Fachartikel

So kommt Künstliche Intelligenz in die berufliche Bildung

Künstliche Intelligenz wird die Produkte und innerbetrieblichen Prozesse der heimischen Unternehmen stark verän­dern. Dafür werden Fach- und Führungs­kräfte benötigt, die diese Anforderungen bewältigen können. Ein gemeinsames Projekt der baden-württembergischen IHKs mit Kooperationspartnern aus Politik und Hochschulen schafft die Grundlagen dafür: mit zukunftsweisen­den Fortbildungen im KI-Bereich für die Fach- und Führungskräfte von morgen.
Künstliche Intelligenz, kurz KI, ist laut Bundes­regierung „die entscheidende Zukunftstechno­logie des 21. Jahrhunderts“. Alle Branchen und Unternehmensarten werden sich zukünftig mit den Chancen und Herausforderungen datenba­sierter Technologien und Wertschöpfungsketten auseinandersetzen. Denn KI-Bedarf ergibt sich in allen Branchen: Datenmanagement- und Datenanalysekompetenzen sind zentrale Voraussetzungen, um KI-bezogene Prozesse in Unternehmen planen und umsetzen zu können. So kann Künstliche Intelligenz beispielsweise im Einzelhandel von der Tourenplanung über das personalisierte Marketing hin zum Self-Checkout an der Kasse genutzt werden.
Dazu braucht es neben technischen und regulatorischen Voraussetzungen vor allem eins: her­vorragend qualifizierte Fach- und Führungs­kräfte. Hier setzt das Verbundprojekt KI B3 an: Ziel des Vorhabens ist es, vorausschauend be­reits jetzt Expertinnen und Experten für KI und maschinelles Lernen zu qualifizieren. Dies geschieht aus der beruflichen Aus- und Fortbil­dung heraus. Dabei entsteht kein neuer Ausbil­dungsberuf, vielmehr profitieren angehende KI-Fach- und -Führungskräfte von aufeinander aufbauenden Weiterbildungsbausteinen, deren Basis die auf dem Ausbildungsberuf aufbau­ende berufliche Praxis ist. Das neue Wissen über Datenmanagement wird dabei also un­mittelbar mit den betrieblichen Produkten und Prozessen verbunden.

Zusatzqualifikation für Azubis

Konkret entwickeln die Projektpartner bun­desweit erstmals eine Zusatzqualifikation für Auszubildende aller Fachrichtungen. Um Ta­lenten bereits in der Ausbildung eine Entwick­lungsmöglichkeit und Perspektive im Unter­nehmen zu bieten und sich somit von anderen
Ausbildungsbetrieben abzuheben, kann diese Zusatzqualifikation eine Möglichkeit bieten, um schon Auszubildende für das eigene Unter­nehmen zu begeistern. Die KI-Inhalte werden mithilfe einer Lernsoftware auf individuellen Lernpfaden erarbeitet, und das Lernen wird aktiv durch einen Chatbot unterstützt. Die Zu­satzqualifikation für Auszubildende erstreckt sich über 100 Lerneinheiten à 45 Minuten, diese teilen sich auf einen Zeitraum von rund neun Monaten auf.

Fortbildung zum Berufsspezialisten

Zusätzlich wird es eine Fortbildung zum Be­rufsspezialisten geben. Der Bildungsabschluss des Geprüften Berufsspezialisten bildet Men­schen fort, die sich über ihren jeweiligen Fach­bereich hinaus für die Themenwelt von Künst­licher Intelligenz und maschinellem Lernen entwickeln möchten. Hier werden nicht nur Grundsteine zum Verständnis von KI gelegt, sondern auch Kompetenzen zu Datenmanage­ment und Datenanalyse sowie Arbeitsmetho­den im Bereich von Innovation und Change Ma­nagement erarbeitet. Diese Personen können sich auf operativer Ebene in Prozesse und Pro­jekte einbringen, die das Ziel haben, Anwendungsmöglichkeiten von KI und maschinellem Lernen zu etablieren. Dabei wird vor allem Wert auf Interdisziplinarität gelegt, sodass die jeweiligen Rollen und Aufgaben in crossfunktionalen Teams verstanden werden. Der Ge­prüfte Berufsspezialist lässt sich der Fortbil­dungsstufe I zuordnen beziehungsweise der DQR-Stufe 5 innerhalb des Deutschen Qualifi­kationsrahmens. Die Fortbildungsdauer um­fasst rund 400 Lerneinheiten à 60 Minuten, diese erstrecken sich über einen Zeitraum von zwölf bis 15 Monaten.

Fortbildung zum Bachelor Professional

Die Absolventen des Fortbildungsabschlusses des Bachelor Professionals bilden sich eben­falls über ihren eigentlichen Fachbereich hin­aus fort. Sie erlernen wie die Berufsspezialis­ten neben den Grundsteinen von KI und maschinellem Lernen sowie Datenmanage­ment- und Datenanalysekompetenzen auch ver­schiedene Methoden zur Führung von interdis­ziplinären Teams, deren Organisation sowie arbeitsrechtliche Aspekte. Dabei darf auch die Wirtschaftlichkeit solcher KI-Projekte nicht vernachlässigt werden, weshalb zudem The­men aus Betriebswirtschaft und Volkswirt­schaft behandelt werden. Ein Bachelor Profes­sional lässt sich der Fortbildungsstufe II zu­ordnen, beziehungsweise der DQR-Stufe 6 in­nerhalb des Deutschen Qualifikationsrahmens. Die Fortbildungsdauer umfasst rund 1.200 Lerneinheiten à 60 Minuten, diese erstrecken sich über einen Zeitraum von rund 15 bis 20 Monaten.
Unternehmen und Fachkräfte können sich also entscheiden, bis zu welchem Abschluss-Niveau sie sich in Sachen KI und maschinelles Lernen weiterbilden wollen: vom Azubi über den Spe­zialisten bis zum Meister. Zur Vorbereitung auf die Prüfungen entwickelt die Universität Stutt­gart spezielle digitale Lehreinheiten, die eine individuelle Vorbereitung ermöglichen.

Start zunächst in Baden-Württemberg

Die innovativen KI-Qualifikationen werden zu­nächst in Baden-Württemberg erprobt. Über die Modellregionen Neckar-Alb, Karlsruhe und Stuttgart hinaus sollen auch die Unternehmen und Fachkräfte der übrigen IHK-Regionen Zu­gang zu den neuen Abschlüssen erhalten. Das Ziel ist es, bis 2024 drei aufeinander auf­bauende Qualifikationen zu entwickeln: die Zusatzqualifikation für KI und maschinelles Lernen, den Berufsspezialisten für KI und ma­schinelles Lernen und den Bachelor Professio­nal in KI und maschinellem Lernen.
Dr. Michael Vössing leitet den Bereich Hochschulpolitik und Bildungsprojekte bei der IHK Reutlingen.


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