Neue Finanzierungswege
Digitalisierung greifbar machen und voneinander lernen – darum geht es in dieser Serie. Fünfter Teil: die A.B.S. Global Factoring AG mit Stammsitz in Wiesbaden. Der Finanzdienstleister hat im September eine Online-Plattform an den Start gebracht, mit der Betriebe ihre Einkäufe komplett auf digitalem Weg finanzieren können.
Wie passen die streng regulierte Finanzbranche und die digitale Welt zusammen? Thorsten Klindworth hatte sehr unterschiedliche Puzzle-Teile im Kopf, als er überlegte, wie er die Digitalisierung seines Geschäfts weiter vorantreiben könnte: Die vielen technischen Möglichkeiten. Die Fintechs, die damit die Finanzmärkte durcheinanderwirbeln. Den Wunsch der Kunden nach unkomplizierten, schnellen Finanzierungslösungen. Die Vorgaben der Finanzaufsicht. Klindworth, Gründer und Vorstandsvorsitzender der A.B.S. Global Factoring AG in Wiesbaden, brauchte eine Weile, um das Puzzle zusammenzusetzen.
1996 war er als Ein-Mann-Unternehmen mit kleinem Büro und einem Kunden gestartet, inzwischen beschäftigt A.B.S. europaweit mehr als 100 Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben das größte bankenunabhängige Factoring-Institut in Deutschland. Das Geschäftsmodell: Betriebe verkaufen ihre offenen Rechnungen an den Finanzdienstleister und erhalten von ihm den Betrag direkt ausbezahlt. Dieser übernimmt gegen eine Gebühr das Rechnungsmanagement und das Risiko eines Zahlungsausfalls. Es reizte Klindworth, sein Geschäft noch stärker mit den digitalen Möglichkeiten zu verbinden – ohne den Kern seines Unternehmens zu verändern.
Mögliche Wege diskutierte der Vorstandsvorsitzende zunächst einmal mit einem kleinen vertrauten Kreis: mit der Familie, einigen langjährigen Kunden, mit einem Juristen und einem IT-Spezialisten, der Erfahrung in der Entwicklung von Fintechs hatte. Die Idee für „quickpaid“ nahm Gestalt an: Eine digitale Plattform sollte es werden, mit der Betriebe ihre Lieferantenrechnungen finanzieren können – eine Art digitale Kreditkarte. „Sie verbindet den Wunsch vieler Mittelständler nach einer möglichst späten Bezahlung ihrer Waren und Leistungen mit dem Interesse der Lieferanten, das Geld möglichst schnell zu erhalten“, erläutert Klindworth.
Doch würden mittelständische Betriebe ein solches komplett digitales Finanzierungsinstrument überhaupt nutzen? Und welche Rolle spielt dabei der Preis? Diese Einschätzung sei nicht leicht gewesen, sagt Dr. Sandra Pepperl-Klindworth, verantwortlich für Marketing und Kommunikation. „Das ist immer die Schwierigkeit bei einem virtuellen Produkt: Eigentlich müsste es erst einmal da sein, damit man erklären kann, wie es funktioniert. Man kann hier ja keinen Stand in den Supermarkt stellen und die Kunden einfach mal probieren lassen.“ Sie suchten daher das persönliche Gespräch mit bisherigen Kunden, visualisierten die Idee mit Hilfe von Grafiken.
Auch die juristischen Grundlagen waren eine Herausforderung, stellt Klindworth fest: „Auf der einen Seite ging es darum, alle Normen im Kreditgeschäft zu beachten, auf der anderen Seite mussten wir das Angebot so vereinfachen, dass die Nutzer damit etwas anfangen konnten.“ Ein Jahr lang arbeitete ein Entwicklungsteam an dieser Aufgabe. Schließlich sollte es für Betriebe schnell und flexibel möglich sein, ihre Einkäufe zu finanzieren – aber es mussten auch Standards und Prüfungen etabliert werden, um zu verhindern, dass Rechnungen am Ende nicht gezahlt werden. Dabei sei ihm seine jahrzehntelange Branchenerfahrung zugutegekommen, so Klindworth: „Damit ist es uns gelungen, ein ausgeklügeltes Risikomanagement zu etablieren.“
Mit den ersten Monaten am Markt zeigt sich das Unternehmen zufrieden. Bereits im ersten Jahr wolle man schwarze Zahlen schreiben. Und Ideen für weitere digitale Finanzierungsinstrumente seien bereits in Planung.
Text: Melanie Dietz, IHK Wiesbaden