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Westfälisch in die Weltklasse
Mit einer technischen Revolution ist beim Maschinenbauer L.B. Bohle, einem Hidden Champion aus Nord-Westfalen, immer zu rechnen. Doch die Außendarstellung soll bodenständig bleiben – schließlich sind in der Chefetage überzeugte Westfalen am Werk. (Von Dominik Dopheide)
Mit einer buchstäblich runden Idee hat Ingenieur und Firmengründer Lorenz B. Bohle Mitte der 80er den Aufstieg seines Unternehmens zum weltweit gefragten Exporteur eingeläutet. Und gute Ideen würden bei L.B. Bohle mit Stammsitz in Ennigerloh auch heute gerne zügig realisiert, sagt Geschäftsführer Tim Remmert. „Wir können sofort entscheiden und investieren, ohne Gremien – das ist Mittelstand“, erläutert er und hat damit wohl einen wesentlichen Grund genannt, warum das Unternehmen manches Mal eine Idee schneller war als andere. Damit hat es sich durchgesetzt in einem Wettbewerb, der überwiegend von Konzernen geprägt wird.
© Gerharz/IHK
Firmengründer Bohle hatte damals „den Pharma-Mischer, der runde Container mischt, entwickelt und damit den Markt revolutioniert“, erzählt Remmert. Im runden Behälter ist eine besonders gleichmäßige Verteilung der Komponenten zu erzielen, und genau das ist bei der Herstellung von pharmazeutischen Feststoffen erwünscht. Gut verteilt sind auch die Aufgaben der beiden Maschinenbau-Ingenieure, die, in der Nachfolge des Gründers, seit 2017 die Geschicke des Unternehmens leiten. Remmert bringt vorwiegend die vertriebliche Expertise ein, sein Geschäftsführer-Kollege Thorsten Wesselmann die technische. Ihre gemeinsame Aufgabe: ein Unternehmen führen, das Maschinen und Anlagen für die Tablettenproduktion baut und dabei nahezu die gesamte Prozesskette abbildet. Ziel jeder Entwicklung im hauseigenen Technology Center ist, dass die Pharmaindustrie ihre Produktqualität weiter verbessern und Zeitaufwand sowie Kosten reduzieren kann. Die beiden Manager wissen genau, wie sie an die Erfolge des Vorgängers anknüpfen können – schließlich kennen sie das Unternehmen aus dem Effeff. „Wir sind Eigengewächse, Thorsten Wesselmann hat hier vor dem Studium eine Ausbildung zum Industriemechaniker absolviert, ich habe nach meinem Studium hier angefangen“, erzählt Remmert.
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Ein bisschen mehr PR
Mehr als einmal fällt das Wort „Kontinuität“, wenn Tim Remmert seine Vorstellungen zur Unternehmensführung erläutert. So wird bei L.B. Bohle beispielsweise weiterhin das Prinzip der Beharrlichkeit gelebt, das dem Unternehmen den Pharma-Mischer und viele weitere Innovationen beschert hat. „Es geht darum, sich nicht abbringen zu lassen von einer guten Idee“, erklärt Remmert.
Auf diesem konsequenten Weg der Produktentwicklung kann L.B. Bohle einen Trumpf ausspielen: Unabhängigkeit. „Wir sind eigenfinanziert und brauchen keine Banken“, sagt Remmert. „Gewinne bleiben im Unternehmen, deshalb können wir nachhaltig investieren, das zahlt sich aus“, ergänzt Wesselmann. L.B. Bohle, so betonen beide, sei ein Familienunternehmen und werde es auch bleiben, denn es liege in der Hand einer Familienstiftung – mit Lorenz B. Bohle als Stiftungsvorstand. Dieser habe die Firma mit Bodenständigkeit geführt, und daran will die aktuelle Geschäftsleitung anknüpfen. Solidität im Wirtschaften sowie Understatement in der Außendarstellung: Das passe schließlich sehr gut zum Mittelstand und zur Mentalität, die dem Münsterland gern zugeschrieben wird. Wie schon der Gründer, halten sich auch Remmert und Wesselmann mit Auftritten in der Medienlandschaft zurück. „Wir sind nicht die Typen, die immer in die Zeitung wollen“, sagt Remmert. Schließlich drohe die Gefahr, von den eigentlichen Aufgaben abgelenkt zu werden. „Deshalb ist der Begriff Hidden Champion für uns auch positiv besetzt“, fügt er hinzu.
Kurzprofil L.B. Bohle Maschinen und Verfahren GmbH
Gründungsjahr: 1981
Branche: Maschinenbauer für die Pharma-Industrie
Geschäftsfelder/Produktsparten: Maschinen zur Tablettenproduktion
Standorte: Ennigerloh (drei Standorte), Sassenberg, USA, Indien, Schweiz
Anzahl Mitarbeiter: rund 300
Wichtigste Absatzmärkte: Deutschland, Europa, USA, Südamerika, Indien
Jahresumsatz: ca. 68 Millionen Euro
Exportanteil des Jahresumsatzes: ca. 80 Prozent
Gründungsjahr: 1981
Branche: Maschinenbauer für die Pharma-Industrie
Geschäftsfelder/Produktsparten: Maschinen zur Tablettenproduktion
Standorte: Ennigerloh (drei Standorte), Sassenberg, USA, Indien, Schweiz
Anzahl Mitarbeiter: rund 300
Wichtigste Absatzmärkte: Deutschland, Europa, USA, Südamerika, Indien
Jahresumsatz: ca. 68 Millionen Euro
Exportanteil des Jahresumsatzes: ca. 80 Prozent
Wesselmann räumt aber ein, dass im Wettbewerb um Fachkräfte die Außendarstellung des Unternehmens zumindest auf regionaler Ebene etwas offensiver geworden ist. „Wir haben ein internes Projekt zum Employer Branding angestoßen, damit wir die Pluspunkte, die wir als Arbeitgeber haben, noch besser nach außen tragen“, berichtet er. So kooperiert L.B. Bohle beispielsweise mit einer Berufsschule, lädt die Fachkräfte von morgen und deren Eltern zum Unternehmensbesuch ein und bietet zahlreiche Praktika an. Dass sich die Anzahl der Auszubildenden in den vergangenen Jahren verdreifacht hat, führen die beiden Unternehmer auf die verstärkte regionale Öffentlichkeitsarbeit und neue Ausbildungsberufe zurück. Zudem zeigen die Forschungs-Kooperationen mit renommierten Hochschulen den willkommenen Effekt, dass Absolventen den Weg zum Hidden Champion aus Ennigerloh finden.
Hidden Champions
690 Unternehmen in NRW gehören laut einer Studie (pdf) des Forschungszentrums Mittelstand der Universität Trier zu den „Hidden Champions“, 73 davon haben ihren Sitz in Nord-Westfalen. Hidden Champions gehören zu den Top-3-Unternehmen auf dem Weltmarkt oder sind Marktführer auf dem Kontinent, erwirtschaften einen Umsatz von weniger als fünf Milliarden Euro und verfügen nur über einen geringen Bekanntheitsgrad.
Weitere Hidden Champions in Nord-Westfalen, die schon im IHK-Wirtschaftsspiegel porträtiert wurden, sind die Optitime GmbH & Co. KG in Rheine, metrica in Senden und TRAPO in Gescher.
690 Unternehmen in NRW gehören laut einer Studie (pdf) des Forschungszentrums Mittelstand der Universität Trier zu den „Hidden Champions“, 73 davon haben ihren Sitz in Nord-Westfalen. Hidden Champions gehören zu den Top-3-Unternehmen auf dem Weltmarkt oder sind Marktführer auf dem Kontinent, erwirtschaften einen Umsatz von weniger als fünf Milliarden Euro und verfügen nur über einen geringen Bekanntheitsgrad.
Weitere Hidden Champions in Nord-Westfalen, die schon im IHK-Wirtschaftsspiegel porträtiert wurden, sind die Optitime GmbH & Co. KG in Rheine, metrica in Senden und TRAPO in Gescher.
Die jungen Fachkräfte sollen bei L.B. Bohle Wurzeln schlagen, und auch deshalb gehen Remmert und Wesselmann in einigen Bereichen doch eigene, neue Wege: Sie haben den Führungsstil und die Arbeitsorganisation verändert. Der Geschäftsführer omnipräsent und immer vorneweg? Das sei bei einer Mitarbeiterzahl von inzwischen rund 300 nicht mehr möglich „Wir müssen es in der heutigen Zeit anders lösen“, sagt Wesselmann. Dem Team mehr Eigenverantwortung einzuräumen, zugleich die Work-Life-Balance im Blick zu behalten: Das sei die moderne Art der Motivation und Organisation, die von der jüngeren Fachkräfte-Generation auch erwartet werde. Zudem befinde sich L.B. Bohle mitten im Transformationsprozess vom Maschinenbauer zum Anbieter komplexer Technologien. „Es wird heute mehr gefordert, als nur Maschinen, die Kunden wollen Lösungen“, erklärt Wesselmann. So wird etwa im L.B. Bohle Technology Center an sogenannten kontinuierlichen Prozessen und somit an der Zukunft der pharmazeutischen Verfahrenstechnik gearbeitet.
Erfolgsfaktor Geschwindigkeit
Remmert und Wesselmann geben ihren Mitarbeitern die Freiheit, selbst zu entscheiden, wie sie ihre Ziele erreichen, und setzen auf intrinsische Motivation. „Wir haben beispielsweise nur zum Ausprobieren einen Kunststoff-3D-Drucker gekauft“, erzählt Wesselmann. Bis dahin kam additive Fertigung bei L.B. Bohle nicht zum Einsatz. Überzeugend hätte das engagierte Team dann die Potenziale aufgezeigt, die das Verfahren dem Unternehmen zu bieten hat. „Wir haben jetzt entschieden, 250.000 Euro zu investieren, und in den 3D-Druck richtig einzusteigen“, berichtet der Geschäftsführer. Die Chancen der Digitalisierung wollen er und Remmert in vielen Unternehmensbereichen nutzen. „Wir haben gerade das erste Projekt in Sachen Data-Science gestartet“, verrät Remmert. Es gehe darum, große Datenmengen für die Kunden nutzbar zu machen und somit mehr Nachhaltigkeit in energieintensive Prozessschritte zu bringen. Und auch diese guten Ideen sollen schnell realisiert werden, um weiterhin im Wettbewerb vorne zu sein.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel