Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses

Berufsausbildungsverhältnisse sind hinsichtlich ihrer Kündigung nur bedingt mit Arbeitsverhältnissen zu vergleichen. Aufgrund der besonderen Zielrichtung und der Zweckbestimmung des Berufsausbildungsverhältnisses ist eine Kündigung des Auszubildenden nur eingeschränkt möglich. Dementsprechend kann nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) die Kündigung eines Ausbildungsvertrages grundsätzlich nur in der Probezeit und nach deren Ende aus wichtigem Grund gekündigt werden (§ 22 Abs.1 und Abs. 2 BBiG).

Kündigung vor Ausbildungsbeginn

Das Bundesarbeitsgericht hat diese gesetzlich nicht direkt geregelte Frage dahingehend entschieden, dass ein Berufsausbildungsvertrag bereits vor Beginn der Berufsausbildung ohne Einhaltung von Fristen von beiden Seiten gekündigt werden kann, wenn die Parteien keine abweichende Regelung vereinbart haben.

Kündigung in der Probezeit

Während der Probezeit können die Vertragspartner den Ausbildungsvertrag jederzeit ohne Angabe von Gründen fristlos kündigen (§ 22 Abs. 1 BBiG). Die Kündigung muss schriftlich erfolgen und dem Vertragspartner vor Ablauf der Probezeit zugegangen sein. Kündigt ein minderjähriger Auszubildender, so benötigt er die vorherige Einwilligung des gesetzlichen Vertreters. Kündigt der Betrieb einem minderjährigen Auszubildenden, so muss die Kündigungserklärung gegenüber dem gesetzlichen Vertreter abgegeben werden.
Auch die Kündigung während der Probezeit darf nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, z. B. ist auch die Kündigung einer Schwangeren während der Probezeit nicht möglich (§ 17 Mutterschutzgesetz – MuSchG).

Kündigung nach der Probezeit

Nach Ablauf der Probezeit existiert grundsätzlich keine so genannte ordentliche, d. h. fristgerechte, Kündigung wie bei normalen Arbeitsverhältnissen.
Nach der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis von beiden Vertragsparteien daher grundsätzlich nur „aus wichtigem Grund“ schriftlich ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).
Das Berufsbildungsgesetz räumt Auszubildenden jedoch eine zusätzliche Kündigungsmöglichkeit nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG ein. Danach könne Auszubildende nach Ablauf der Probezeit mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn diese die Berufsausbildung aufgeben oder eine andere Berufsausbildung aufnehmen wollen.

Kündigung aus wichtigem Grund durch den Ausbildenden (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG)

Eine Kündigung nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG setzt zunächst das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Von einem sogenannten wichtigen Grund ist auszugehen, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles – und Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsparteien - die Fortsetzung des bestehenden Berufsausbildungsverhältnisses unzumutbar ist.
Grundsätzlich ist dies dann der Fall, wenn das Ausbildungsziel erheblich gefährdet ist.
Bei der Bewertung, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt sind jedoch sehr strenge Maßstäbe anzulegen. Denn hierbei ist zu beachten, dass die charakterliche Entwicklung des Auszubildenden noch nicht abgeschlossen ist und der Ausbilder vielmehr auch die Aufgabe hat erzieherisch einzugreifen.
Nicht zuletzt die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert es, dass vor der Kündigung eine Ermahnung bzw. Abmahnung durch den Ausbildenden ausgesprochen wird, die den Auszubildenden an seine Vertragspflichten erinnert.
Mit fortschreitender Ausbildungszeit ist eine wirksame Kündigung an immer höhere Anforderungen geknüpft, da die Zielstellung - nämlich das Erreichen eines Berufsabschlusses - unmittelbar bevorsteht. Demnach bedarf eine Kündigung im letzten Ausbildungsabschnitt des Vorliegens von besonders groben Pflichtverstößen.
Wichtige Kündigungsgründe (nach erfolgter einschlägiger Abmahnung) können z. B. sein:
  • mehrmaliges unentschuldigtes Fehlen
  • mehrmaliges Fernbleiben vom Berufsschulunterricht
  • wiederholte beharrliche Arbeitsverweigerung, wenn dadurch die Ausbildung nicht mehr möglich ist
  • wiederholte Störung des Betriebsfriedens
  • mehrmaliges Verlassen des Arbeitsplatzes ohne Genehmigung
  • nicht genehmigte Nebentätigkeiten
  • eigenmächtiger Urlaubsantritt
Ohne Abmahnung kann eine Kündigung aus wichtigem Grund z. B. erfolgen bei:
  •  endgültiger Störung des Vertrauensbereiches (z. B. Diebstahl, Unterschlagung, Betrug)
  • besonders schwerem Fehlverhalten
  • groben Ehrverletzungen (z. B. Beleidigung) oder tätlichem Angriff

Kündigung aus wichtigem Grund durch den Auszubildenden (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG)

Auch Auszubildende können den Ausbildungsvertrag nach Ablauf der Probezeit aus wichtigem Grund kündigen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG). Hierfür gelten dieselben strengen Maßstäben wie bei der Kündigung durch den ausbildenden Betrieb (siehe oben). Insbesondere muss auch der Azubi die zu missbilligenden Umstände in der Regel zunächst abmahnen. Nur bei schweren Vertragsverstößen kann eine Kündigung direkt ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Dabei kommt es immer auf den konkreten Einzelfall an.
Wichtige Kündigungsgründe (nach erfolgter Abmahnung) können z. B. sein:
  • schlechte Ausbildung durch den Betrieb
  • wiederholt verspätete Zahlung der Ausbildungsvergütung
  • wiederholte Nichtfreistellung zur Berufsschule oder notwendige überbetriebliche Ausbildung
  • wiederholt unerlaubte Überstunden
  • Verstoß gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz
  • Fehlen eines geeigneten Ausbilders
  • Betrieb wird die Ausbildungsbefugnis entzogen
Ohne Abmahnung kann eine Kündigung z. B. erfolgen bei:
  • Beleidigungen und Schlägen
  • sexuellen Übergriffen
  • Verlegung der Ausbildungsstätte an einen anderen, weit entfernten Ort

Kündigung des Auszubildenden wegen Aufgabe des Berufes (§ 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG)

Nach der Probezeit kann der Auszubildende das Ausbildungsverhältnis zusätzlich gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG mit einer Frist von vier Wochen kündigen, wenn er
  • die Berufsausbildung insgesamt aufgeben
  • oder eine Ausbildung in einem anderen Beruf machen will.
Auch diese Kündigung muss schriftlich und unter Angabe des Kündigungsgrundes erfolgen
(§ 22 Abs. 3 BBiG).
Wenn ein Auszubildender denselben Beruf weiter erlernen will und lediglich den Betrieb wechselt, sog. „Betriebswechselkündigung“, besteht diese besondere Kündigungsmöglichkeit nicht, da die Formulierung des § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG diesen Fall nicht vorsieht und somit ausschließt.
(weitere Ausführungen zum „“ finden Sie hier)

Formalien & Regeln der Kündigung

I. Form & Frist

Die Kündigung muss schriftlich und unter Angabe des wichtigen Kündigungsgrundes erfolgen (§ 22 Abs. 3 BBiG). Eine fehlende Begründung kann nicht nachgereicht werden.
Der wichtige Grund, auf den sich die Kündigung stützt, ist so genau zu bezeichnen, dass der Empfänger eindeutig erkennen kann, um welche konkreten Vorfälle es sich handelt. Erforderlich sind hierbei Angaben über Zeit (Datum, Uhrzeit), Ort und Art des Vertragsverstoßes.
Schlagwortartige Hinweise wie „Störung des Betriebsfriedens“, „untragbares Verhalten“ oder „häufiges Zuspätkommen“ genügen nicht.
Die Kündigungsgründe dürfen zum Zeitpunkt der Kündigung nicht länger als zwei Wochen bekannt sein (§ 22 Abs. 4 BBiG).
Eine Kündigung, die nicht schriftlich erfolgt oder in der die Kündigungsgründe nur unzureichend angegeben werden, ist unwirksam.
Wenn es einen Betriebsrat gibt, muss dieser vor Ausspruch der Kündigung angehört werden. Die Gründe für die Kündigung müssen dem Betriebsrat mitgeteilt werden (§ 102 BetrVG).

 II. Adressat

Adressat der Kündigung durch den Ausbildenden ist grundsätzlich der Auszubildende. Zu beachten ist jedoch, dass eine Kündigung gegenüber einem Minderjährigen (Azubi unter 18 Jahren) den Erziehungsberechtigten zugehen muss. Auch hier hat eine schriftliche Begründung der Kündigung zu erfolgen. Im Fall der Kündigung durch den Auszubildenden ist der Ausbilder, in der Regel der ausbildende Betrieb, Adressat der Kündigung.

III. Zugang

Als empfangsbedürftige Willenserklärung wird jede Kündigung erst mit Zugang beim Erklärungsempfänger wirksam (bzw. beim minderjährigen Auszubildenden mit  Zugang bei den Eltern bzw. dem gesetzlichen Vertreter).
Danach gilt eine Kündigung bei persönlicher Übergabe an den volljährigen Auszubildenden (bzw. an die Eltern/gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Auszubildenden) im Moment der Übergabe als zugegangen. Es empfiehlt sich den Empfang der Kündigung durch den Auszubildenden auf einer Zweitschrift durch Unterschrift bestätigen zu lassen.
Bei Einwurf der Kündigung in den Briefkasten des Empfängers (hier beispielsweise des Auszubildenden) gilt die Kündigung spätestens in dem Zeitpunkt als zugegangen, in dem üblicherweise mit Kenntnisnahme vom Posteingang durch den Empfänger gerechnet werden kann.
Grundsätzlich gilt: Der Erklärende trägt stets das Risiko des Zugangs der Kündigungserklärung und dabei das Beweisrisiko.

Schadensersatz bei vorzeitiger Beendigung des Ausbildungsverhältnisses

Wird das Ausbildungsverhältnis nach der Probezeit vorzeitig aufgelöst, können nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BBiG Ausbilder und Auszubildende Schadensersatz verlangen, wenn die jeweils andere Person den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dies gilt jedoch nicht, wenn Auszubildende den Ausbildungsvertrag wegen Aufgabe des Berufes, gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 BBiG, kündigen.

Rechtsschutz

Will der Gekündigte gegen die Kündigung vorgehen, hat er vor einer gerichtlichen Klärung zunächst den Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg anzurufen.

Rechtlicher Hinweis

Die Ausführungen zu der Thematik „Kündigung eines Ausbildungsverhältnis“ wurden mit größter Sorgfalt erstellt, erheben aber ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Diese sind als Checkliste und Formulierungshilfen zu verstehen und sollen nur eine Anregung bieten und entbinden den Verwender jedoch nicht von der sorgfältigen eigenverantwortlichen Prüfung.
Vor einer Übernahme des unveränderten Inhaltes muss daher im eigenen Interesse genau überlegt werden, ob und in welchen Teilen gegebenenfalls eine Anpassung an den konkreten Einzelfall und die Rechtsentwicklung erforderlich ist. Auf diesen Vorgang hat die Industrie- und Handelskammer natürlich keinen Einfluss und kann daher naturgemäß für die Auswirkungen auf die Rechtsposition der Parteien keine Haftung übernehmen. Auch die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist grundsätzlich ausgeschlossen.
Wir empfehlen Ihnen daher sich im Rahmen einer beabsichtigten Kündigung durch eine Rechtsanwältin / einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens oder vergleichbaren Interessen-vertreter (z. B. Branchenverbände) beraten zu lassen.