„Eine zu starke Regelungsflut hemmt Eigeninitiative und freie Entfaltung.“
Prälat Dr. Karl Jüsten ist Leiter des Katholischen Büros in Berlin. Das ist die Verbindungsstelle der katholischen Kirche in die Politik und Gesellschaft. Außerdem hat er zu „Ethik und Ethos in der Demokratie" geforscht. Wir haben ihn zu seiner Einschätzung zum aktuellen Zustand unserer Demokratie befragt.
Wir stehen vor großen Herausforderungen, die wir als Gesellschaft und als Wirtschaft nur gemeinsam stemmen können. Wie kann das funktionieren?
Demokratie, soziale Marktwirtschaft und die ökologische Transformation können nur gelingen, wenn alle Bürgerinnen und Bürger internalisierte Verhaltensdispositionen leben – früher hätte man einfach gesagt: tugendhaft sind. Nur so kann eine überbordende Regelungsdichte durch Gesetze, Verordnungen und Compliancevorschriften vermieden werden.
Was spricht aus Ihrer Sicht gegen starke Regulierungen?
Eine zu starke Regelungsflut hemmt Eigeninitiative und freie Entfaltung.
Also alles dem freien Spiel der Kräfte überlassen?
Das christliche Menschenbild ist optimistisch. Es traut den Menschen zu, eigenverantwortlich moralisch zu handeln.
Ein Staat, der zu viel in das individuelle Leben der Menschen eingreift, läuft Gefahr, totalitär zu werden.
Was ist dann die Basis?
Die freiheitliche Demokratie ist auf Bürgerloyalität und Rechtsgehorsam aller angewiesen.
Die „Letzte Generation“ und andere Protestierende berufen sich auf ihre übergeordneten Ziele. Rechtfertigt das Rechtsbrüche?
Das Moralsurrogat der Political Correctness hat weder eine normative Legitimation noch eine demokratische. Meinungsmacher und Meinungsmacherinnen definieren, was moralisch erlaubt ist und was nicht, was gesagt werden darf und was nicht. Eine menschenrechtsbasierte Moral definiert Anforderungen, die in der Menschenwürde begründet sind und zeitgeistigem Moralisieren überlegen ist.
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