Nachhaltigkeit

Mit Nachhaltigkeit zu Fachkräften

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt auch beim Recruiting und der Mitarbeiterbindung mehr Bedeutung. Unternehmen überzeugen, wenn sie das Thema authentisch leben.
(Von Melanie Rübartsch)
Es hat sich etwas geändert. Spürbar. Mussten die Recruiter des Bocholter Getriebeherstellers Flender vor geraumer Zeit vor allem Fragen zu Karriereaussichten und Gehalt in Bewerbungsgesprächen beantworten, sprechen sie aktuell oft über Work-Life-Balance und Flenders Nachhaltigkeitsziele. „Insbesondere für die jüngeren Kandidatinnen und Kandidaten spielt das eine größere Rolle“, bestätigt Ausbildungsleiter Thorsten Fahrland.
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© Flender
Bisweilen sei Flender beim technischen Nachwuchs zudem auch genau deshalb auf der Watchlist, weil das Unternehmen einer der größten Zulieferer von Windkraftanlagenbauer ist, also unmittelbar in einer nachhaltigen Branche verortet ist. „Wir merken deutlich, dass wir mit Nachhaltigkeit im Wettbewerb um gute Fachkräfte punkten können.“

Strategisch verankern

Unternehmen und die Arbeitgebermarke müssen authentisch und nachhaltig sein und von Bewerbenden und Mitarbeitenden auch so wahrgenommen werden. Das setze zunächst entsprechende interne Strukturen voraus. So hat Flender bereits vor mehreren Jahren Nachhaltigkeit als übergeordnetes Ziel in der Unternehmensstrategie verankert. Jährlich erscheint ein Nachhaltigkeitsbericht. Darin ist zu lesen, dass Flender seine Produktionsstandorte bereits zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umgestellt hat und wiederverwendbare Verpackungssysteme für seine Großkomponenten nutzt sowie Ziele und Maßnahmen für mehr Diversität auf den Weg gebracht hat.
Das Technologieunternehmen konnte im vergangenen Jahr eine Goldmedaille in dem Nachhaltigkeitsranking EcoVadis erreichen und zählt damit aus Sicht der Bewerter zu den besten fünf Prozent der nachhaltigsten Unternehmen weltweit.
Regelmäßig setzt sich die Unternehmensleitung zudem in den Medien und auf öffentlichen Veranstaltungen für den Ausbau erneuerbarer Energien oder faire Arbeitsbedingungen ein. „Das alles wird von möglichen Interessentinnen und Interessenten wahrgenommen und macht auf uns aufmerksam“, so Fahrland.

Kooperation mit Fachhochschule 

Unmittelbarerer wirkt hingegen ein neues duales Studium, das Flender in Kooperation mit der Westfälischen Hochschule seit einem Jahr anbietet. Der Bachelor of Sustainable Engineering and Management ist genau auf den Nachwuchs zugeschnitten, der sich gezielt mit nachhaltigen Themen auseinandersetzen möchte: Während der vierjährigen Ausbildungsdauer lernen die Studierenden – vereinfacht gesagt –, wie sich gewinnbringend produzieren und dennoch die Umwelt schonen lässt.
Der Fachkräftemangel ist inzwischen allgegenwärtig. Der Arbeitgebermarkt hat sich zum Arbeitnehmermarkt gewandelt. Wer gute Leute bekommen und halten möchte, muss daher wissen, was diese von ihrem Arbeitgeber erwarten. Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in diesem Zusammenhang im Recruiting und der Mitarbeiterbindung immer mehr an Bedeutung: Bei einer Befragung von Stepstone und dem Handelsblatt Research Institute gab fast jeder Zweite an, im Falle eines Jobwechsels gezielt nach Stellen bei nachhaltigen Unternehmen zu suchen ‒ und 70 Prozent würden sich dort auch eher bewerben. „Damit muss Nachhaltigkeit Teil der Recruitingbemühungen werden“, bestätigte Dr. Axel Roßdeutscher, Professor für Personalwirtschaft und Organisation an der Westfälischen Hochschule, Anfang Mai auf dem diesjährigen Fachkräftesicherungskongress der IHK Nord Westfalen. Das müsse jedoch als ganzheitliche Strategie erfolgen. „Wenn zum Beispiel in Annoncen oder auf Bewerbermessen behauptet wird, man lege auf Nachhaltigkeit, großen Wert, das Thema aber in Unternehmensvision oder -mission überhaupt nicht verortet ist, können die Bemühungen im Recruiting nicht greifen – oder schaden dem Unternehmen sogar“, gibt er zu bedenken.
Wichtig sei, dass die Arbeitgebermarke authentische Botschaften über die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens enthält und diese über passende Kanäle kommuniziert werden. Zudem müssen sich diese Botschaften auch später im Arbeitsalltag wiederfinden lassen: Wie lebt das Unternehmen Nachhaltigkeit im direkten Arbeitsalltag, wie steht es um Chancengleichheit und faire Vergütung und welche Möglichkeiten haben die Mitarbeiter selbst, sich nachhaltig zu engagieren.

Leitbild als Einstieg

Alle diese Aspekte sind auch Teil des Leitbilds des Hörsteler Kunststoffkomponentenproduzenten OKE Group: „Wir geben Acht“ nennt der 1.850 Mitarbeiter starke Mittelständler sein Leitbild, dessen Bedeutung sich im täglichen Miteinander widerspiegelt.   „Interessanterweise stellen uns Bewerber zwar sehr selten direkt Fragen zu unserer Nachhaltigkeitsstrategie. Unser Leitbild hingegen, das sie bei der Vorbereitung auf unserer Homepage entdecken, scheint viele abzuholen“, sagt Personalleiterin Claudia Sandkötter und ergänzt: „Immer wieder kommt es vor, dass Bewerberinnen und Bewerber explizit darauf hinweisen, dass das Leitbild ein ausschlaggebender Aspekt für die Bewerbung gewesen sei.“ Für die Recruiter im Unternehmen sei das ein willkommener Anlass, um mit den Kandidaten über das soziale und ökologische Engagement des Unternehmens zu sprechen. „Insbesondere im Zuge der Mitarbeiterbindung merken wir, dass unsere Aktivtäten in diesem Kontext sehr wohlwollend auf- und angenommen werden“, sagt sie. Hier seien es insbesondere Veränderungen und Angebote im Arbeitsalltag: Mehrweggeschirr in der Kantine, energiebewusstes Heizen und Lüften, gemeinsame Charityaktionen für das unternehmenseigene Hilfswerk OKE Kinderhilfe oder das Gesundheitsprogramm OKE Plus.
Junge Menschen arbeiten mit kleinen Holzstücken.
Ein nachhaltiges Projekt der Azubis bei OKE: Bienenhotels herstellen. © OKE
Ob das Thema Nachhaltigkeit auch bei der Nachwuchsgewinnung eine Rolle spiele? „Auf jeden Fall“, antwortet die Personalleiterin der Gruppe, „so beschäftigt sich beispielsweise der jeweils neue Azubijahrgang im Rahmen unserer standortübergreifenden Azubiwoche unter anderem mit einem Nachhaltigkeitsprojekt.“
Vor einem Jahr etwa haben sie gemeinsam Insektenhotels gebaut und in diesem Jahr ein System für eine konsequente Mülltrennung im Unternehmen erarbeitet. Ihr Ergebnis haben sie vor der Geschäftsleitung präsentiert. „Aktionen wie diese werden begleitend auf unserem Instagram-Kanal oke_entdecker präsentiert, den das Unternehmen explizit zur Ansprache von Nachwuchstalenten aufgebaut hat. Hier fungieren unsere Azubis aus dem ersten Lehrjahr als Botschafter, die künftigen Fachkräften dann unter anderem zeigen können, welchen Stellenwert Nachhaltigkeit im Unternehmen hat“, so Sandkötter.
Flender
Sitz in Bocholt
Getriebehersteller
8700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
In 33 Ländern vertreten
2 Mrd. Euro Umsatz
1,9 Mio verkaufte Getriebe
OKE Group
Sitz in Hörstel
Komponenten für die Automobil- Elektronik und Möbelindustrie 
1850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 
12 Standorte weltweit
256 Millionen Euro Umsatz