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Das Lieferkettengesetz (LkSG) - Ergebnisse der IHK-Umfrage 2024
Zweite Bilanz zum Lieferkettengesetz:
Viele Unternehmen stehen weiterhin vor großen Herausforderungen.
Viele Unternehmen stehen weiterhin vor großen Herausforderungen.
Rund eineinhalb Jahre nach der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) zieht die IHK Düsseldorf mit einer zweiten Umfrage ein Fazit zum aktuellen Status in Unternehmen.
Das LkSG soll dazu führen, Missstände in Bezug auf die Verletzung von Menschenrechten und einzelnen Umweltaspekten sowohl im eigenen Geschäftsbetrieb der Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten als auch bei den Zulieferern zu vermeiden.
Die Umfrageergebnisse zeigen sowohl ein differenziertes Bild zum Umsetzungsstand in Unternehmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten, die unmittelbar vom LkSG betroffen sind, als auch von Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden, die mittelbar betroffen sind.
Der grundsätzliche Tenor seit der Umfrage vor einem Jahr hat sich dabei nicht wesentlich verändert. Nicht nur große, sondern auch viele kleine und mittelständische Unternehmen empfinden das LkSG als Belastung.
Entgegen der Chancen, die manche Unternehmen sehen, äußern sie weiterhin Unmut über die hohen bürokratischen Hürden und die Kostenbelastung.
Angesichts der durch den Wirtschaftsminister angestoßenen Debatte, das LkSG bis zur Umsetzung der EU-Lieferkettenrichtlinie in deutsches Recht auszusetzen, wurden die Unternehmen befragt, ob diese Aussetzung ihnen helfen würde.
Bei den Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten bejahen dies neun der 15 Antwortgebenden. Bei den Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten ist es jedes zweite, wobei ein Drittel es nach eigenen Angaben nicht beurteilen kann. Jedes zweite Unternehmen unabhängig von seiner Größe schätzt dies als vorteilhaft ein. Ein Drittel der Unternehmen vermag es laut eigenen Angaben nicht zu beurteilen.
Umsetzungsstand unternehmensintern
Gefragt danach, wie die Unternehmen selbst den Umsetzungsstand der vom LkSG geforderten Maßnahmen im eigenen Unternehmen bewerten, zeigt sich bei den Unternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäftigten, dass manche weiterhin, wie schon in der Vorjahresumfrage noch am Anfang stehen oder noch gar nicht begonnen haben.
Gleichzeitig hat sich der Anteil derjenigen Unternehmen, der meint, die gesetzgeberischen Hausaufgaben (fast) erledigt zu haben (1 oder 2), auf über zwei Drittel erhöht.
Was die Umsetzungen der Anforderungen des LkSG angeht, zeigt sich jedoch auch, dass knapp zwei Drittel der Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten, die Anforderungen ganz oder zumindest teilweise umsetzen wollen.
Die Gründe hierfür sind in knapp neun von zehn Fällen die Anforderungen ihrer Kundinnen und Kunden. Hier zeigt sich der mit dem Gesetz auch intendierte Kaskadeneffekt entlang der Lieferkette.
Für jedes zweite Unternehmen spielt die Vorbereitung auf die EU-Lieferkettenrichtlinie eine wichtige Rolle - ein Anstieg im Vergleich zur Vorjahresumfrage um 12 Prozentpunkte und damit der mittlerweile zweitwichtigste Grund für Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten, sich damit intensiv zu befassen.
Transparenz in der Lieferkette: viel Aufwand für Unternehmen
Eine zentrale Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung des LkSG ist es, Transparenz in der Lieferkette zu haben beziehungsweise zu bekommen. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen Unternehmen in der Praxis vor Herausforderungen stellt.
Die Organisation des Durchgriffs auf ihre eigenen Zulieferer ist für zwei von drei Unternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäftigten das größte Problem.
Bei den Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten ist der bürokratische Aufwand das größte Problem, den drei von vier Unternehmen nennen – gefolgt auch hier von der Komplexität der Lieferkette und den damit verbundenen Schwierigkeiten auf die Zulieferer entsprechend einzuwirken.
Dabei haben 30 Prozent der großen Unternehmen mit 1.000 oder mehr Mitarbeitenden bereits die Arbeits- und Produktionsbedingungen all ihrer unmittelbaren Lieferanten im Blick. Bei 70 Prozent sind die Kenntnisse lückenhaft, da sie die Bedingungen nur bei einigen ihrer unmittelbaren Zulieferer kennen. Das ist nicht überraschend, denn 90 Prozent der Unternehmen mit 1.000 oder mehr Beschäftigten hat über 100 unmittelbare Zulieferer. Hinzu kommt, dass das LkSG einen risikobasierten Ansatz von den Unternehmen verlangt und dies daher nicht zwangsläufig problematisch sein muss.
Bei den kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) mit unter 1.000 Angestellten sieht es nicht anders aus. Nur jedes vierte Unternehmen gab an, die Bedingungen bei allen unmittelbaren Zulieferern zu kennen.
Noch schwieriger wird es bei den mittelbaren Lieferanten. Mehr als vier von zehn aller Unternehmen hat hier keinen oder nur marginalen Einblick. Dies ist unter dem LkSG auch nur in Einzelfällen bei substantiierter Kenntnis von Relevanz. Im Hinblick auf die tatsächliche Praxis als auch die bis 2026 in deutsches Recht umzusetzende EU-Lieferkettenrichtlinie stellt bzw. wird es viele Unternehmen vor tatsächliche Probleme stellen.
Entsprechend erwarten die Unternehmen auch einen Folgeaufwand durch die EU-Lieferkettenrichtlinie für ihr eigenes Unternehmen. Bei den Unternehmen sind das immerhin fast 90 Prozent. Bei den Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitende sind es 76 Prozent.
Chancen: ja, aber…
Während die Kritik am LkSG bei der Unternehmerschaft weiterhin überwiegt, sehen manche darin auch Chancen. Dabei stehen vor allem die Reputation und die unternehmerischen Werte sowie Verantwortung im Fokus – weniger Faktoren wie beispielsweise die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.
Jedes zweite große Unternehmen erwartet sich ein transparenteres und effektiveres Lieferantenmanagement durch solche gesetzlichen Vorgaben.
Bei den KMU hingegen zeigt sich Unmut. Insgesamt 35 Prozent geben im Freitextfeld, bei dem man sich zu den Chancen äußern konnte, explizit an, dass sie mit dem Gesetz keine Chancen verbinden.
Auch die Absolutwerte bei den anderen Faktoren deuten darauf hin, dass der Mittelstand dem LkSG eher skeptisch gegenübersteht.
Auswirkungen auf die Internationalisierung der Unternehmen
Die Umfrageergebnisse verdeutlichen die internationale Ausrichtung der Unternehmen.
Bei den Unternehmen mit 1.000 Mitarbeitenden und mehr hat nahezu jedes Unternehmen einen Standort in der Eurozone. Fast drei Viertel in Nordamerika. Jedes zweite Unternehmen hat zudem Standorte in China, dem Vereinigten Königreich sowie der sonstigen EU (inklusive der Schweiz und Norwegen).
Bei den Unternehmen mit weniger als 1.000 Beschäftigten haben 60 Prozent auch einen Standort außerhalb Deutschlands. Die Eurozone, Nordamerika als auch China und das UK sind dabei die wichtigsten Standorte.
Im Hinblick auf die Beschaffungsmärkte der Unternehmen zeigt sich ein ähnliches Bild, wie bei den Standorten im Ausland: eine hohe Internationalität hinsichtlich der Zuliefererherkunft, wobei die Unternehmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten noch stärker auf Auslandsmärkten einkaufen, als es die Unternehmen unterhalb dieser Mitarbeitendenschwelle tun.
Rund ein Drittel der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden prüft im Zuge des LkSGs, ob sie sich aus für sie „problematischen“ Märkten mit ihren Unternehmenstöchtern zurückziehen oder hat sich bereits zurückgezogen. Bei den KMU sind dies nur knapp 13 Prozent.
Nur ganz wenige Unternehmen haben sich tatsächlich von unmittelbaren Zulieferern im Zuge des LkSGs getrennt.
Teils bis zu fünf zusätzliche Mitarbeitende, um die Umsetzung des LkSG zu stemmen
Ein weiterer großer Kritikpunkt am Lieferkettengesetz ist der damit einhergehende erhöhte Personalaufwand.
Fast 50 Prozent der großen Unternehmen mussten ein bis zwei zusätzliche Vollzeitstellen einrichten. Bei einem Drittel waren es sogar fünf oder mehr.
Auch viele KMU mussten sich neu aufstellen, jedoch mit einem niedrigeren Personaleinsatz.
Hintergrund der befragten Unternehmen
An der Umfrage beteiligten sich im Juli 2024 rund 170 Unternehmen aus verschiedenen Branchen über alle Größen hinweg.
Bei dem überwiegenden Teil der Unternehmen handelte es sich um Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitenden.
Über ein Drittel der Antworten wurden von Entscheidern auf Geschäftsführungs- und Vorstandsebene abgegeben, was den hohen Stellenwert dieses Themas unterstreicht.
Die Unternehmen stammen überwiegend aus dem IHK-Bezirk sowie aus Nordrhein-Westfalen und haben eigenes Auslandsengagement.
Stand: August 2024
Wir danken allen Unternehmen, die teilgenommen haben.
Fragen beantwortet Ihnen von der IHK Düsseldorf gern:
Dr. Elke Stoffmehl (Referentin Internationales Wirtschaftsrecht)
Dr. Elke Stoffmehl (Referentin Internationales Wirtschaftsrecht)