Abmahnung im Ausbildungsverhältnis

Nicht immer verläuft die Berufsausbildung reibungslos. Manchmal kommt es zu Situationen, auf die der Ausbildungsbetrieb reagieren muss. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass bei Verstößen von Auszubildenden gegen Pflichten aus dem Ausbildungsvertrag meist nicht sofort aus wichtigem Grund gekündigt werden kann, sondern aus Gründen der Verhältnismäßigkeit zunächst eine Abmahnung (als milderes Mittel) erfolgen muss. Denn hier ist grundsätzlich die Jugendlichkeit und der Entwicklungsprozess der Auszubildenden zu berücksichtigen, so dass bei der Beurteilung des wichtigen Grundes nicht von den Maßstäben ausgegangen werden kann, welche bei einem Arbeitsverhältnis eines erwachsenen Angestellten und Arbeiters anzulegen sind.
Die Abmahnung beinhaltet nach deren Sinn und Zweck eine Hinweisfunktion (Hinweis auf die vertraglichen Pflichten), eine Warnfunktion (Warnung vor Konsequenzen für das Ausbildungsverhältnis bei weiterem Fehlverhalten) und eine Dokumentationsfunktion. Die Abmahnung soll dem Auszubildenden daher die Gelegenheit geben, sein Verhalten zu ändern und das Ausbildungsverhältnis noch zu retten.
Auf eine Abmahnung kann grundsätzlich nur dann verzichtet werden, wenn das Fehlverhalten so gravierend ist, dass das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört ist.

Form der Abmahnung

Die Abmahnung ist formfrei, das heißt sie kann grundsätzlich auch mündlich erfolgen. Sie sollte jedoch aus Beweisgründen ausschließlich schriftlich erfolgen.

Inhalt der Abmahnung

Eine Abmahnung kann nur dann ihre Warnfunktion erfüllen - also den Auszubildenden warnen, dass ihm bei gleichartiger Pflichtverletzung die Kündigung droht - wenn der Auszubildende diese Drohung ernst nehmen muss.
Eine Abmahnung sollte daher mit dem Wort „Abmahnung“ überschrieben sein und mindestens folgende Teile enthalten:

I. Genaue Beschreibung des vertragswidrigen Verhaltens

Erforderlich sind hierbei Angaben über Zeit (Datum, Uhrzeit), Ort und Art des Verstoßes gegen den Ausbildungsvertrag. Die Beschreibung muss so detailliert sein, dass auch ein unbeteiligter Dritter zweifelsfrei erkennen kann, welcher Vorgang beanstandet werden soll.
Schlagwortartige Hinweise wie "Störung des Betriebsfriedens", "untragbares Verhalten" oder "häufiges Zuspätkommen" genügen nicht. Hierzu sind vielmehr die tatsächlichen Vorfälle genau zu schildern, die diese Vorwürfe rechtfertigen und die der Grund für die Abmahnung sind.

II. Aufzählung der verletzten Pflichten

 Die Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis sind dabei genau zu benennen.
 Beispiele:
(1) „Damit haben Sie gegen die sich aus § 4 Abs. 2 des Ausbildungsvertrages ergende Pflicht verstoßen, am Berufsschulunterricht regelmäßig teilzunehmen.“
(2) „Damit haben Sie gegen das Verbot verstoßen, neben Ihrem Ausbildungsverhältnis keiner weiteren, nicht genehmigten Tätigkeit nachzugehen.“

III. Aufforderung an den Auszubildenden, künftig den Pflichten aus dem Ausbildungsvertrag nachzukommen

Das bedeutet, dass Auszubildenden auch dazu aufzufordern sind, künftig die in der Abmahnung beanstandeten Umstände zu unterlassen.
Beispiel:
„Wir fordern Sie hiermit nachdrücklich auf, künftig Ihren Pflichten aus dem Ausbildungsverhältnis beanstandungsfrei nachzukommen, insbesondere pünktlich zur betrieblichen Ausbildung und zum Berufsschulunterricht zu erscheinen.“

IV. Androhung der Kündigung

Die Abmahnung ist mit der Androhung zu versehen, dass bei wiederholtem Vertragsverstoß die Kündigung durch den ausbildenden Betrieb ergeht. Fehlt es an dieser Androhung, handelt es sich arbeitsrechtlich nur um eine Ermahnung, selbst wenn sie als „Abmahnung“ überschrieben hat.

Wie oft muss abgemahnt werden?

Wie oft abgemahnt werden muss, bevor gekündigt werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Eine pauschale Beantwortung dieser Frage ist daher grundsätzlich nicht möglich.
Eine Richtung zur Beantwortung der Frage kann aber der durch die Rechtsprechung entwickelte oberster Grundsatz, zur Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes wegen Fehlverhaltens oder Pflichtverletzung im Betrieb, vorgeben. Hiernach sind einmalige oder seltene Vorkommnisse in der Regel für eine fristlose Kündigung nicht ausreichend. Diesen sind im Umkehrschluss zunächst abzumahnen.
Daraus folgt, dass erst bei einer Kette von (abgemahnten) Pflichtwidrigkeiten, die für sich allein betrachtet noch kein wichtiger Grund sind, aber den Schluss rechtfertigen, dass der Auszubildende das Ausbildungsziel nicht erreichen wird und Sinn und Zweck der Ausbildung in Frage steht, eine fristlose Kündigung in Betracht kommt.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist, vor der Kündigung aus wichtigem Grund, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Regelfall immer (mindestens) eine Abmahnung erforderlich. Diese Abmahnungen können jedoch nur dann für eine Kündigung herangezogen werden, wenn diese wegen einschlägiger, also gleichartiger Pflichtverletzungen ausgesprochen werden soll. Unter Umständen kann es ausreichen, dass die jeweiligen Pflichtverletzungen aus demselben Bereich stammen und somit Abmahnungs- und Kündigungsgründe in einem inneren Zusammenhang stehen.
Es wird jedoch allgemein empfohlen, dass einer fristlosen Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens zwei einschlägige Abmahnungen vorausgehen sollten.

Entbehrlichkeit der Abmahnung

Bei schwerwiegenden Verstößen gegen vertragliche Pflichten aus dem Ausbildungsvertrag ist eine Abmahnung vor einer Kündigung unter Umständen entbehrlich.
Die Abmahnung kann zum Beispiel entbehrlich sein, bei:
  • Endgültiger Störung des Vertrauensbereiches (z.B. Diebstahl, Betrug, Unterschlagung)
  • Besonders schwerem Fehlverhalten (z.B. Missbrauch von Kontrolleinrichtungen, Weitergabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen an Dritte, Missbrauch von Computerprogrammen und Datenbänken, Gewaltanwendung gegenüber anderen Mitarbeitern)

Wirkungsdauer einer Abmahnung

Die Rechtswirkung einer Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Hat der Auszubildende längere Zeit unbeanstandet seine Pflichten erfüllt, d.h. hat der Auszubildende das abgemahnte Verhalten eingestellt, kann die Abmahnung daher gegenstandslos werden. Die Wirkungsdauer der Abmahnung ist dabei abhängig von der Schwere des abgemahnten Vorfalles.
Richtlinien, wann die Wirkungen der Abmahnung genau enden, gibt es nicht. Abmahnungen, die länger als ein Jahr zurückliegen, dürften aber in der Regel gegenstandslos geworden sein.

Keine Frist für Abmahnungen

Anders als bei der Kündigung gibt es bei der Abmahnung keine feste einzuhaltende Frist, nach der eine ausgesprochene Abmahnung ihre Wirksamkeit verliert. Wegen der pädagogischen Wirkung und aus Beweisgründen sollte die Abmahnung jedoch in möglichst engem Zusammenhang mit dem Vorfall erfolgen, der Anlass für die Abmahnung ist.

Zugang einer Abmahnung

Die Abmahnung wird erst mit Zugang beim Empfänger wirksam (bzw. beim minderjährigen Auszubildenden mit  Zugang bei den Eltern bzw. dem gesetzlichen Vertreter).
Danach gilt eine schriftliche Abmahnung bei persönlicher Übergabe an den volljährigen Auszubildenden (bzw. an die Eltern/gesetzlichen Vertreter des minderjährigen Auszubildenden) im Moment der Übergabe als zugegangen. Es empfiehlt sich den Empfang der Abmahnung durch den Auszubildenden auf einer Zweitschrift durch Unterschrift bestätigen zu lassen.
Bei Einwurf der Abmahnung in den Briefkasten des Empfängers (hier beispielsweise des Auszubildenden) gilt die Abmahnung spätestens in dem Zeitpunkt als zugegangen, in dem üblicherweise mit Kenntnisnahme vom Posteingang durch den Empfänger gerechnet werden kann.
Grundsätzlich gilt: Der Erklärende trägt stets das Risiko des Zugangs der Abmahnung und dabei das Beweisrisiko.

Rechtsschutz

Der Auszubildende kann verlangen und ggf. gerichtlich durchsetzen, dass eine zu Unrecht erfolgte Abmahnung aus der Personalakte entfernt wird. Vor einer gerichtlichen Klärung ist der Schlichtungsausschuss der Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg anzurufen.

Rechtlicher Hinweis

Die Ausführungen zu der Thematik „Abmahnung von Auszubildenden“ wurden mit größter Sorgfalt erstellt, erheben aber ausdrücklich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Richtigkeit. Diese sind als Checkliste und Formulierungshilfen zu verstehen und sollen nur eine Anregung bieten und entbinden den Verwender jedoch nicht von der sorgfältigen eigenverantwortlichen Prüfung.
Vor einer Übernahme des unveränderten Inhaltes muss daher im eigenen Interesse genau überlegt werden, ob und in welchen Teilen gegebenenfalls eine Anpassung an den konkreten Einzelfall und die Rechtsentwicklung erforderlich ist. Auf diesen Vorgang hat die Industrie- und Handelskammer natürlich keinen Einfluss und kann daher naturgemäß für die Auswirkungen auf die Rechtsposition der Parteien keine Haftung übernehmen. Auch die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist grundsätzlich ausgeschlossen.
Wir empfehlen Ihnen daher sich im Rahmen einer beabsichtigten Abmahnung durch eine Rechtsanwältin / einen Rechtsanwalt Ihres Vertrauens oder vergleichbaren Interessen-vertreter (z. B. Branchenverbände) beraten zu lassen.

Zusammenfassung

 
Zusammenfassend lässt sich stichwortartig folgender Mindestinhalt einer Abmahnung festhalten:
1.            Anschrift des Auszubildenden
2.            Überschrift „Abmahnung“
3.            Präzise, detaillierte Dokumentation des Fehlverhaltens
4.            Angabe der verletzten Pflicht
5.            Beanstandung der Pflichtverletzung
6.            Deutliche und ernsthafte Aufforderung, das Fehlverhalten abzustellen
7.            Kündigungsandrohung für den Wiederholungsfall
8.            Unterschrift des Ausbildenden bzw. seines Bevollmächtigten
9.            Ggf. sollte der Erhalt der Abmahnung aus Beweisgründen bestätigt werden