Wertvoller Blick von außen

Viele Betriebe beklagen derzeit, dass ihre Ausbildungsplätze nur schwer oder überhaupt nicht zu besetzen sind. Wie sehr der Ausbildungsmarkt umkämpft ist, zeigt auch eine Erhebung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) aus der hervorgeht, dass nahezu die Hälfte der Betriebe ihre freien Ausbildungsplätze nicht besetzen können. Probleme, die man bei der Ziehl-Abegg SE, die in 25 Berufen etwa 200 Azubis ausbildet, auch wahrnimmt aber noch damit klarkommt. Pressesprecher Rainer Grill: „Wir hatten für September 2023 mehr als 70 Stellen zu besetzen und konnten glücklicherweise alle besetzen. Im kommenden Jahr werden es mehr als 80 sein. Daher befinden wir uns schon jetzt im Bewerbungsprozess für Herbst 2024.“

Bei der Azubi-Gewinnung habe sich allerdings viel verändert berichtet Rainer Grill. So seien früher bereits im November alle Plätze für das Folgejahr vergeben gewesen. „Mittlerweile können sich die Bewerber den Betrieb, in dem sie eine Ausbildung beginnen wollen, aussuchen; dies führt dazu, dass sich viele Jugendliche sehr spät bewerben.“ Daher wurde der Azubi-Bewerbungszeitraum bei Ziehl-Abegg auch auf das komplette Kalenderjahr ausgedehnt. Und dieser Prozess beginnt lange bevor dann auch tatsächlich ein Ausbildungsvertrag geschlossen wird.

Andreas Hillebrand, Ausbilder im Metallbereich bei Ziehl-Abegg, berichtet: „Als Mitglied der Innovationsregion Hohenlohe kooperieren wir mit zahlreichen weiterführenden Schulen, Grundschulen und Kindergärten, um die Kinder und Jugendlichen mit dem MINTec-Mobil bereits früh für Technik zu begeistern. Außerdem sind wir unter anderem regelmäßig beim ‚Girls-Day‘, auf Messen und in den sozialen Medien aktiv, um für uns und unsere Ausbildung zu werben.“

Seit September 2020 verfügt Ziehl-Abegg auch über ein Digitales IT-Center (DIC) als Lehrwerkstatt für IT-Azubis und dual Studierende, die vom Hauptverantwortlichen für die IT-Ausbildung, Holger Matthias Rößler, aufgebaut wurde. „Gerade im IT-Bereich ist es wichtig, die Sprache der Jugendlichen zu sprechen. Während Corona war es nicht einfach, mit Jugendlichen in Kontakt zu treten, doch mittlerweile hat bereits unser erster DIC-Azubi seine Ausbildung bei uns erfolgreich abgeschlossen.“ Als weiteres Highlight gibt es im Unternehmen auch einen Bereich e-Sports, der ebenfalls von Rößler koordiniert wird. Im August 2021 veranstaltete Ziehl-Abegg seine ersten beiden Turniere mit Spielern aus ganz Europa. Ein eigenes Team stellt das Unternehmen dabei aber nicht, sondern sorgt für die Organisation. Holger Matthias Rößler: „Die hohe Qualität unserer Turniere hat schnell die Runde gemacht und die steht auch im Vordergrund. Ein international konkurrenzfähiges Team aufzustellen, wäre viel zu teuer.“ So werden die internationalen eSports-Events in der Reihe „Royal eSports Masters“ von Ziehl-Abegg kommentiert und gestreamt, was laut Rößler hervorragend ankommt und sogar zu Bewerbungen im Unternehmen geführt hat. „Bereits nach dem ersten Turnier haben wir vier Bewerbungen erhalten und dann auch drei Azubis eingestellt, die uns nur über e-Sports kennengelernt haben“, berichtet der Ausbilder.

Außergewöhnlich ist bei Ziehl-Abegg zudem, dass sämtliche Auszubildenden schon vor Ausbildungsbeginn die Zusage erhalten, nach erfolgreichem Abschluss der Prüfungen in ein festes und unbefristetes Anstellungsverhältnis übernommen zu werden. Rainer Grill: „Wir wollen keine Konkurrenzsituation innerhalb der Ausbildung, sondern legen sehr viel Wert darauf, dass sich unsere Azubis bei uns entwickeln können. Das Ankommen ist wichtig.“ Daher gebe es eine Einführungswoche, in der die neuen Azubis Einblick in die vielseitigen Arbeits- und Produktionsbereiche erhalten. Alle bekommen die Möglichkeit, ins Ausland zu gehen, um dort internationale Erfahrung zu sammeln. Ziehl-Abegg hat ein ausgeklügeltes Prämiensystem für die Azubis.

So gibt es eine Halbjahres-, eine Ganzjahres- und eine Abschlussprämie. Dabei fließt die Halbjahresprämie in einen Gemeinschaftstopf, mit welchem dann Teamevents, welche die Jugend- und Auszubildendenvertretung organisiert, durchgeführt werden. Die anderen Prämieren werden direkt ausbezahlt. Wenn es mal Schwierigkeiten gibt, findet man bei Ziehl-Abegg auch eine Lösung. Hannes Gahm, Industriemechaniker-Azubi im zweiten Lehrjahr, erzählt: „Ich habe hier meine Ausbildung zum Produktdesigner gestartet, aber schon bald gemerkt, dass mir das nicht wirklich liegt. In unserer Lehrwerkstatt bin ich dann auf die Ausbildung zum Industriemechaniker gestoßen und wusste sofort, das will ich machen. Der Wechsel des Ausbildungsberufes war dann überhaupt kein Problem.“

All dies ist nur ein Teil dessen, was Ziehl-Abegg auszeichnet und dafür gesorgt hat, dass das Unternehmen weit über Künzelsau hinaus als äußerst attraktiver Ausbildungsbetrieb bekannt ist. Aber warum lässt sich das Unternehmen, das nach eigenen Angaben das Dualis-Zertifikat nicht unbedingt als Marketing-Instrument benötigt, dann immer wieder auf die intensiven Audits im Rahmen von Dualis ein? Sprecher Grill: „Ausbildung ist ein dynamischer Prozess, und wir sind ständig bestrebt, am Puls der Zeit zu bleiben und uns immer weiter zu verbessern. Manchmal braucht es da auch einfach den ‚Blick von außen‘. Mit Dualis ist dies gegeben, und wir haben anhand der Zertifizierung schon gute Anregungen erhalten, die wir dann im Unternehmen auch umsetzen. Ich kann jedem Ausbildungsbetrieb nur empfehlen, die Dualis-Auditierung wahrzunehmen, denn der Ausbildungsmarkt wird in den nächsten Jahren mit Sicherheit nicht einfacher werden. Wer da nichts tut, wird langfristig Probleme bekommen.“