New Work tritt immer stärker in den Fokus, die junge Generation leitet daraus konkrete Forderungen an Arbeitgeber ab. Inwieweit betrifft das aus Ihrer Perspektive die Funktion Personalentwicklung beziehungsweise Qualifizierung in einem ganzheitlichen Personalmanagement?
Wir verstehen unter New Work alle Maßnahmen und kulturellen Faktoren, die die Zusammenarbeit von Teams so verstärken und verbessern, dass die Innovationsfähigkeit und -kompetenz der Unternehmen und die Teamproduktivität steigen. Sie haben vollkommen Recht, Personalentwicklung und Qualifizierung stehen vor radikalen Veränderungen. Die Problemlösung on the Job wird das klassische Lernen überholen. Auch der Anteil klassischer Seminare wird deutlich weniger werden, vielmehr brauchen Mitarbeitende und Teams Begleitung bei der Problemlösung und bei der kritischen Auseinandersetzung mit generativen KI-Inhalten sowie das gemeinsame, rollenbezogene Lernen als Team. In der Folge verändert sich Führung, die Führungskraft wird stärker zum Lernmanager und Impulsgeber.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten reduzieren Unternehmen immer wieder Investitionen in die Personalentwicklung, zugleich sind sie nicht in der Lage, benötigte Arbeits- und Fachkräfte zu gewinnen. Warum ist das – in die Zukunft gesehen – keine ideale Entscheidung?
Auch hier gebe ich Ihnen Recht. Lernen und Personalentwicklung sind, wenn beides gut gemacht ist, eine direkte Investition in Prozessqualität, Geschäftsmodelle und Innovationsfähigkeit. Die Erwartung vieler Bewerberinnen und Bewerber über alle Altersgruppen hinweg geht dahin, hochprofessionelle Lernarchitekturen und Lernumgebungen in Anspruch nehmen zu können. Lernen ist für sie Kernbestandteil eines attraktiven Arbeitgebers.
Neben wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen halten neue Technologien und Tools Einzug, auch im Bereich Personalentwicklung. Welche Rolle spielt hier in der Praxis bereits die – generative – Künstliche Intelligenz? Und wie gelingt es, eine möglichst große Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dafür zu begeistern?
Wir können in der Hochschule wie auch in Unternehmen Personalentwicklung bereits unterstützend KI-seitig abbilden. Die Mitarbeitenden können damit ein zusätzliches Assistenzsystem für das Thema Lernen und Personalentwicklung an die Hand bekommen, das man zur Beschleunigung des eigenen Lernens nutzen kann. Wir nutzen zum Beispiel Analytics, mit denen wir Perspektiven, Arbeitsstände, Diskussionsqualitäten und Innovationsorientierung automatisch auswerten können, um auf dieser Basis Führungsentscheidungen zu treffen – etwa in einem Management-Cockpit.
Was sind aus Ihrer Sicht die Skills der Zukunft, die – sowohl individuell als auch aus Unternehmensperspektive – entwickelt oder gestärkt werden müssen? Was sind die Entwicklungstrends, die weder an Unternehmen noch an Beschäftigten vorübergehen dürfen?
Erstens: Datenanalyse, zweitens: kritische Auseinandersetzung mit datenseitigen Ergebnissen, drittens: datenbasierte Problemlösung und Kommunikation, viertens: Führung von Hochleistungsteams und fünftens: Widerstandsfähigkeit.
In der Vergangenheit wurden Qualifizierung und Weiterbildung zeitlich häufig vom Arbeitsprozess getrennt. Wo liegt der Schlüssel für eine gelungene Integration von Qualifizierung in den Arbeitsprozess – und warum wird das künftig immer bedeutsamer?
Mitarbeitende lernen den ganzen Tag am Arbeitsplatz, und dieses Wissen und die dazugehörige Methodenkompetenz müssen stärker auch anderen Bereichen im Unternehmen zur Verfügung gestellt werden – Stichwort: Lernen an Schnittstellen. KI kann hierbei übrigens gut unterstützen. Die Mitarbeitenden müssen in direkten wie indirekten Bereichen stärker zu Optimierern und Mitdenkern werden. Wir wollen zu viel bei den Führungskräften „abladen“. Im Zuge dieser Veränderungen werden sich aber auch die Karrieren von Expertinnen und Experten sowie von Führungskräften wieder stärker monetär angleichen.
Welche Art von Führungskräften benötigen wir für eine transformationsorientierte Personalentwicklung?
Was wir brauchen, sind Führungskräfte, die verstehen, wie wichtig Lernen für die Produktivitäts- und Innovationsentwicklung ist und die ihre Mitarbeitenden dann entsprechend dabei unterstützen, dass sie die nötigen Kompetenzen erwerben können.
Um Unternehmen zu unterstützen, gibt es eine Vielzahl finanzieller Förderprogramme aus EU, Bund und Land für den Bereich Qualifizierung. Ist das aus Ihrer Sicht sinnvoll – und was steht einer Inanspruchnahme aus Ihrer Erfahrung häufig entgegen?
Ja, es gibt tolle Programme! Häufig schreckt jedoch die zu erwartende Bürokratie Unternehmen davon ab, diese Programme auch zu beantragen und zu nutzen. Wobei meine Erfahrung, zum Beispiel mit Inqua, der Initiative neue Qualität der Arbeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, ist, dass sich die Bürokratie in Grenzen hält und man die Unterstützung gerade für kleine Unternehmen sehr gut nutzen kann.
Interview: Jürgen Schatz, Gudrun Hölz