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EU-Lieferketten-Richtlinie (CSDDD)
Die europäische Richtlinie über unternehmerische Sorgfaltspflichten für nachhaltige Lieferketten (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) ist in Kraft getreten.
Sie verpflichtet Unternehmen, ihren eigenen Geschäftsbereich sowie ihre Lieferketten auf zu schützende Umwelt- und Menschenrechtsbelange zu überprüfen.
Die CSDDD weist an mehreren Stellen strengere Regelungen auf im Vergleich zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
Zeitplan und Anwendungsbereich
Die CSDDD ist 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft getreten und muss sodann innerhalb von 2 Jahren in nationales Recht durch die EU-Mitgliedstaaten umgesetzt werden.
Die weitere Anwendung der CSDDD auf bestimmte Unternehmen ist nach einem stufenweisen Ansatz vorgesehen.
Die nachfolgende Tabelle gibt eine zeitliche Orientierung:
Juli 2024:
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CSDDD tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft. Die Veröffentlichung erfolgte bereits am 05.07.2024.
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Juli 2026:
(2 Jahre nach Inkrafttreten)
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EU-Mitgliedstaaten müssen die CSDDD in nationales Recht umsetzen, in Deutschland voraussichtlich durch Anpassung des LkSG.
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2027
(3 Jahre nach Inkrafttreten)
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CSDDD anzuwenden für Unternehmen mit
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2028
(4 Jahre nach Inkrafttreten)
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CSDDD anzuwenden für Unternehmen mit
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2029
(5 Jahre nach Inkrafttreten)
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CSDDD anzuwenden für Unternehmen mit
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Im Vergleich zum ursprünglichen Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission vom 23.02.2022 wurde der Anwendungsbereich der CSDDD nunmehr deutlich eingeschränkt. Nach der bisherigen Fassung sollte die CSDDD für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettojahresumsatz von 150 Millionen Euro gelten.
Der Anwendungsbereich der CSDDD ist damit enger als der Anwendungsbereich des LkSG. Das LkSG gilt seit 2024 für alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten, allerdings unabhängig vom jeweiligen Umsatz. Das bedeutet, dass weniger Unternehmen von der CSDDD betroffen sein werden als bisher angenommen.
Darüber hinaus sieht die CSDDD die Möglichkeit vor, in bestimmten Ausnahmekonstellationen die Holdinggesellschaften von ihren Sorgfaltspflichten zu befreien, sofern sich ihre Tätigkeit ausschließlich auf das Halten von Anteilen beschränkt und durch sie keine Management-, Betriebs- oder finanzielle Entscheidungen getroffen werden, die den Konzern oder einzelne Tochtergesellschaften betreffen.
Weiterhin werden von der CSDDD auch Nicht-EU-Unternehmen erfasst. An dieser Stelle unterscheidet sich die CSDDD ebenfalls vom LkSG, dass nur bestimmte Zweigniederlassungen in Deutschland von ausländischen Unternehmen erfasst.
Der ursprüngliche Entwurf der CSDDD enthielt auch noch Vorschriften, die vorsahen, dass Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als 40 Millionen EUR der CSDDD unterfallen, sofern sie mindestens 20 Millionen EUR in einem Hochrisikosektor erwirtschaften. Diese Hochrisikobranchen sind nunmehr nicht mehr in der CSDDD enthalten, können durch eine Überprüfungsklausel aber später in den Anwendungsbereich aufgenommen werden.
Sorgfaltspflichten
Die von der CSDDD betroffenen Unternehmen müssen folgende Sorgfaltspflichten zur Ermittlung und Bewältigung negativer Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt erfüllen:
- Integration der Sorgfaltspflichten in die Unternehmenspolitik und die Managementsysteme (insbesondere Risikomanagement)
- Identifizierung und Bewertung nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen
- Verhinderung, Beendigung oder Minimierung tatsächlicher und potenzieller nachteiliger Menschenrechts- und Umweltauswirkungen
- Abhilfemaßnahmen
- Monitoring und Bewertung der Wirksamkeit der Maßnahmen
- Einbeziehung von Betroffenen und anderen Stakeholdern
- Einrichtung eines Melde- und Beschwerdeverfahrens
- Öffentliche Kommunikation über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten
Geschützte Rechtsgüter
Inhaltlich sieht die CSDDD eine Erweiterung der geschützten Rechtsgüter in Bezug auf die Einhaltung umwelt- und menschenrechtlicher Vorgaben in ihren Lieferketten gegenüber dem LkSG vor. Hierbei handelt es sich insbesondere um Verschärfungen in Bezug auf den Schutz der Umwelt. Berücksichtigt werden unter anderem alle messbaren Umweltbeeinträchtigungen wie schädliche Bodenveränderungen, Wasser- oder Luftverschmutzung, schädliche Emissionen, übermäßigen Wasserverbrauch sowie andere Auswirkungen auf die natürlichen Ressourcen. Im Gegensatz dazu ist das LkSG bislang stark auf den Schutz von Menschenrechten fokussiert und nur auf einzelnen Umweltaspekte.
Das Klimaziel, die Erderwärmung durch CO²-Einsparungen auf 1,5 Grad zu begrenzen (Pariser Klimaabkommen), ist ein weiteres Ziel, das noch nicht im LkSG enthalten ist. Nach der CSDDD verpflichtete Unternehmen müssen hingegen einen Plan erarbeiten und umsetzen, wie sie im Rahmen ihres Geschäftsmodells und ihrer Unternehmensstrategie dazu beitragen, das Klimaschutzziel zu erreichen.
Umfang der Lieferkette
Während das LkSG auf die vorgelagerte Lieferkette abstellt, nämlich auf sogenannte „unmittelbare Zulieferer“ und „mittelbare Zulieferer“ nur bei substantiierter Kenntnis von Missständen oder Rechtsverstößen, müssen nach der CSDDD verpflichtete Unternehmen in angemessener Weise sowohl die vorgelagerte als auch die nachgelagerte Kette im Blick haben (auch bekannt unter den Begrifflichkeiten „upstream“ und „downstream“).
In Bezug auf nachgelagerte Geschäftspartner ist die CSDDD gegenüber dem Kommissionsentwurf nunmehr stärker beschränkt, und zwar auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Vertrieb, den Transport und der Lagerung von Produkten und auch nur in Bezug auf direkte Geschäftspartner, während die vorgelagerte Aktivitätenkette auch weiterhin indirekte Geschäftspartner umfasst.
Sofern umwelt- und/oder menschenrechtliche Verstöße durch einen Zulieferer nicht verhindert oder beendet werden, droht als ultima ratio – genau wie nach dem LkSG – sogar die Beendigung der Geschäftsbeziehung mit diesem.
Unterstützung von KMU durch große Unternehmen/Mustervertragsklauseln
Vom LkSG erfasste Unternehmen wälzen häufig ihre gesetzlichen Sorgfaltspflichten überobligatorisch auf ihre Zulieferer ab, was faktisch zu einer Ausweitung des LkSG führen kann.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), die zur Kontrolle und Durchsetzung des LkSG zuständige Behörde, hat dies erkannt und versucht dem entgegenzuwirken.
Es hat daher unter anderem einen Leitfaden zur Zusammenarbeit in der Lieferkette veröffentlicht.
Jedoch können sich Zulieferer – gerade KMU – aufgrund häufig geringerer Verhandlungsmacht regelmäßig nicht gegen eine entsprechende Pflichtenabwälzung wehren, sondern müssen diese hinnehmen.
Der europäische Gesetzgeber scheint diese Problematik erkannt zu haben und in der CSDDD verschiedene Mechanismen zum Schutz von KMU vorgesehen.
Dazu gehört, dass die großen Unternehmen ihre KMU-Geschäftspartner, soweit erforderlich, zur Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards befähigen sollen. Das ergibt sich etwa aus Art. 10 und 11 der CSDDD: Große Unternehmen sind etwa zur Leistung gezielter und angemessener Unterstützung für Ihre KMU-Geschäftspartner verpflichtet, indem unter anderem der Zugang zu Kapazitätsaufbau, Schulungen oder die Modernisierung von Managementsystemen bereitgestellt bzw. ermöglicht werden, sofern dies angesichts der Ressourcen, des Wissens und der Beschränkungen des KMU erforderlich ist, und indem gezielte und angemessene finanzielle Unterstützung geleistet wird, beispielsweise durch direkte Finanzierung, zinsgünstige Darlehen, Garantien für die fortgesetzte Beschaffung und Mitwirkung bei der Sicherstellung von Finanzierung, sofern durch die Einhaltung des Verhaltenskodexes oder des Präventionsaktionsplans die Tragfähigkeit des KMU gefährdet würde.
Sofern ein KMU vertragliche Zusicherungen erteilt, muss zudem sichergestellt sein, dass die vertraglichen Regelungen "fair, angemessen und diskriminierungsfrei" sind.
Um die Unternehmen bei der Einhaltung von Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b und Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe c zu unterstützen, nimmt die Kommission in Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten und Interessenträgern bis zum 26. Januar 2027 Leitlinien zu freiwilligen Mustervertragsklauseln an.
Art. 18 der CSDDD sieht – anders als das LkSG - zudem vor, dass die EU-Kommission Mustervertragsklauseln bis zum 26. Januar 2027 veröffentlicht, um Unternehmen bei der Einhaltung ihrer geschäftspartnerbezogenen vertraglichen Pflichten zu unterstützen.
Die Verwendung der Mustervertragsklauseln soll allerdings für die Unternehmen freiwillig sein. Es ist aber zu erwarten, dass Unternehmen ihre Vertragsklauseln an diese Muster in der Praxis anpassen werden.
Zivilrechtliche Haftung und Geldbußen
Zudem müssen sich die betroffenen Unternehmen auf zivilrechtliche Haftungstatbestände einstellen, da die CSDDD bei vorsätzlichen und fahrlässigen Verstößen gegen die Sorgfaltspflichten eine zivilrechtliche Haftung gegenüber betroffenen Privatpersonen einführen soll.
Eine Haftung kann zwar schon jetzt nach deutschem Recht begründet sein. Allerdings sieht die CSDDD nunmehr eine Verjährungsfrist von nicht kürzer als fünf Jahren vor.
Das LkSG regelt über die bestehenden gesetzlichen allgemeinen Regeln keine zusätzliche zivilrechtliche Haftung oder längere Verjährungsfristen für betroffene Unternehmen. Derzeit erlaubt das LkSG aber auch inländischen Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen, rechtliche Schritte einzuleiten.
Unter die CSDDD fallende Unternehmen können daher in Zukunft – neben hohen Geldstrafen durch Aufsichtsbehörden auch mit Ansprüchen von Betroffenen konfrontiert werden, was allerdings auch bereits heute nach deutschem Recht im Einzelfall möglich ist.
Für Verstöße gegen das nationale Recht, das die CSDDD umsetzt, sollen die EU-Mitgliedstaaten Strafen und andere Sanktionen vorsehen. Die Geldstrafen sind anhand des weltweiten Nettoumsatzes zu berechnen. Sie sollen bis zu 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes betragen.
Weitere Informationen
Informationen zum Gesetzgebungsverfahren der CSDDD:
Letzter Stand: 23. Juli 2024