden:
  • Wurden die Formalien der Abmahnung eingehalten?
  • Ist der Absender berechtigt, eine Abmahnung auszusprechen?
  • Ist der vom Abmahner dargestellte Sachverhalt tatsächlich korrekt?
  • Liegt rechtlich ein Wettbewerbsverstoß vor?
  • Ist die Unterlassungserklärung richtig formuliert und die Vertragsstrafe angemessen oder ist letztere evtl. ausgeschlossen?
WICHTIG: Bestehen auch nur in einem Punkt Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abmahnung oder können Sie das nicht beurteilen, ist unverzüglich fachkundiger Rat bei einem spezialisierten Rechtsanwalt (Fachanwalt für „Gewerblichen Rechtsschutz“ oder “Urheber- und Medienrecht” oder für IT-Recht, letzterer vor allem für Onlineshops) einzuholen. Für erste Hinweise steht auch Ihre zuständige IHK zur Verfügung.
Praxistipp: Oft findet man im Internet schon Informationen zum Abmahner oder Erfahrungsberichte von Abgemahnten, z.B. ob der Abmahner schon für massenhafte Abmahnungen bekannt ist, ob es Indizien für Rechtsmissbrauch gibt, ob der Abmahner verhandlungsbereit ist usw...

Wie kann auf eine Abmahnung reagiert werden?

Die Reaktion auf eine Abmahnung kann unterschiedlich aussehen:
  • Soweit der wettbewerbsrechtliche Verstoß offensichtlich ist, kann es angezeigt sein, nach sorgfältigster Prüfung eine Unterlassungserklärung abzugeben. Durch die Abgabe der Unterlassungserklärung wird die Gefahr einer einstweiligen Verfügung oder Klage gebannt. Bei später eingehenden Folgeabmahnungen sollte der Abgemahnte dem Versender mitteilen, dass er bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat und möglichst eine Kopie übersenden. Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung müssen alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen werden, um das beanstandete Verhalten sofort zu unterbinden. Bei schuldhafter Wiederholung wird die Vertragsstrafe fällig!
  • Auch wenn ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, ist der Abgemahnte nicht verpflichtet, die vom Abmahner vorformulierte Erklärung zu verwenden. Abmahner neigen oft dazu, die Verpflichtung sehr weit zu formulieren. Tatsächlich muss sich der Abgemahnte aber nur verpflichten, den konkreten Verstoß nicht zu wiederholen. Unter engen Voraussetzungen kann der Abgemahnte auch eine Aufbrauch-Frist verlangen, wenn die sofortige Unterlassung unverhältnismäßig große Nachteile verursachen und eine befristete Weiterbenutzung für den Verkehr keine unzumutbare Beeinträchtigung bedeuten würde.
  • Sofern zwar ein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt, die Abmahnkosten aber zu hoch erscheinen (Achtung: zwingend vorher prüfen, ob Abmahnkosten ggf. ausgeschlossen sind), kann der Empfänger die Unterlassungserklärung entweder ohne die Verpflichtung zur Übernahme der Kosten abgeben. Oder er reduziert den angegebenen Betrag der Kosten. Es bleibt dann aber das Risiko, auf Kostenerstattung verklagt zu werden. Allerdings befindet sich der Abgemahnte bei einer Klage auf Kostenerstattung in einer wesentlich günstigeren Position als in einem einstweiligen Verfügungsverfahren. Der Streitwert beruht hier nur auf den Abmahnkosten, ist also wesentlich geringer als der ursprüngliche Wettbewerbsstreitwert.
  • Liegen Gründe vor, die Unterlassungserklärung nicht abzugeben (bspw. weil der Abmahnende nicht berechtigt ist oder kein wettbewerbsrechtlicher Verstoß vorliegt), sollte der Empfänger den Abmahnenden schnellstmöglich darüber aufklären, dass er die Erklärung nicht unterzeichnen wird. Schweigt der Abgemahnte, signalisiert er, dass er eine außergerichtliche Auseinandersetzung ablehnt und muss mit einer einstweiligen Verfügung bzw. einem Gerichtsverfahren rechnen.
  • Sollte eine Abmahnung auf eine – durch einen Druckfehler entstandene – Wettbewerbswidrigkeit in einer Print-Anzeige erfolgen, empfiehlt es sich, sofort den Abmahnenden anzuschreiben und eine Kopie des Anzeigenmanuskripts, die Reklamation bei der Zeitung und - soweit vorhanden - eine entsprechende Bestätigung der Zeitung beizufügen.
  • In die Überlegungen vor Abgabe einer Unterlassungserklärung sollte auch einbezogen werden, inwiefern das Unterlassungsverlangen eine ernste Bedrohung für das Unternehmen darstellt, so zum Beispiel bei Abmahnungen wegen der Verwendung eines Markennamens.
  • Liegen Anhaltspunkte für eine Serienabmahnung vor, empfiehlt es sich Erkundigungen bei der Industrie- und Handelskammer einzuholen, da diese ggf. durch ähnliche Anfragen weiterer Mitgliedsunternehmen oder früherer Erfahrungen mit Versendern über einen solchen Fall informiert ist.
  • In Fällen, in denen ein Wettbewerbsverstoß zweifelhaft ist, kann auch der Abgemahnte die Einigungsstelle für Wettbewerbsstreitigkeiten bei der Industrie- und Handelskammer anrufen. So können Wettbewerbsstreitigkeiten kostengünstig beigelegt werden. Damit ist allerdings die Gefahr einer einstweiligen Verfügung nicht ausgeräumt. Der Abgemahnte sollte deshalb zumindest eine vorläufige Unterlassungserklärung abgeben, die bis zum Abschluss des Einigungsstellenverfahrens gültig ist.

Wie erkenne ich eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung?

Rechtsmissbräuchliche Abmahnungen sind unzulässig. Für Betroffene ist es im Einzelfall jedoch schwer festzustellen, ob eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ausgesprochen wurde. Im Zweifel sollten sich betroffene Unternehmen zunächst an ihre zuständige IHK wenden, diese hat eventuell aktuelle Informationen zu dem Abmahner. Im Übrigen sollte ein Fachanwalt für Wettbewerbsrecht hinzugezogen werden.
NEU: Das Gesetz gegen Abmahnmissbrauch zählt seit 1. Dezember 2020 folgende Indizien auf, bei denen eine Abmahnung "im Zweifel" rechtsmissbräuchlich ist:
  • Die Abmahnung dient vorwiegend dazu, Geldeinnahmen zu erzielen durch Geltendmachung von Ansprüchen auf Aufwendungsersatz oder Vertragsstrafenforderungen
  • ein Mitbewerber mahnt serienweise ab, d.h. verschickt Abmahnungen in „erheblicher“ Anzahl immer wegen derselben Verstöße und die Anzahl steht außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit oder es ist anzunehmen, dass der Abmahnende das wirtschaftliche Risiko nicht selbst trägt (d.h. er könnte für die Anzahl der Abmahnungen die anfallenden Anwalts- und oder Gerichtskosten nicht selbst tragen
  • ein Mitbewerber setzt den Gegenstandswert (als Grundlage für das Anwaltshonorar) für eine Abmahnung unangemessen hoch an
  • es werden offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen gefordert
  • die Formulierung der vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung geht offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus
  • mehrere Verstöße eines Unternehmens werden einzeln abgemahnt, obwohl sie zusammen in einer Abmahnung hätten abgemahnt werden können
  • ein Verstoß, für den mehrere Personen/Unternehmen verantwortlich sind, wird ohne sachlichen Grund nicht gegen alle zusammen geltend gemacht.
WICHTIG: Schon eines dieser Indizien reicht allein aus, um einen Abmahnmissbrauch nahezulegen, die Indizien müssen also nicht gesammelt vorliegen.
Dennoch stellen diese "indizien" noch keinen endgültigen Beweis für Rechtsmissbrauch dar, sondern nur eine Vermutung, die der Abmahner ggf. widerlegen kann.

Hinweis: Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Stand: Dezember 2021.