Geschichte der IHK Wiesbaden
Die Ursprünge der Industrie- und Handelskammern reichen bis zu den Gilden im Mittelalter. Vorläufer der heutigen IHKs sind die Chambres de Commerce, die während der französischen Besatzungszeit in den Rheinlanden eingerichtet worden sind und die staatlichen Behörden bei der Förderung von Manufaktur und Gewerbe zu beraten hatten.
Dieses Vorbild hat die preußische Gesetzgebung abgewandelt, um die Handelskammern als Selbstverwaltungskörperschaften mit eigenen Wahlen und eigener Finanzierung zu schaffen. Neben der Beratung des Staates wurde die Betreuung der Mitglieder sowie die Selbsthilfe der Unternehmerschaft betont. Die erste Kammer dieses Typs wurde 1830 in Elberfeld-Barmen in Nordrhein-Westfalen errichtet.
In Wiesbaden machte sich der Gewerbeverein für die Gründung einer Handelskammer stark. Die erste Sitzung hat am 11. Februar 1865 stattgefunden. Vorsitzender war der Rüdesheimer Weinhändler Theodor Dilthey.
Hier ein Auszug aus dem Buch Wiesbaden und seine Kaufleute des Wiesbadener Autors Dr. Fritz Geisthardt:
"Darüber verging fast ein Jahr, bis nunmehr eine 500 bis 600 Quadratmeter große Parzelle an der Rathausstraße, im sogenannten Dern'schen Gelände, 1961 zur Errichtung eines Kammerdienstgebäudes ins Auge gefasst wurde. Bis 1967 zogen sich die Verhandlungen mit der Stadt über Einzelheiten des Bebauungsplanes, über die Gebäudehöhe und dergleichen hin, ohne dass die Stadt zu einer Klärung der grundlegenden Fragen kam. Da wurde in Wiesbaden bekannt, dass die Hessischen Ministerien ein neues Dienstgebäude am Hauptbahnhof, das ursprünglich für den Regierungspräsidenten bestimmt gewesen war, beziehen würden. Auf diese Weise sollte das sogenannte Erbprinzenpalais vom Justizministerium geräumt werden und stand damit für andere Zwecke zur Verfügung. […]
"Darüber verging fast ein Jahr, bis nunmehr eine 500 bis 600 Quadratmeter große Parzelle an der Rathausstraße, im sogenannten Dern'schen Gelände, 1961 zur Errichtung eines Kammerdienstgebäudes ins Auge gefasst wurde. Bis 1967 zogen sich die Verhandlungen mit der Stadt über Einzelheiten des Bebauungsplanes, über die Gebäudehöhe und dergleichen hin, ohne dass die Stadt zu einer Klärung der grundlegenden Fragen kam. Da wurde in Wiesbaden bekannt, dass die Hessischen Ministerien ein neues Dienstgebäude am Hauptbahnhof, das ursprünglich für den Regierungspräsidenten bestimmt gewesen war, beziehen würden. Auf diese Weise sollte das sogenannte Erbprinzenpalais vom Justizministerium geräumt werden und stand damit für andere Zwecke zur Verfügung. […]
Das Erbprinzenpalais in der Wilhelmstraße gehört in die Reihe der klassizistischen Bauten, die einst Johann Christian Zais für Wiesbaden geschaffen hatte. Es ist umso kostbarer, als die anderen repräsentativen Zeugen seiner Kunst nicht erhalten sind: Das Kurhaus von 1808 bis 1810 wurde 1904 abgerissen, um dem jetzt stehenden „wilhelminischen“ Gebäude Platz zu machen. Das Hotel „Vier Jahreszeiten“, erbaut 1817 bis 1822, wurde am 2. Februar 1945 durch einen Fliegerangriff zerstört. Erhalten blieb das Palais an der Wilhelmstraße, das Zais 1813 begann und dessen Fertigstellung er nicht mehr erlebte. Denn die Vollendung des für den Erbprinzen bestimmten, von seinem Baumeister gern „Schlösschen“ genannten Gebäudes erlitt manche Verzögerung, bis es bezogen werden konnte. Seine ursprüngliche Bestimmung, zur fürstlichen Wohnung zu dienen, konnte es nie erfüllen, weil der Erbprinz 1816, nach dem Tode seines Vaters, Landesherr wurde und in das Biebricher Schloss einzog. […]
Erst 1821 fand man eine Nutzung für das Palais: Die Landesbibliothek, die in dem baufälligen Renaissanceschloss untergebracht war, zog in das neue Schloss, und 1822 folgte das Museum. Bis 1913 waren hier alle Sammlungen im öffentlichen Besitz vereinigt; in diesem Jahr zog die Bibliothek in ihr neues Gebäude an der Rheinstraße, und 1915 räumte das Museum sein Domizil in der Wilhelmstraße, um sich an der jetzigen Friedrich-Ebert-Allee niederzulassen. Von nun an nannte man das Palais gern „Altes Museum“ und machte es zu einem städtischen Behördenhaus.
Nach dem Zweiten Weltkrieg mietete es die Hessische Landesregierung von der Stadt, um dort das Justizministerium unterzubringen. Als die Kammer 1967 in Verhandlungen wegen der Erwerbung des Erbprinzenpalais eintrat, waren längst schwere Schäden am Bau zutage getreten. […] Der Justizminister klagte über den verrotteten Zustand von Dach und Dachstuhl. Ein von der Kammer beauftragter Architekt stellt in eingehenden Untersuchungen folgende Mängel beziehungsweise die notwendigen Arbeiten zu ihrer Beseitigung fest: Erneuerungen des Dachstuhls, des Dachsimses und der Dachdeckung, Erneuerung der Bürowände mit Ausnahme der tragenden Wände, Einziehung von Schallschluckdecken und Erneuerung der Trennwände, Erneuerung der Installationen und der Heizungsanlage, Erneuerung der Türen und des Treppenhauses.
Dazu wurde eine Kostenrechnung von 1,872 Millionen D-Mark aufgestellt. Der Architekt konnte sich nicht dafür verbürgen, dass weitere Mängel nicht noch festgestellt würden, die neue Kosten verursachen könnten. Unsicher war er zum Beispiel, ob das in Decken und Wänden, sogar in den tragenden Wänden, verarbeitete Holz nicht etwa verfault und von Schädlingen befallen sei. Er bezweifelte die Stabilität der Holzkonstruktionen überhaupt. Trotz solcher Bedenken und trotz der erheblichen Kosten wurde das Kammerpräsidium mit dem Bauausschuss einig, der Vollversammlung den Ankauf des Erbprinzenpalais vorzuschlagen. Es gab gute Gründe, nicht länger auf weitere Angebote der Stadt zu warten. Immerhin waren fast zehn Jahre verstrichen, in denen man mit Wiesbaden nicht einig werden konnte. Schon 1938 hatte die Kammer einen Hausbaufonds angelegt, sie hatte sich in den Jahrzehnten darauf mit Um- und Anbauten des Dienstgebäudes in der Adelheidstraße beholfen, sie hatte vergeblich versucht, sich in der Sonnenberger Straße niederzulassen und musste sich von der amerikanischen Besatzung verdrängen lassen. Sie war schließlich über den ungewissen Plänen der Stadt, wie das Dern'sche Gelände zu bebauen sei, müde geworden.
Gewiss war es von besonderem Reiz, gegen ein architektonisch sehr bescheidenes Quartier (in der Adelheidstraße) ein historisch und künstlerisch bedeutendes Gebäude einzutauschen. Die Kammer war sich bewusst, mit der Übernahme des repräsentativen Palais die Pflicht seiner Restaurierung und seiner Erhaltung zu übernehmen und dabei den Auflagen des Landeskonservators genügen zu müssen. Das Gebäude war ein Vermächtnis aus der nassauischen Vergangenheit, zu der die Kammer in ihrem Ursprung selbst gehörte. Sie war auch entschlossen, die in diesem Teil damals unansehnliche Wilhelmstraße durch eine wirkungsvolle Außenbeleuchtung der Fassade („Anstrahlung“) zu beleben.
Die Stadt war wohl geneigt, der Kammer das Erbprinzenpalais gegen einen angemessenen Kaufpreis zu überlassen, zumal sie dadurch die Sorge um die Erhaltung des Objekts, für das sie kaum eine Verwendung hatte, los wurde; jedoch stellte sie Bedingungen wegen der Nutzung des Hofraumes, den sie in eigener Verwaltung behalten wollte. Auch die Höhe des Kaufpreises war umstritten. Es kam schließlich zu einer Einigung, wonach noch im Jahre 1968 für 1,2 Millionen D-Mark das Erbprinzenpalais von der Stadt in den Besitz der Kammer überging.
Die Kammer verkaufte ihr altes Dienstgebäude in der Adelheidstraße an die benachbarte Firma Wilhelm Fiesler KG und nahm zusätzlich zu den Mitteln aus ihrem Hausbaufonds ein Darlehen auf, um den Umbau sofort zu beginnen. Neben den Büroräumen war ein Saal für 200 bis 250 Personen einzubauen, damit die Kammer künftig Platz für größere Empfänge im eigenen Haus und ebenso für Veranstaltungen von Organisationen und Verbänden in Wiesbaden haben würde. Alle Pläne mussten mit dem Landeskonservator abgesprochen werden, dessen Anliegen es war, das Palais so zu restaurieren, wie es einst Baumeister Zais entworfen hatte.
Im Einklang mit den dienstlichen Notwendigkeiten der Kammer gelang es, die Bauausführung der ursprünglichen Planung wenigstens anzupassen. Geschont wurden bei allen Wiederherstellungs- und Erneuerungsarbeiten vor allem die Außenfassaden; denn es sollte der klassizistische Bau als solcher erhalten werden. Im Inneren blieb der Mittelteil mit dem Treppenhaus in der ursprünglichen Gestalt, wenn auch die Treppe selbst erneuert wurde.
In den beiden Flügeln musste vieles umgestaltet und von Grund auf neu gebaut werden; denn die Sorge der Gutachter- Architekten, während des Umbaus könnten Schäden zutage treten, die keine Untersuchung vorher feststellen konnte, war begründet, was sich zeigte, als man mit den Bauarbeiten begonnen hatte. Finanziell wirkte sich das in der Überschreitung aller Voranschläge aus, so dass zuletzt die Endsumme der Erwerbungs- und Baukosten 6,355 Millionen D-Mark betrug.
Die Kammer gewann mit dem erneuerten Palais genügend Räume für ihre Arbeits- und Sprechzimmer; sie besaß nunmehr auch einen Saal für die Vollversammlung und die Empfänge. Die Commerzbibliothek und das Archiv fanden zweckmäßige Aufstellungen. Eine Raumreserve wurde vorerst an die Immobilienfirma Aufina vermietet. Der Gebäudehof war nicht von der Stadt gekauft worden, sondern wurde mit einem Erbbauvertrag in Gebrauch genommen; er ist wegen der Stellplätze für Autos unentbehrlich für die Kammer.
Bei der Einweihung am 23. Juni 1971 hatte die Kammer Vertreter der hessischen Landesregierung, des Magistrats und der städtischen Behörden, der Bundes- und Landesbehörden, die Mitglieder der Vollversammlung und der Ausschüsse sowie alle ehemaligen und derzeitigen Mitarbeiter zu einem festlichen Empfang eingeladen, um ihr neues Gebäude der Öffentlichkeit vorzustellen. Erstmals konnte die Kammer ihren Neujahrsempfang 1972 im Palais veranstalten.
Auch dieses Treffen hatte seine Gesichte: 1957 hatte der Präsident zum ersten Male in das Taunus-Hotel eingeladen und damit so großen Anklang gefunden, dass der Kreis der Gäste für die künftigen Empfänge erweitert werden musste und ein größerer Raum zu suchen war. Seit 1958 nutzte die Kammer den festlichen Rahmen des Foyers im Staatstheater für ihre Neujahrsempfänge bis 1971; von da ab konnte sie die Gäste in ihrem Dienstgebäude begrüßen.
Als Gastgeber traten dabei das Präsidium, die Geschäftsführung und die Mitglieder der Vollversammlung auf; zu ihnen kamen die Vertreter der Landesregierung, Minister und Staatssekretäre, der Magistrat der Landeshauptstadt, Bundes- und Landtagsabgeordnete, Landräte, Behördenleiter und Geistliche, Offiziere und führende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.
Wie früher im Foyer, so tummelten sie sich in den festlichen Räumen der Kammer, ein großer „Markt des Goodwill“, eine allgemeine freundliche An- und Aussprache unter alten Bekannten, die Begrüßung neuer Gäste und gleichsam die Erprobung der wirtschaftliche Selbstverwaltung als Ferment zur Zusammenführung von Politik, Industrie und Handel mit den Repräsentanten der weiteren Öffentlichkeit in Stadt und Land.
Der Präsident pflegt seine Gäste bei diesen Empfängen zu begrüßen; jedoch erschöpft er sich nicht in Formalitäten, sondern geht auf die Lage der Wirtschaft im Lande ein, verweist auf die aktuellen Probleme und vermeidet auch nicht, neben den Erfolgen seine Sorgen hervorzuheben. Immer erneut überzeugt sich die Öffentlichkeit von der Zweckmäßigkeit und Schönheit des neuen Dienstgebäudes der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden.
Quelle: Geisthardt, Fritz: Wiesbaden und seine Kaufleute, Seite 194 – 199.