Vietnam: Rechtssystem und Rechtsdurchsetzung

Auch wenn es in den vergangenen Jahren weitere Liberalisierungsschritte und Anpassungen des Rechts an internationale Standards gab, ist gerade die Rechtsprechung und die Rechtsdurchsetzung nicht mit deutschen oder europäischen Rahmenbedingungen vergleichbar.

Das Gerichtssystem besteht aus dem Obersten Volksgericht (People's Supreme Court) sowie den örtlichen Gerichten (Local People's Court). Letztere sind nochmals in Provinzgerichte (Provincial People's Court) und Distriktvolksgerichte eingeteilt (District People's Court). Ferner existieren Handelsgerichte, die für handelstechnische Streitigkeiten zuständig sind.

In Vietnam besteht vor den Wirtschaftsgerichten keine Pflicht zur Vertretung durch eine Anwältin oder einen Anwalt. Aufgrund der kulturellen, sprachlichen und rechtlichen Unterschiede ist es ratsam eine entsprechende Rechtsvertretung zu Rate zu ziehen sowie, zur Überwindung von Sprachproblemen, einen Dolmetscher oder eine Dolmetscherin einzuschalten.

Wichtig ist, dass man vor Beauftragung der Rechtsvertretung prüft, ob diese über ausreichend Erfahrung verfügt. Eine Liste von einigen in Vietnam zugelassenen Anwältinnen und Anwälten hat die AHK Vietnam für Sie zusammengestellt.

In Vietnam ist das System der Rechtsverfolgung und Rechtsdurchsetzung noch nicht vergleichbar mit europäischen Standards. Der Aufbau des Rechtssystems befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsphase. Die vietnamesischen Richterinnen und Richter haben zum Teil noch wenig Erfahrung mit komplexen wirtschaftsrechtlichen Sachverhalten mit ausländischen Beteiligten. Ein weiteres Problem ist die Korruption, die auch in das Rechtssystem Einzug gehalten hat. Mit der weiteren Öffnung des Landes wird sich dies vermutlich ändern.

Dispute mit wirtschaftlichem Bezug können sowohl von juristischen Personen als auch von registrierten Geschäftspersonen beim Gericht eingereicht werden. In der Erstinstanz sind die Wirtschaftsgerichte (People’s Economic Courts) für alle Streitigkeiten in Bezug auf wirtschaftliches Handeln zuständig.

Aufgrund des fehlenden Rechtshilfeabkommens zwischen Vietnam und der Bundesrepublik gestaltet sich die Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile nach wie vor als schwierig. Bisher ist nicht bekannt, dass ein deutsches Urteil anerkannt und vollstreckt wurde.

Gesetzt den Fall, es wurde ein Zahlungsurteil in Deutschland erlassen, so ist der Antrag auf Anerkennung an das vietnamesische Justizministerium zu richten. Dieses leitet den Antrag an das zuständige Gericht weiter, welches anschließend innerhalb von drei Monaten entscheiden muss, ob es den Antrag zur Verhandlung annimmt.

In Vietnam ist es ebenso wie in China sehr üblich, Streitigkeiten vor Gericht zu vermeiden und eher Schiedsklauseln zu wählen. Aufgrund der derzeit noch ungenügenden Rechtsdurchsetzung wird bei einem Streitfall meist das Vietnam International Arbitration Center (VIAC) oder ein internationales Schiedsgericht zur Beilegung von Streitigkeiten empfohlen. Die Streitbeilegung vor einem Schiedsgericht sollte bereits im Vorfeld vertraglich vereinbart werden.

Da Vietnam die New Yorker Konventionen über die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Schiedssprüchen ratifiziert hat, kann die Zuständigkeit eines internationalen Schiedsgerichts vereinbart werden.

Die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ist allerdings nur möglich, wenn der Schiedsgerichtsort in einem Vertragsstaat des Abkommens liegt. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Durchsetzung nationaler Schiedssprüche deutlich einfacher und schneller verläuft als die internationaler. In Ho Chi Minh City wurde das oben genannte VIAC errichtet, an das man sich bei Bedarf wenden kann.