Erbprinzenpalais & IHK-Bildungscampus

Eigentlich geplant als Bleibe für den Erbprinz von Nassau, beherbergte das Erbprinzenpalais in der Wilhelmstraße seit 1813 eine Bibliothek, ein Naturkunde-Museum, das hessische Justizministerium und heute die Industrie- und Handelskammer.
Das Erbprinzenpalais ist eines von drei klassizistischen Bauten des herzoglich-nassauischen Bauinspektors und Architekten Johann Christian Zais. Es ist heute das einzige von ihm noch erhaltene Bauwerk: Das einstige Kurhaus wurde 1904 abgerissen, das Hotel „Vier Jahreszeiten“ durch einen Fliegerangriff zerstört. Der Reiseführer „Wiesbaden für alte und neue Freunde“ von Esther Knorr-Anders bezeichnet das Erbprinzenpalais „als das vielleicht stiledelste klassizistische Gebäude der Rue“.
Zais begann den Bau nach griechisch antikem Vorbild im Jahr 1813, die Einweihung erlebte er nicht mehr. Auch die ursprüngliche Bestimmung, als fürstliche Wohnung zu dienen, wurde nie erfüllt, weil der Erbprinz 1816 als neuer Landesherr in das Biebricher Schloss einzog. Erst 1821 fand man mit dem Einzug der Landesbibliothek eine Nutzung für das verspätet fertig gestellte Palais. 1822 folgte das Landesmuseum mit seiner naturkundlichen Sammlung. 1913 zog die Bibliothek in ihr neues Domizil an der Rheinstraße, 1915 wechselte das Landesmuseum an seinen jetzigen Standort in der Friedrich-Ebert-Allee. Von nun an wurde das Erbprinzenpalais als städtisches Behördenhaus genutzt und hieß im Volksmund „Altes Museum“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dort zunächst das Justizministerium untergebracht. Als die Industrie- und Handelskammer 1967 in Verhandlungen zum Erwerb des Erbprinzenpalais eintrat, hatten sich längst schwere Schäden am Bau gezeigt. Die Stadt hatte Interesse an dem Verkauf, da sie dadurch die Sorge um die Erhaltung des Objekts nicht mehr tragen musste und die in diesem Teil damals wenig ansehnliche Wilhelmstraße belebt wurde.
Die IHK war sich bewusst, mit der Übernahme des historisch wie künstlerisch bedeutenden Palais die Pflicht seiner Restaurierung zu übernehmen. Fundamente, Außenputz, Dachstuhl, Decken, Innenwände, Treppenhaus, Installation und Heizung mussten komplett erneuert werden. Dass das Erbprinzenpalais somit vor dem Verfall gerettet wurde, ist dem damaligen IHK-Präsidenten Diether Hummel, dem IHK-Hauptgeschäftsführer Werner Artelt und den Gremien der damaligen IHK zu verdanken.
Dieses Geschenk der Wirtschaft an die Stadt und seine Bürger war im historischen Kontext stimmig: Das Gebäude war ein Vermächtnis aus der nassauischen Vergangenheit, zu der die 1865 gegründete IHK in ihrem Ursprung selbst gehörte. Bei den Wiederherstellungsarbeiten wurde der der klassizistische Bau als solcher erhalten und auch im Inneren blieb der Mittelteil mit dem Treppenhaus in der ursprünglichen Gestalt, wenngleich die Treppe selbst erneuert wurde. Die IHK gewann mit dem erneuerten Palais genügend Räume für ihre Arbeits- und Sprechzimmer und besaß nunmehr auch einen Saal für die Vollversammlung und die Empfänge. „Seither überzeugt sich die Öffentlichkeit von der Zweckmäßigkeit und Schönheit des neuen Dienstgebäudes der Industrie- und Handelskammer Wiesbaden“, heißt es beispielsweise in dem Buch „Wiesbaden und seine Kaufleute“ von Fritz Geisthardt.
Umfangreiche Modernisierungen der Räume im Sinne einer größeren Transparenz folgten in den vergangenen zehn Jahren: Zunächst wurde das Servicecenter im Erdgeschoss als offener Empfangsbereich konzipiert und dann die Büros der Aus- und Weiterbildung neu gestaltet. Der große und der kleine Saal im ersten Stock wurden optisch wie technisch aufgewertet, das Präsidentenzimmer als Veranstaltungsraum zugleich repräsentativ wie multifunktional ausgestaltet.
Danach wurde die ehemalige Hausmeisterwohnung entkernt und ein moderner Kundenbereich für die Rechts- und Existenzgründungsberatung im zweiten Stock geschaffen. Schließlich wurden im Erdgeschoss die zuletzt nur noch kaum genutzte Bibliothek aufgegeben, die Poststelle verkleinert und dafür fünf attraktive Seminarräume errichtet. Ein weiterer Meilenstein folgte im Frühjahr 2012 mit dem Erwerb des baufälligen Gebäudes „Friedrichstraße 5“ mitsamt des Hofgrundstücks. Das denkmalgeschützte klassizistische Gebäude aus dem Jahr 1811 gilt als bedeutendes Relikt aus der Zeit, als sich die Stadt von der Herzoglichen Residenz zur Weltkulturstadt entwickelte.
Inzwischen ist die Sanierung abgeschlossen – die untere Friedrichstraße hat eine deutliche optische Aufwertung erfahren. Das Haus ist als Büro- und Verwaltungshaus an die gemeinnützige Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie (VWA) vermietet, die in den Abendstunden in den Seminarräumen der IHK berufsbegleitende Weiterbildungen von Angestellten, Beamten, Selbstständigen und Auszubildenden auf Hochschulniveau anbietet.
Zudem entstand ein dreigeschossiger Glaskubus im Hof mit insgesamt 300 Quadratmetern Fläche. Im Erdgeschoss bietet es eine Cafeteria, im ersten und zweiten Stock Schulungsräume. Mit diesem kleinen Campus für die berufliche Aus- und Weiterbildung fand die Fortentwicklung des 200 Jahre alten Erbprinzenpalais Areals seinen – zumindest vorläufigen – Abschluss.
Mit dem Bau des Bürohauses in der Karl-Glässing-Straße 8, dessen Planung ins Jahr 2012 zurückführt, reihen sich fünf Etagen für Wirtschaft, Bildung und Beruf auf dem IHK-Campus ein. Mit der Auftragsberatungsstelle Hessen, dem Verein Berufswege für Frauen und dem Hessischen Industrie- und Handelskammertag (HIHK) hat die IHK drei starke Kooperationspartner als Nachbarn gewonnen.