Universität Rostock und HZDR planen gemeinsame Einrichtung für die Fusionsforschung

Ministerpräsidenten Schwesig und Kretschmer unterzeichnen Absichtserklärung zur Gründung des High Energy Density Instituts

Um ihre Kompetenzen auf dem noch jungen Forschungsfeld der Hochenergiedichtephysik zu bündeln, wollen die Universität Rostock und das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) ein gemeinsames Institut gründen. Diese Pläne haben die beiden Einrichtungen am 1. August 2024 während einer Feierstunde in einem Memorandum of Understanding (MoU) festgehalten. Gleichzeitig bekräftigten die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, Manuela Schwesig, und der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, in einer Absichtserklärung die Unterstützung der beiden Bundesländer für den Aufbau des High Energy Density Instituts (HEDI) in Rostock.
Der Fokus der Einrichtung soll auf der Erforschung von Materie unter extremen Bedingungen, wie sie im Inneren von Planeten und Sternen herrschen, liegen. Solche Zustände hoher Energiedichte spielen bei vielen Zukunftstechnologien, die auf einer schnellen Erwärmung kondensierter Materie beruhen, eine wichtige Rolle: allen voran bei der Trägheitsfusion (Inertial Fusion Energy / IFE). Die zugrundeliegende Physik ist jedoch äußert komplex. Außerdem lag der Forschungsfokus bislang eher auf den mechanischen Aspekten. HEDI soll vor allem die Erkenntnisse zu den physikalischen Prozessen bei der IFE vertiefen, um so die technologische Umsetzung in Fusionskraftwerken zu begleiten.
Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen unterstützen deshalb den Aufbau des neuen Instituts, wie der Ministerpräsident des Freistaates, Michael Kretschmer, betont:
„Technologieoffenheit und Innovationsgeist stehen in Sachsen im Vordergrund. Neben internationaler Vernetzung ist es wichtig, auch innerhalb Deutschlands Partner zu finden, mit denen wir den Klimawandel angehen sowie die Energiewende vorantreiben. Die Kooperation zwischen dem HZDR und der Universität Rostock öffnet Türen zu einer neuen Zukunftstechnologie und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen, mit denen wir künftig die Erzeugung von Elektrizität und Wärme neu aufstellen können. Ich bin zuversichtlich, dass die gebündelte Kompetenz von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern dabei beeindruckende Ergebnisse liefern wird. Die Forschung am HEDI wird ein eine große Chance für langfristig sichere, nachhaltige und günstige Energieversorgung in Deutschland und Europa sein. Als Energieland gestaltet der Freistaat Sachsen diesen Prozess mit viel Freude aktiv mit.“
Die Größe der Herausforderung erfordert es, alle Kompetenzen und Forschungspotentiale synergetisch zu verbinden und auf das gemeinsame Ziel der Gesellschaft – die Sicherung der Energieversorgung der Zukunft – auszurichten, unterstreicht Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin, Manuela Schwesig:
„Aktuell ist unsere wichtigste gemeinsame Aufgabe, unsere Energieversorgung so weit wie möglich auf erneuerbare Energien umzustellen. Gleichzeitig unterstützt Mecklenburg-Vorpommern die Erforschung alternativer Energiequellen, wie die Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald zeigt. Auf dem Gebiet der Fusionsforschung soll auch das neue Institut tätig sein. Ich finde es richtig, dass Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen ihre Kompetenzen auf diesem Feld bündeln“, so Ministerpräsidentin Schwesig.

Laserfusion, Astrophysik und neuartige Materialien

Führende Zentren auf dem Gebiet der IFE, zum Beispiel die National Ignition Facility am kalifornischen Lawrence Livermore National Laboratory, haben bereits starkes Interesse an einer Zusammenarbeit mit HEDI beim Aufbau der Kompetenzen und Infrastruktur in Deutschland geäußert. Die Universität Rostock und das HZDR wollen außerdem über das gemeinsame Institut die strategische Partnerschaft mit der internationalen Röntgenlaser-Forschungseinrichtung European XFEL verstärken sowie neue Kooperationen anstoßen. Dafür wollen die Partner ein Gebäude in unmittelbarer Nähe zur Universität Rostock aufbauen. Weitere Standorte sollen auf dem Forschungscampus in Dresden-Rossendorf und auf dem Gelände des European XFEL folgen, an der das HZDR die Helmholtz International Beamline for Extreme Fields (HIBEF) betreibt. In der Startphase wollen sich die Partner verstärkt um Fördermittel aus wissenschaftlichen Programmen des Landes Mecklenburg-Vorpommern und des Freistaates Sachsen sowie des Bundes bewerben.
Neben einem besseren Verständnis der Laserfusion könnte die angestrebte Forschung zu Materie bei hoher Energiedichte ebenso fundamentale Fragen der Astrophysik, wie etwa zur Entstehung und Architektur unseres Sonnensystems und der Erde, beantworten. Diese Erkenntnisse könnten sich auch auf die Suche nach Leben auf extrasolaren Planeten auswirken. Darüber hinaus könnten die extremen Energiedichten, die auf der Erde niemals natürlich vorgekommen sind, dabei helfen, komplett neuartige Materialien zu synthetisieren. HEDI könnte so dazu beitragen, neue Pfade auf diesem bislang weitgehend unbekannten Feld der Materialwissenschaften zu betreten.

Rostock + Dresden = exzellente Voraussetzungen

Die Rahmenbedingungen dazu sind aus Sicht des Sächsischen Wissenschaftsministers, Sebastian Gemkow, exzellent: „Sowohl Rostock, als auch Dresden bieten ein hervorragendes Umfeld für den Aufbau von HEDI. Wie unsere Wissenschaftskampagne SPIN2030 verdeutlicht, verfügt Sachsen zudem über ausgezeichnete Kompetenzen im Bereich der Materialforschung, der Hochleistungs-Strahlenquellen und der Nanoanalytik. Dies ermöglicht die Entwicklung innovativer Technologien, zum Beispiel in der laserbasierten Fusionsforschung.“
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Wissenschaftsministerin, Bettina Martin, sieht für das geplante Institut großes Potenzial:
„Mit dem neuen Institut HEDI setzen wir uns mit an die Spitze der weltweiten Kernfusionsforschung. Das ist eine enorme Chance für den Forschungsstandort Mecklenburg-Vorpommern, um bei der künftigen Entwicklung neuer Energietechnologien in der ersten Liga zu spielen. Die Universität Rostock verfügt über langjährige Erfahrung und international renommierte Kompetenz im Bereich der Physik hochdichter Plasmen. Die Spitzenforschung in Mecklenburg-Vorpommern erhält durch die Kooperation der Universität Rostock mit dem Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf einen enormen Schub. Es wird auch ein Magnet sein für den wissenschaftlichen Nachwuchs.“

Schub für die Ausbildung

Um dies zu erreichen, streben die Universität Rostock und das HZDR über die Kooperation auch gemeinsame Professuren sowie einen Austausch von Mitarbeiter*innen und Stipendiat*innen an. Auf diese Weise kann das Institut die Ausbildung der für die Hochenergiedichtephysik und die Laserfusion dringend benötigten Forscher*innen voranbringen, schätzt die Rektorin der Universität Rostock, Prof. Elizabeth Prommer, ein:
„Wir haben bereits vor langer Zeit einen Masterstudiengang aufgesetzt, der sich mit den Grundlagen der Laserfusion befasst. Darüber hinaus bieten sich einzigartige Möglichkeiten für Sommerschulen und Graduiertenkollegs mit einschlägiger internationaler Beteiligung. Wir sind sehr stolz darauf, die Forschung und Lehre zu dieser Zukunftstechnologie hier in Rostock weiter vorantreiben zu können und maßgeblich dazu beizutragen, wegweisende Antworten auf die Energiefragen der Zukunft zu finden.“
Dank dieser fachlichen Expertise ist die Universität Rostock für den Wissenschaftlichen Direktor des HZDR, Prof. Sebastian M. Schmidt, der ideale Partner, um ein bahnbrechendes Programm im Feld der Hochenergiedichtephysik aufzubauen:
„In den vergangenen Jahren haben wir weltweit einzigartige Infrastrukturen entwickelt, um Materie unter extremen Bedingungen zu untersuchen. Mit HEDI gehen wir nun den nächsten Schritt, um die Laserfusion in einem interdisziplinären Umfeld voranzubringen. Ich freue mich darauf, das Institut gemeinsam mit unseren Partnern zu etablieren.“