Neuerungen im Wettbewerbsrecht 2022
Aufgrund des „New Deal for Consumers“ wird es durch die Europäische Union Neuerungen im Wettbewerbsrecht, insbesondere im elektronischen Geschäftsverkehr, geben. Hierzu wurden vier bestehende EU-Richtlinien, die u. a. den Verbraucherschutz und unlautere Geschäftspraktiken regeln, geändert.
Die meisten Anpassungen beziehen sich auf den Onlinesektor und den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen im Internet. Ziel ist eine höhere Transparenz für Verbraucher bei Online-Käufen, z. B. durch mehr Informationspflichten auf Online-Plattformen sowie bei Produktrankings, Kundenrezensionen und Preisangaben.
Was ändert sich?
- Die Angabe einer Telefonnummer und E-Mail-Adresse ist künftig auch in der Widerrufsbelehrung verpflichtend. Die Angabe einer Faxnummer entfällt, sowohl in der Widerrufsbelehrung als auch im Muster-Widerrufsformular.
- Bei den Kontaktinformationen sind künftig auch andere Möglichkeiten der Online-Kommunikation (sofern diese angeboten werden), wie Webformulare, Messenger-Dienste, z.B. WhatsApp- und Facebook-Nachrichten, anzugeben.
- Die Verbrauchervorschriften bei Fernabsatzverträgen werden auch auf Verträge über digitale Inhalte erstreckt, bei denen der Verbraucher als Gegenleistung personenbezogene Daten bereitstellt, oder sich verpflichtet bereitzustellen.
- Bringt der Unternehmer bei digitalen Gütern, bei denen der Kunde zur Zahlung eines Preises verpflichtet wird, das Widerrufsrecht vorzeitig zum erlöschen (wie bisher schon möglich), ist dem Verbraucher das Erlöschen des Widerrufsrechts künftig auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen.
- Bei Bewertungen und Empfehlungen (Kundenrezension, Likes in sozialen Medien) zu Produkten ist anzugeben, ob Mechanismen angewendet werden, die sicherstellen, dass die Bewertungen von Personen stammen, die diese Produkte auch tatsächlich erworben oder verwendet haben. Unternehmer werden also verpflichtet zu erklären, “ob” sie überhaupt entsprechende Maßnahmen zur Sicherstellung unternehmen, und wenn ja, welche. Anzugeben ist auch, ob alle Bewertungen/Empfehlungen – gute und schlechte – veröffentlicht werden, oder ob sie gesponsert oder beeinflusst wurden. Diese Informationspflicht trifft alle Unternehmen, die selbst Kundenbewertungen zugänglich machen. Wird lediglich auf Verbraucherbewertungen verlinkt, die von Dritten veröffentlicht worden sind, besteht diese Pflicht nicht.
Achtung: Wird behauptet, dass Bewertungen von Verbrauchern stammen, die das Produkt tatsächlich gar nicht verwendet haben, oder wurden keine angemessenen Schritte unternommen, um zu prüfen, ob die Bewertungen wirklich von Verbrauchern stammen, so ist dies unlauter und kann abgemahnt werden. - Unzulässig ist die Veröffentlichung falscher Bewertungen oder Empfehlungen von Verbrauchern bzw. die Erteilung des Auftrags an andere juristische oder natürliche Personen, eine falsche Bewertung oder Empfehlung zu veröffentlichen, sowie die falsche Darstellung von Verbraucherbewertungen oder Empfehlungen in sozialen Medien, die der Werbung für Produkte dient.
- Wenn Zahlungen geleistet wurden, damit ein Produkt besser platziert wird, hat der Anbieter der Suchfunktion darauf hinzuweisen. Werbeanzeigen in den Suchergebnissen (in der Regel solche, die vor den „echten“ Suchergebnissen auftauchen) sind als solche zu kennzeichnen.
- Onlineticket-Verkäufe, die zuvor unter Verwendung von programmierten „Ticket-Bots“ zur Umgehung von Maximalabnahmebeschränkungen erlangt wurden, werden verboten.
- Es soll als unlautere Geschäftspraktik gelten und verboten werden, Produkte, die in unterschiedlicher Zusammensetzung oder Qualität in verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten unter derselben Bezeichnung zu vertreiben (sog. Dual Quality-Verbot), es sei denn, die Unterschiede können mit legitimen Gründen gerechtfertigt werden.
Eine neue Besonderheit gibt es bei Preisangaben. Werden Produktpreise durch automatisierte Entscheidungsfindung personalisiert (sog. “Dynamic Pricing”), ist darauf hinzuweisen (etwa, wenn sich der Preis erhöht, weil man die Website mehrmals aufruft). Bei Rabattaktionen ist der niedrigste Preis anzugeben, der innerhalb der letzten 30 Tage vor Preisherabsetzung bestand. Weitere Hinweise finden Sie in unserem Merkblatt zu den Neuerungen bei Preisangaben.
Besonderes für Online-Plattformen
Auch für die Betreiber von Onlinemarktplätzen/-Plattformen und Vergleichsportalen ergeben sich neue Pflichten. So haben sie insbesondere darüber zu informieren, ob die Anbieter auf der Plattform als Unternehmer oder Verbraucher auftreten, verbunden mit Hinweisen auf die jeweiligen Rechtsfolgen, wie dem Widerrufsrecht. Bei Produktrankings ist offenzulegen, nach welchen Kriterien das Ranking stattfindet und wie diese zueinander gewichtet sind. Der Algorithmus ist nicht offenzulegen, aber die Hauptparameter, die das Ranking beeinflussen, sind zu beschreiben. Die Rankingkriterien sind online so zur Verfügung zu stellen, dass sie von der Angebotsseite unmittelbar und leicht zugänglich sind (z.B. direkt neben oder über den Suchergebnissen). Dies gilt für alle Plattformen, Suchmaschinen und Vergleichswebseiten sowie für entsprechende Apps.
Was ist insbesondere zu tun?
- Widerrufsbelehrung/Muster-Widerrufsformular anpassen (Wegfall Faxnummer, Aufnahme Telefonnummer)
- Erlöschen des Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten aufnehmen
- Bei Preisherabsetzung den günstigsten Preis der letzten 30 Tage vor Preissenkung angeben
- Information über personalisierte Preise aufnehmen
- Gegebenenfalls Maßnahmen vorsehen, um sicherzustellen, ob Verbraucher ein bewertetes Produkt tatsächlich gekauft oder genutzt haben
- Über Rankingkriterien informieren
- Plattformbetreiber müssen auf Unternehmer-/Verbrauchereigenschaft des Anbieters auf einem Online-Marktplatz/Vergleichsportal hinweisen
Drohende Sanktionen bei Verstoßen
Die vorgenannten Regelungen sind zunächst von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen und gelten ab 28. Mai 2022. Unternehmer und Plattformanbieter sollten sich auf die Änderungen frühzeitig einstellen. Bei Verstößen, unlauteren Wettbewerbshandlungen und Verbraucherbenachteiligungen sind Bußgelder bis zu 50.000 Euro vorgesehen.
Gegen Unternehmern, die im vom Verstoß betroffenen Mitgliedstaat im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung mehr als 1,25 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt haben, kann das Bußgeld bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes betragen. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt werden; ohne Anhaltspunkte beträgt das Höchstbußgeld 2 Millionen Euro.
Gegen Unternehmern, die im vom Verstoß betroffenen Mitgliedstaat im Geschäftsjahr vor der Behördenentscheidung mehr als 1,25 Millionen Euro Jahresumsatz erzielt haben, kann das Bußgeld bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes betragen. Die Höhe des Jahresumsatzes kann geschätzt werden; ohne Anhaltspunkte beträgt das Höchstbußgeld 2 Millionen Euro.
Des Weiteren wird ein Schadensersatzanspruch für Verbraucher eingeführt, wenn diese durch eine unzulässige geschäftliche Handlung des Unternehmens zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst werden, die sie andernfalls nicht
getroffen hätten.
getroffen hätten.
Wie sonst auch bei Wettbewerbsverstößen bestehen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im Wege der Abmahnung durch Verbraucherschutzverbände oder Wettbewerber.
Weitere Neuerungen zu Waren mit digitalen Inhalten sind seit Januar 2022 in Kraft getreten.
Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.