Fachkräftemangel
Fachkräfte qualifizieren: Übersicht Erfolgsbeispiele
Welche Maßnahmen helfen bei der Qualifizierung von Fachkräften? In unserem Fachkräftestrategiepapier, Ende 2022 veröffentlicht, haben wir erste Erfolgsbeispiele benannt. An dieser Stelle sind diese und weitere Beispiele aufgeführt.
- Digitalisierung und Medienkompetenz in Kitas voranbringen
- Schulfach Informatik einführen
- Digitalkunde in Schulen verankern
- Berufsorientierung stärken, Unternehmertum bei den Schülern fördern
- Übergang Schule-Beruf stärken
- Berufsausbildung mit Zusatzqualifikationen individualisieren
- Durchlässigkeit der Bildungssysteme erhöhen und vermarkten
- MINT-Bildung intensivieren
- Branchen und Berufsbilder stärker bewerben
Kennen Sie erfolgreiche Methoden und Maßnahmen zur Sicherung des Fachkräftebedarfs? Was können eventuell andere von Ihrem Unternehmen lernen? Wir freuen uns auf Ihre Nachricht an fachkraefte@hk24.de
Digitalisierung und Medienkompetenz in Kitas voranbringen
Seit September 2021 besteht die Kampagne „Startchance kita.digital“. Dies ist ein mehrjähriges kostenfreies Qualifizierungsangebot des Bayerischen Familienministeriums für alle bayerischen Kinderkrippen, Kindergärten und Horte sowie Häuser für Kinder, das auch durch Mittel des Bundesfamilienministeriums aus dem Gute-Kita-Gesetz mitfinanziert wird. In einjährigen Kampagnenkursen gehen die teilnehmenden Kitas mit den Kindern und Eltern erste Schritte in die digitale Bildungswelt, begleitet von qualifizierten „kita.digital. coaches“.
Schulfach Informatik einführen
Die Ilse-Löwenstein-Schule auf der Uhlenhorst bietet ihren Schülern ab Klasse 6 sechs Wahlpflichtfächer an, darunter Informatik. In den Jahrgängen 6 bis 8 erlernen die Kinder schwerpunktmäßig, Informationen zu strukturieren und zu präsentieren, in den Jahrgängen 9 und 10 analysieren und modellieren sie Prozesse. Die Schüler nehmen regelmäßig an Wettbewerben teil und können in der 10. Klasse zusätzlich über ein einjähriges Modul der Berufs- und Studienorientierung ein international anerkanntes Informatikzertifikat erhalten, das ICDL (International Certification for Digital Literacy). Die Prüfung findet seit Oktober 2021 im schuleigenen ICDL-Prüfungszentrum statt.
In der Schweiz ist der Informatikunterricht an allen Gymnasien seit dem Schuljahr 2022/2023 ein Pflichtfach. Es ist dem Lernbereich Mathematik und Naturwissenschaften (MINT) zugeordnet, dessen Anteil an der gesamten Unterrichtszeit sich um zwei Prozentpunkte auf 27 bis 37 Prozent erhöht hat.
Digitalkunde in Schulen verankern
In Hessen gibt es seit September 2022 das Schulfach Digitale Welt, das in zwölf weiterführenden Schulen im Land mit rund 70 Klassen der Jahrgangsstufe 5 gestartet ist. Das Fach behandelt interdisziplinär die Themengebiete Informatik, Ökonomie und Ökologie. In zwei zusätzlichen und freiwilligen Schulstunden je Woche sollen die Schüler lernen, wie sie die Digitalisierung nutzen können, um ökologisch und ökonomisch sinnvolle Anwendungen zu entwickeln. Der Pilotversuch ist auf mindestens zwei Jahre angelegt. Kooperationspartner ist das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.
Um digitale berufsbezogene Kompetenzen in den Lernfeldunterricht zu integrieren, hat das Hamburger Institut für Berufliche Bildung das Projekt „DigiLOK“ (Digitalisierungs-Lernortkooperationen) gestartet. Gemeinsam mit drei Pilotschulen und deren Ausbildungsbetrieben steht in den bestehenden Lernortkooperationen das Thema Digitalisierung auf der Agenda. Dazu werden die veränderten Anforderungen an berufsbezogene Kompetenzen identifiziert und das Curriculum des jeweiligen Bildungsgangs auf dieser Grundlage weiterentwickelt.
Das Marion Dönhoff Gymnasium in Blankenese ist „ IServ-Referenz-Schule“. Das Zertifikat der IServ GmbH zeichnet deutschlandweit Schulen aus, die sich bei ihrer Digitalisierung als besonders innovativ und nachhaltig erwiesen haben. Das Gymnasium hofft durch Austausch mit anderen Schulen auf weitere Impulse für die eigene digitale Entwicklung.
Das „ digital learning lab“ – ein Projekt von Schulbehörde, Joachim Herz Stiftung, Technischer Universität Hamburg und dem Institut für Technische Bildung und Hochschuldidaktik – ist ein Online-Kompetenzzentrum für die moderne Unterrichtsgestaltung. Es vereint offene digitale Unterrichtsbausteine, eine umfangreiche Toolbox und Trends mit Hinweisen, Praxisbeispielen und Forschungserkenntnissen zum Lernen in digitalen Zeiten. Das Angebot orientiert sich an dem von der Kultusministerkonferenz entwickelten Kompetenzrahmen für die Bildung in der digitalen Welt.
Das Mediennetz Hamburg setzt sich für Medienbildung und Medienkompetenzförderung in der Hansestadt ein. Über eine Internetplattform und Netzwerkveranstaltungen können sich medienpädagogische Akteure regelmäßig und intensiv austauschen.
Zwischen Siemens und der Hamburger Schulbehörde besteht seit 1999 eine Kooperation bei der praxisnahen Fortbildung von Lehrkräften an berufsbildenden Schulen. Diese wurde im Sommer 2023 um weitere fünf Jahre verlängert. Der Vertrag umfasst die Themenschwerpunkte Automatisierung, Digitalisierung und Industrial IoT (Internet of Things). Die Kooperation basiert auf einer engen Zusammenarbeit mit dem Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB) sowie dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI). Vereinbart wurden unter anderem bis zum Jahr 2027 jährliche mehrtägige Lehrerfortbildungen, die neben Fachkenntnissen auch die didaktisch-methodische Umsetzung der Inhalte vermitteln. Zu diesen digitalen Automatisierungskenntnissen zählen auch neueste Lehrinhalte in der Automatisierungs- und Antriebstechnik etwa auf den Berufsfeldern Metalltechnik und Elektrotechnik. Links: www.siemens.de/sce und www.siemens.de/ausbildung
Berufsorientierung stärken, Unternehmertum bei den Schülern fördern
Die Brüder-Grimm-Schule in Billstedt, ausgezeichnet mit dem Qualitätssiegel für Schulen mit vorbildlicher Berufsorientierung, hat über das „Teach First Deutschland“-Netzwerk eine Kooperation mit der Deutsche Post DHL Group und der Accenture GmbH geschlossen. Vertreter der beiden Firmen haben mit den Schülern der 9. Klasse Bewerbungstrainings durchgeführt. Darüber hinaus fanden Begegnungen und Fragerunden mit Auszubildenden statt, damit sich die Schüler noch anschaulicher über Ausbildungsperspektiven informieren konnten.
Die Stadtteilschule Kirchwerder kooperiert bei der beruflichen Orientierung seit Jahren mit verschiedenen Hamburger Unternehmen und ist langjähriges Mitglied im Arbeitskreis Schule-Wirtschaft Bergedorf. Ergebnis sind mehrwöchige Betriebspraktika, betriebliche Schnupper- und Praxislerntage, Unternehmensbesichtigungen und Kooperationsmöglichkeiten im MINT-Bereich (z. B. technisches Zeichnen). Die Schule wurde aufgrund ihres Engagements mit dem „Berufswahlsiegel Hamburg 2022–2026“ ausgezeichnet.
Angebote verschiedener Initiativen von Wirtschaftsprojekten in Schulen sind auf der Website „ Unternehmergeist macht Schule“ aufgeführt. In Hamburg gibt es beispielsweise „ProFi – das Unternehmensplanspiel für die Grundschule“ (4. bis 6. Klasse), „Rock it Biz“ (6. bis 9.), „start up power“ der Wirtschaftsjunioren (9. bis 13.), „Schulbanker – Das Bankenplanspiel“ (9. bis 13.) und „Chef für 1 Tag“ (10. bis 13.).
Übergang Schule-Beruf stärken
Der Verein Ausbildungsförderung der Hamburger Wirtschaft, betrieben von Handelskammer, Handwerkskammer und UV Nord, vermittelt und betreut Jugendliche, die keinen direkten Einstieg in eine Berufsausbildung gefunden haben, in Einstiegsqualifizierungen. Dabei handelt es sich um ein sechs- bis zwölfmonatiges Betriebspraktikum, das die Jugendlichen ausbildungsfit macht. Die spätere Übergangsquote in Ausbildung liegt bei rund 70 Prozent.
Die gemeinnützige Joblinge AG hilft benachteiligten Jugendlichen zwischen 15 und 27 Jahren, sich in den Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies erfolgt mithilfe eines Netzwerks aus Wirtschaft, Staat und Zivilgesellschaft. Die mitwirkenden Unternehmen bieten beispielsweise Berufsorientierung und Ausbildungsplätze an und stellen Mentoren.
Berufsausbildung mit Zusatzqualifikationen individualisieren
Die Berufliche Schule City Nord bietet verschiedene Zusatzleistungen an, darunter ein Auslandspraktikum. Auszubildende können über ERASMUS+ ein Stipendium erhalten und so für vier Wochen ins Ausland gehen. Kooperationspartner ist die Mobilitätsagentur des Vereins Arbeit und Leben Hamburg, die Berufspraktika für Auszubildende, Berufstätige und Arbeitssuchende vermittelt.
Durchlässigkeit der Bildungssysteme erhöhen und vermarkten
Die Berufliche Hochschule Hamburg bietet eine studienintegrierende Ausbildung an, in der die drei Lernorte Berufsschule, Betrieb und Hochschule miteinander verzahnt sind. Nach 18 Monaten entscheiden die Auszubildenden und Studenten anhand ihrer Erfahrungen und unterstützt durch ein Coaching, ob sie den Weg zur Doppelqualifizierung fortsetzen oder möglicherweise ausschließlich die betriebliche Ausbildung beenden möchten.
Seit 2020 gibt es die Abschlüsse „Bachelor Professional“ und „Master Professional“. Die Bezeichnungen unterstreichen die Gleichwertigkeit von beruflicher Fortbildung und Studium und fördern die internationale Mobilität für berufliche Aufsteiger, da die Begriffe auch in anderen Ländern verstanden werden.
MINT-Bildung intensivieren
Die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ engagiert sich seit 2006 bundesweit für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Ihr Ziel: Mädchen und Jungen stark für die Zukunft machen und zu nachhaltigem Handeln zu befähigen. Herzstück der Initiative ist ein umfangreiches Bildungsprogramm, das in erster Linie pädagogische Fach- und Lehrkräfte dabei unterstützt, die Kinder qualifiziert beim Entdecken, Forschen und Lernen zu begleiten.
Im Young Talents Hamburg Club bekommen Kinder und Jugendliche durch diverse Veranstaltungen Einblicke insbesondere in technische Berufe. Hierfür öffnen Unternehmen, Verbände und Hochschulen ihre Pforten und zeigen, wie spannend die Technik ist. Die Schüler können Azubis über die Schulter schauen und in der Lehrwerkstatt selbst mit Hand anlegen.
Niedersachsen startete schon früh mit einem zweijährigen Sprintstudiengang Informatik für Lehrkräfte an Gymnasien. Diese Zusatzqualifikation verzahnte Theorie und Wissenschaft auf der einen Seite und Fachdidaktik und Unterrichtspraxis auf der anderen. Bereits während der Studienphase brachten die Lehrkräfte ihr erworbenes Wissen in den Unterricht ein. Seit 2019 bietet nun das Niedersächsische Landesinstitut für schulische Qualitätsentwicklung umfangreiche berufsbegleitende Informatik-Weiterbildungen für Lehrkräfte an, die 2022 weiter ausgebaut wurden.
Branchen und Berufsbilder stärker bewerben
Studien zeigen, dass für Jugendliche die gesellschaftliche Anerkennung des Berufs zu den wichtigsten Kriterien für die Berufswahl zählt. Grundsätzlich muss in der Gesellschaft ein Umdenken einsetzen, damit die Wertschätzung von Dienstleistungsberufen wie beispielsweise Reinigungskraft wieder wächst. Problematisch für einige Ausbildungszweige ist zudem, dass die betreffenden Produkte und Dienstleitungen nicht sichtbar sind. Ein Auto lässt sich erleben, anfassen und emotionalisiert verkaufen – an Kunden und angehende Auszubildende. Dagegen hat es eine Versicherung schwerer, wenngleich sie nicht minder bedeutsam für unser Leben und Arbeiten ist. Mitunter hilft eine Umbenennung, um Berufe attraktiver zu machen – etwa vom Schauwerbegestalter zum Gestalter für visuelles Marketing. Aber auch die Berufsinhalte müssen bei Neuordnungen von Berufen den aktuellen Erfordernissen der Arbeitswirklichkeit angepasst und somit attraktiver für Bewerber werden.
Erfolgversprechend scheinen Kampagnen, die genau auf die Zielgruppe zugeschnitten sind, wie die Aktion „Mach’s wie wir“, bei der Auszubildende filmisch ihre Ausbildung vorstellen und diese so für künftige Bewerber attraktiv machen.
In Hamburg wirbt die Pflegebranche mit der Kampagne „Das ist Pflege!“ und bietet online eine Übersicht zu aktuellen Praktikums- und Ausbildungsplätzen. Die Kampagne, die auch das wichtige Themenfeld Anerkennung ausländischer Abschlüsse aufgreift, ist authentisch, da sie mithilfe von Fachkräften der Branche erstellt und aufbereitet wurde.
Das Fachkräfteprogramm des Vereins Hamburg Music Business setzt sich zum Ziel, die Sichtbarkeit der Musikwirtschaft zu stärken und die Chancen innerhalb der Branche zu verbessern. Dazu wurde das Webportal musicbusiness.careers entwickelt, das Informationen über Berufsbilder und Ausbildungswege in der Musikbranche bereitstellt und eine zentrale Anlaufstelle für Interessierte im gesamten deutschsprachigen Raum bietet, die ihre Karriere in unserer Branche starten oder weiterentwickeln möchten.
Auch weitere, bereits seit Jahren etablierte Veranstaltungen und Formate, die auf die Vielfalt und Attraktivität einer Branche einzahlen, sind in Hamburg zu finden und zeigen das Engagement der beteiligten Akteure.
- Talent Day IT & Medien: Diese Berufsorientierungsveranstaltung richtet sich an Schüler der 10. bis 13. Klassen sowie der Medien- und IT-Berufsfachschulen, an Studenten und Absolventen. Vertreter der digitalen Wirtschaft begeistern hier interessierte junge Menschen für ihre Branche.
- Lange Nacht der Industrie: Diese Gemeinschaftsaktion öffnet die Türen des produzierenden Gewerbes und der industrienahen Logistik. Die Unternehmen stellen sich als Arbeitgeber und Ausbilder vor und zeigen, wie vielfältig die Branche ist. Die IHKs und Unternehmensverbände sind Träger der Veranstaltungen.
- Logistik Lernen Hamburg: Das Portal bietet einen Überblick über die vielen Einstiegsmöglichkeiten in die Logistik, die in Hamburg geboten werden: Ausbildung, Studium, Weiterbildung. Neben Firmenporträts sind auch Informationen zu Schulkooperationen mit Logistikunternehmen aufgeführt.