interview

„Anrufen, fragen, beraten lassen. Seien Sie offen, wir beißen nicht!“

Das Thema Weiterentwicklung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erfährt in den Unternehmen eine Relevanz wie selten zuvor. Welche Rolle kann hierbei die Agentur für Arbeit spielen?

Wir sind in diesem Thema seit geraumer Zeit aktiv. Ganz salopp ausgedrückt könnte man sagen: Wir nehmen Geld in die Hand, um Arbeitnehmende und Arbeitgeber beim Thema Weiterbildung zu unterstützen. Zielsetzung dahinter ist, dass drei Parteien davon profitieren: die Arbeitnehmenden, die Arbeitgeber und natürlich auch die Versichertengemeinschaft, wenn dadurch eben erst gar keine Arbeitslosigkeit entsteht. Für Arbeitgeber bietet der Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Unterstützung und Beratung an. Aber auch für Arbeitnehmende gibt es ein Beratungsangebot, die „Berufsberatung im Erwerbsleben“.

Wie sehen die Unterstützungsangebote aus?

Im Grunde haben wir zwei Maßnahmen. Für die „Beschäftigtenqualifizierung“ im klassischen Sinne nutzen wir die gesamte Förderspannweite nach dem Qualifizierungschancengesetz. Wenn es Beschäftigte im Unternehmen gibt, die weiterqualifiziert werden sollen, dann können von uns sowohl ein Arbeitsentgeltzuschuss als auch Weiterbildungskosten übernommen werden, immer gestaffelt nach der Größe des Unternehmens. Ziel ist es, frühzeitig bei der Personalentwicklung anzusetzen.

Die Beschäftigtenqualifizierung können dann vor allem Unternehmen nutzen, die Menschen mit geeignetem Potenzial bei sich beschäftigten?

Das Spannende hieran ist, es besteht damit auch die Möglichkeit, eine geringqualifizierte Person mit dem konkreten Ziel einzustellen, diesen Menschen hin zu einer Fachkraft zu entwickeln. Viele Arbeitgeber haben inzwischen festgestellt, dass die Vorstellung eines Wunschkandidaten, der alle wichtigen Kompetenzen bereits mitbringt, so gut wie nie erfüllt wird. Es geht eher um eine Person, die von dem gewünschten Kompetenzprofil noch weit entfernt ist. Aber selbst das kann man als Chance verstehen. Und damit der Betrieb das Risiko nicht allein tragen muss, gibt es die Unterstützung seitens der Arbeitsagentur.

Die Förderung seitens der Agentur für Arbeit muss nicht unbedingt etwas mit Transformation zu tun haben?

Es ist nicht zwingend an Transformation und Strukturwandel gebunden, wenn wir in die Beschäftigtenförderung reingehen. Hier können es auch andere Bedarfe sein. Als Beispiel nenne ich mal den LKW-Führerschein. Ich nenne ihn deswegen, weil er etwas außerhalb vom Strukturwandel steht. Grundsätzlich gilt: Wenn Unternehmen Förderbedarfe erkennen, wäre immer die Idee beim Arbeitgeber-Service anzurufen und ins Gespräch zu gehen. Unsere Experten beraten hierzu gerne. Dann können wir überprüfen, ob das Qualifizierungschancengesetz greift und die Beschäftigtenförderung unterstützt werden kann, auch wenn es nichts mit Digitalisierung oder Strukturwandel zu tun hat. Wir schauen uns an, wie die Lage ist und was für wen in Frage kommen könnte. Es gibt spezielle Tatbestände auch für an- oder ungelernte Kräfte. Aber auch für ältere Arbeitnehmende, wo der Förderumfang nochmals anders ist.

Es lohnt also, sich als Unternehmen damit zu beschäftigen?

Unbedingt. Ich kann dies an einem Beispiel ganz konkret machen: Ein Unternehmen findet einen Menschen, der als Produktionshelfer in einem Industrieunternehmen eingestellt werden soll, mit einer Entlohnung von 3.000 Euro. Hier sind verschiedene Fördermöglichkeiten kombinierbar. Im ersten Schritt kann diese Person eine Woche lang ein Praktikum im Unternehmen machen. Das kostet den Arbeitgeber gar nichts. Dann wird dieser Mensch eingestellt und bekommt einen sogenannten Eingliederungszuschuss. Nehmen wir mal beispielhaft an, es gibt einen Zuschuss von 50 Prozent des Gehalts für sechs Monate. Nach den sechs Monaten könnte eine zweieinhalbjährige Umschulung zum Industriemechaniker beginnen. Hierfür gibt es dann nochmals die Möglichkeit, Lehrgangskosten und Arbeitsentgeltzuschüsse zu bekommen. Das wären in Summe knapp 50.000 Euro in zweieinhalb Jahren.

Sie sprachen von zwei grundlegenden Maßnahmen. Welche gibt es noch?

Das „Qualifizierungsgeld“, ein neues Instrument, das es seit dem 1. April im Rahmen des Qualifizierungschancengesetzes gibt. Es zielt auf den Strukturwandel ab und soll die Unternehmen unterstützen, denen durch den Wandel eine Schieflage droht. Ein Beispiel wäre eine KFZWerkstatt, die ausschließlich Verbrenner reparieren kann. Es kommen aber immer mehr Elektrofahrzeuge auf den Markt. Es stellt sich die Frage, ob bestehendes Personal so qualifiziert werden kann, dass künftig auch Elektroautos repariert werden können. Dies würde den Betrieb in die Lage versetzen, weiterhin am Markt bestehen zu können. Für solche Fälle gibt es dann das Qualifizierungsgeld. Die Mitarbeitenden bekommen von uns eine Entgeltersatzleistung und bleiben dafür weiterhin beschäftigt. Der Arbeitgeber zahlt in der Zeit der Qualifizierung keinen Lohn, sondern wir zahlen Lohnersatzleistungen in Höhe des Arbeitslosengeldes. Der Arbeitgeber trägt lediglich den Arbeitgeberanteil der Sozialversicherungsbeiträge.

Wie wird denn die Unterstützung durch die Agentur für Arbeit von den Unternehmen angenommen?

Was uns bei der Agentur für Arbeit Ulm sehr stolz macht: Wir haben im vergangenen Jahr, was die absolute Zahl der Förderfälle über die Beschäftigtenförderung angeht, die meisten Förderungen in Baden-Württemberg gehabt. Also mehr als Stuttgart oder Karlsruhe zum Beispiel, deren Agenturbezirke grundsätzlich größer sind als der Ulmer. Das ist ein schöner Erfolg.

Gibt es unternehmensseitig auch die Furcht vor Formalismus und zu hohem Verwaltungsaufwand?

Meines Erachtens nicht. Wir haben unseren Arbeitgeber-Service, mit dem in der Beratung offen über alles gesprochen werden kann. Klar brauchen wir als öffentliche Körperschaft und als Organisation, die mit dem Geld der Versichertengemeinschaft arbeitet, gewisse Standards und Regeln. Bisher kamen aber diesbezüglich noch nie Beschwerden bei mir an.

Abschließend: Was würden Sie den Unternehmen raten, die bezüglich Personalentwicklung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Herausforderungen sehen?

Anrufen, fragen, beraten lassen. Seien Sie offen, wir beißen nicht! Wir haben ganz viele freundliche, kompetente, hoch qualifizierte Menschen, deren Aufgabe es ist, genau diese Beratungsleistung zu erbringen.
Interview Frank Stumm