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Der Allround-Verwerter
Als Entsorger und Verwerter spielt REMONDIS eine entscheidende Rolle in einer zirkulären Wirtschaft. In den Werken des Unternehmens wird Abfall zu wertvollen Rohstoffen. | Text: Melanie Rübartsch
Unter Abfall versteht man laut Lexikon sämtliche vom Menschen genutzte Materialien und Substanzen, welche keinen unmittelbaren Verwendungszweck mehr erfüllen. Das westfälische Recyclingunternehmen REMONDIS arbeitet seit Jahren mit Hochdruck daran, dass Materialien, auf die diese Definition zutrifft, immer weniger werden. Es sortiert ausgediente Produkte und Verpackungen, für die es keine Verwendung mehr gibt, in ihre rohstofflichen Bestandteile und führt sie wieder in den Produktionskreislauf zurück. Verwertung vor Beseitigung, so lautet die Leitidee des Unternehmens. Bioabfall, Metallschlacken, Kunststoffe, Elektroaltgeräte, Altholz– die Liste der Materialien, die jeden Tag das Lippewerk in Lünen erreichen ist lang. In dem Hauptwerk des Recyclingunternehmens werden all diese Stoffe einem Verwandlungsprozess unterzogen. Aus rund 1,6 Millionen Tonnen Reststoffe pro Jahr werden rund 900.000 Tonnen Rohstoffe zurückgewonnen, die der Wirtschaft wieder zugeführt werden. Der Rest wird in darauf spezialisierten, thermischen Verwertungsanlagen zu Energie und Prozesswärme umgewandelt und macht das Werk so de facto klimaneutral und energieunabhängig.
Jede Tonne Recyclingkunststoff spart im Vergleich zur Neuproduktion aus Primärrohstoffen zwei Tonnen Rohöl und bis zu 1,6 Tonnen CO2.
Verwertung vor Beseitigung
„Als Verwerter waren wir immer ein Zukunftsunternehmen“, sagt Unternehmenssprecher Michael Schneider. Bereits in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre, noch bevor sich das ökologische Bewusstsein in Deutschland richtig verbreitete, begann der damalige Unternehmenschef Norbert Rethmann zu experimentieren, wie man insbesondere Verpackungen anders nutzen kann. Im Laufe der inzwischen beinahe 90-jährigen Unternehmensgeschichte haben die Verantwortlichen und Mitarbeitenden des nordrhein-westfälischen Unternehmens inzwischen zahlreiche Verfahren entwickelt, um die unterschiedlichsten Reststoffe nach ihrer ersten Verwendung wieder sortenrein zu trennen. Zugleich hat der Umweltdienstleister mit seinen heute 42.000 Mitarbeitenden in insgesamt 34 Ländern eine beachtliche Logistik aufgebaut, um weltweit für sich oder andere Unternehmen vermeintlichen Abfall abzuholen, zu sammeln, zu sortieren und wieder in den Umlauf zu bringen. Auch an seinen verschiedenen Standorten im IHK-Bezirk leistet REMONDIS auf diese Weise einen zentralen Beitrag dafür, dass eine Kreislaufwirtschaft in möglichst vielen Bereichen Wirklichkeit wird. „Nur, wenn wir Stoffe im Kreislauf führen, können wir die bestehenden ökonomischen und ökologischen Herausforderungen bewältigen. Wir sparen Ressourcen und reduzieren zugleich CO2-Emissionen“, ist Schneider überzeugt.
© REMONDIS
Wiederaufbereitung für eigentlichen Zweck
Dabei entwickelt REMONDIS nicht nur im Recycling neue Verfahren. „Ein derzeit stark wachsender Bereich ist das Refurbishing, also das Wiederaufbereiten von Produkten für den eigentlich gedachten Zweck“, berichtet der Unternehmenssprecher. So ist etwa im Lippewerk ein großer Second-Use-Batteriespeicher aus ausrangierten Batterien von E-Autos entstanden. Insgesamt 1.000 Akkus aus smart-fortwo-electric-drive-Modellen werden dabei zu einem großen Speicher mit einer Gesamtleistung von zwölf Megawatt gebündelt. Der Batteriepark ist direkt ans Stromnetz angeschlossen und kann Energie je nach Bedarf speichern oder wieder ins öffentliche Netz abgeben. Noch einen Schritt weiter geht das Unternehmen mit der Gründung einer Battery Life Cycle Company in Rheda Wiedenbrück in diesem Jahr. Hier sollen die Batterien ganz oder in Teilen unmittelbar wieder für einen Einsatz aufbereitet werden.
In allen Bereichen sucht REMONDIS aktiv nach Kooperationen. „Wir können Kreislaufwirtschaft nicht allein aufbauen, wir müssen das mit den produzierenden Unternehmen und auch den Verbrauchenden zusammen denken“, sagt Schneider. Als Rohstofferzeuger und -händler ist Remondis zudem regelrecht auf Input angewiesen: Das gilt sowohl in Bezug auf die zu verwertenden Stoffe selbst, als auch in Bezug auf das Know-how der verschiedenen Branchen, wenn es um die Zusammensetzung der Produkte und die Produktionsverfahren geht.
Das recycelte Material wird auf Laufbänder gegeben.
© FUENF6/REMONDIS
Digitaler Produktpass hilft trennen
Genau an dieser Stelle sieht Schneider aktuell noch die größten Herausforderungen, wenn es um die Transformation zu einer zirkulären Wirtschaft geht. „Als Recycler stoßen wir an unsere Grenzen, wenn wir die einzelnen Stoffe, aus denen Produkte oder Verpackungen zusammengesetzt sind, nicht erkennen können oder diese kompliziert miteinander zu Verbünden verschweißt, verbacken oder verleimt sind.“ Noch viel zu oft ist eine sortenreine Trennung, die auch ökonomisch sinnvoll ist, dann nicht möglich. Der somit nicht stofflich zu verwertende Anteil der angelieferten Stoffe wird dann im Zweifel thermisch verwertet, also verbrannt.
Aus 1.600.000 Tonnen Reststoffen werden jährlich 900.000 Tonnen Rohstoffe zurückgewonnen
Produkte sortenrein designen
Ein wichtiger Schritt, dieses Problem zu lösen, sei der geplante digitale Produktpass. „Auf diese Weise erhalten wir detaillierte Informationen über die Inhaltsstoffe“, so Schneider. Noch wichtiger sei jedoch, am Design der Produkte selbst anzusetzen. „Wir müssen dahin kommen, dass alle Produkte von vornherein so hergestellt sind, dass sie problemlos später wieder sortenrein in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden können.“ Eine Verpackung für Käse etwa müsse nicht aus mehrlagigen Kunststoff-Verbünden bestehen, ein einziger Kunststoff reicht.
In anderen Bereichen ist eine zirkuläre Produktion indes aus physikalischen Gründen – noch – nicht möglich. „Bei der Produktion von Rotorblättern für Windkraftanlagen zum Beispiel gibt es aktuell schlichtweg keine Alternative zu kaum recycelbarem glasfaserverstärktem Kunststoff, die die gleiche Druckstabilität und gleichzeitig Flexibilität aufweist,“ sagt Schneider. In solchen Fällen sei noch viel Forschung notwendig.So gesehen sind Rotorblätter am Ende ihres Lebenszyklus nach wie vor Abfall im Sinne der lexikalischen Definition. Und es wird wohl noch längere Zeit auch weitere Herausforderungen für REMONDIS geben, wenn es darum geht, auch für solche Fälle im konstruktiven Dialog mit den Produzenten echte kreislaufwirtschaftliche Lösungen zu realisieren.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel