Schutz in vielen Dimensionen

Digitalisierung greifbar machen und voneinander lernen – darum geht es in dieser Serie. Zum Start: die 3d-io games & video production GmbH in Wiesbaden.
Igor Posavec merkte, dass etwas nicht stimmte, als plötzlich die Verkaufszahlen einbrachen. Bis dahin war die von seinem Unternehmen entwickelte Software weltweit von 3D-Künstlern und Studios gefragt, um Arbeitsabläufe zu automatisieren und zu optimieren. Doch dann gingen die Verkäufe innerhalb kürzester Zeit um 80 Prozent zurück. Eine Katastrophe, existenzbedrohend für das Wiesbadener Unternehmen. Schnell war klar: Die Software war gehackt worden – der Geschäftsführer der 3d-io games & video production GmbH entdeckte, dass sie kostenlos auf einer ausländischen Tauschbörse angeboten wurde.
Dabei hatte er den Schutz der kreativen Leistungen und der Software seines Unternehmens von Anfang an im Blick: „Unser gesamter Output ist von jeher digital“, sagt Projektmanager Richard Natermann. „Entsprechend früh waren wir dem Missbrauch, Diebstahl und Raubkopien unserer Arbeiten ausgesetzt und mussten uns schützen.“ 3d-io ist ein 3D-Grafik-Studio und 3D-Software-Entwickler mit über 15 Jahren Branchenerfahrung, ein Veteran der frühen Videospiele-Ära – Spiele wie Perry Rhodan, Physikus und Historion wurden hier entwickelt. Bis heute werden in dem Studio digitale 3D-Inhalte für Werbung, Marketing, Kunst und die Industrie produziert. Zudem ist der Gründer 3D-Künstler und engagiert sich an der Hochschule Mainz und der Hochschule Rhein-Main als Dozent und Forscher.
Und ausgerechnet die Software seines Unternehmens war Ziel eines Angriffes geworden. Was tun? Anrufe bei staatlichen Stellen brachten ihn nicht weiter – „die Leute am Telefon waren teils unwillig, teils ohnmächtig, einem mittelständigen Unternehmen zu helfen. Wir mussten uns auf eigene Faust retten.“
„Schnelligkeit ist die beste Sicherheit“
Igor Posavec nahm Kontakt zu anderen Softwareentwicklern seiner Branche auf, die ebenfalls von Angriffen berichteten. Und er beschloss, mit seinem Team ein eigenes System zum Schutz vor Hackern zu entwickeln. „Sie funktioniert wie ein digitaler Zweikomponenten-Kleber“, erläutert Projektmanager Natermann: „Unsere Kunden erhalten sie in zwei Modulen: eines ist unsere Download-Software, das andere liegt auf unserem Server. Die Software funktioniert nur, wenn man beide Komponenten am Laufen hat.“ Weitere Teile des Sicherheitspakets: Die Software wird personalisiert – Kundendaten werden Teil des Codes, damit der Eigentümer jederzeit identifiziert werden kann, besonders wenn er seine Version an Hacker weitergegeben hat. Der Austausch von Daten finde ausschließlich verschlüsselt statt – darauf weise man auch die Kunden direkt hin. Denn noch immer würden sensible Dateien sonst einfach als Mailanhang oder offen über die Plattform Dropbox verschickt. Und schließlich, aus Sicht von Igor Posavec mit der beste Schutz: schnelle Forschungs- und Entwicklungszyklen. Dank permanenter Upgrades werde eine gehackte Version relativ schnell unbrauchbar. Dieses Rennen koste allerdings viel Zeit und Geld – für einen Mittelständler nicht unbegrenzt verfügbar.
Übrigens wurde der Käufer, der die Software an Hacker weitergab, dank der Überwachungssysteme von 3d-io zur Rechenschaft gezogen. Die tatsächlichen Hacker sind bis heute anonym geblieben.
Text: Melanie Dietz, IHK Wiesbaden