Interview

Marcel Schmutzler im Interview

Die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung, kurz ZAV, im Netzwerk der Bundesagentur für Arbeit ist vor allem für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland und für die Vermittlung besonderer Berufsgruppen verantwortlich. Information und Beratung gehören ebenso zu ihren Aufgaben wie die Zustimmungserklärung, die in vielen Fällen nötig ist, damit eine Person aus dem Ausland in Deutschland arbeiten kann. Wir sprachen mit Marcel Schmutzler, Pressesprecher der ZAV, über die Auswirkungen des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes auf die Entwicklung der Fachkräfterekrutierung im Ausland.
Welche Rolle spielt die ZAV im Einreiseverfahren internationaler Fachkräfte? Was sind ihre konkreten Aufgaben?
Die ZAV ist innerhalb der Bundesagentur für Arbeit Ansprechpartnerin für den internationalen Arbeitsmarkt und besondere Berufsgruppen. Insbesondere berät und vermittelt sie Arbeitsuchende aus dem Ausland, die sich für eine Beschäftigung in Deutschland interessieren. Daneben hat sie aber auch eine ordnungspolitische Aufgabe, da sie in vielen Fällen ihre Zustimmung erteilen muss, wenn eine Arbeitskraft aus einem Drittstaat in Deutschland arbeiten möchte. Diese Zustimmung wird von der zuständigen Ausländerbehörde oder der zuständigen Botschaft, bei der der Antrag eingegangen ist, in einem behördeninternen Verfahren bei der ZAV eingeholt. Die letztendliche Entscheidung über die Erteilung des Visums beziehungsweise des Aufenthaltstitels trifft die Botschaft oder Ausländerbehörde.
Was müssen Arbeitgeber und ausländische Fachkräfte rechtlich beachten, damit die ZAV ihre Zustimmung zu einem Arbeitsverhältnis erklärt?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Erteilung einer Zustimmung sind in § 39 des Aufenthaltsgesetzes festgelegt. Wichtigste Grundregel ist, dass ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zu ungünstigeren Bedingungen als vergleichbare inländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt werden dürfen. Das betrifft nicht nur das Gehalt, sondern auch Arbeitszeiten, Urlaubsansprüche und so weiter. Zum anderen muss eine für die Ausübung der Tätigkeit erforderliche Qualifikation vorliegen. Grundsätzliche Informationen, was bei der Visumbeantragung zu beachten ist, finden sich – auch für Unternehmen – online unter www.make-it-in-germany.com/de, dem offiziellen Portal der Bundesregierung für Fachkräfte aus dem Ausland.
Was können mögliche Gründe für die ZAV sein, keine Zustimmung zu erteilen?
Ablehnungsgründe können zum Beispiel sein, dass zu wenig Gehalt gezahlt wird oder die für die Tätigkeit erforderliche Qualifikation beziehungsweise deren Anerkennung nicht vorliegt. Es kann natürlich auch vorkommen, dass Unterlagen schlicht und ergreifend fehlen oder nicht vollständig ausgefüllt sind. Dann müssen die entsprechenden Informationen nachgefordert werden.
Welche neuen Möglichkeiten haben sich für Arbeitgeber durch die Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes ergeben?
Vor allem schaffen die Änderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes flexiblere Möglichkeiten beim Thema Berufsanerkennung. Bisher war es so, dass Arbeitgeber, die eine Stelle mit einer Fachkraft aus einem Drittstaat besetzen wollten, eine Fachkraft finden mussten, die genau in diesem Beruf eine in Deutschland anerkennungsfähige Qualifikation vorweisen kann. Das war oft schon deswegen schwierig, weil das duale Ausbildungssystem in Deutschland ziemlich einzigartig ist. Häufig sind die deutschen Ausbildungsberufe auch viel spezialisierter und ausdifferenzierter, als dies im Ausland der Fall ist. Oder die Ausbildungen in bestimmten Berufen und Ländern sind gar nicht so formalisiert, wie wir das in Deutschland kennen. Um die Fachkräfterekrutierung im Ausland zu erleichtern und zu flexibilisieren, wurden daher im Wesentlichen drei neue Mechanismen eingeführt:
  1. Die Ausübung einer Tätigkeit ist nicht mehr an den konkreten Berufsabschluss geknüpft. Liegt eine in Deutschland anerkannte Ausbildung in irgendeinem Beruf vor, kann der Arbeitgeber frei entscheiden, wie er die Fachkraft einsetzen möchte. Ausnahme sind reglementierte Berufe: Um beispielsweise als Arzt, Pflegekraft oder Erzieher zu arbeiten, ist natürlich weiterhin eine entsprechende Qualifikation notwendig.
  2. Die Erfahrungssäule ermöglicht es Fachkräften, die eine im Ausbildungsland anerkannte Qualifikation erworben haben, in Deutschland eine Beschäftigung aufzunehmen, wenn sie über mindestens zwei Jahre einschlägige Berufserfahrung in der angestrebten Tätigkeit verfügen. Eine Anerkennung des Berufsabschlusses in Deutschland ist dann nicht mehr notwendig.
  3. Eine Anerkennungspartnerschaft zwischen Arbeitgeber und Fachkraft ermöglicht es letzterer, das Anerkennungsverfahren erst nach der Einreise nach Deutschland anzustoßen. Im Regelfall muss ansonsten die Berufsanerkennung bereits bei Beantragung des Visums vorliegen. Auch zu dieser Thematik findet man umfangreiche Informationen unter www.make-it-in-germany.com/de.
Haben die Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes bereits Auswirkungen auf die Summe der Anfragen bei der ZAV?
Da insbesondere die Erfahrungssäule und die Anerkennungspartnerschaft erst mit dem zweiten Änderungspaket zum 1. März in Kraft getreten sind, liegen uns hierzu noch keine Zahlen vor. Im Jahr 2023 hat die Bundesagentur für Arbeit insgesamt 383.622 Zustimmungen erteilt – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr mit 283.534 und 2021 mit 216.964 Zustimmungen. Zwar gab es 2021 und 2022 bedingt durch die Corona-Pandemie weniger Einreisen, dennoch wird das 2020 in Kraft getretene Fachkräfteeinwanderungsgesetz seinen Anteil an der Steigerung gehabt haben.
Welche Erfahrungen hat die Bundesagentur für Arbeit bisher bei der Fachkräfterekrutierung im Ausland gemacht?
Unsere zentrale Erfahrung ist, dass Fachkräfterekrutierung im Ausland ein erfolgversprechendes Mittel sein kann, um Personallücken im Betrieb zu schließen, aber nichts ist, was man mal so eben im Vorbeigehen macht. Um zum Erfolg zu werden, müssen mehrere Faktoren erfüllt sein, die einen langen Atem auch auf Unternehmensseite erfordern.
Zum einen sind gute Deutschkenntnisse der Fachkräfte ein wichtiger Schlüssel sowohl für die berufliche wie auch die soziale Integration. Nur die wenigsten Fachkräfte im Ausland sprechen aber gutes Deutsch, selbst unter denjenigen, die sich für eine Tätigkeit in Deutschland interessieren. Daher sind in alle unsere Projekte vorbereitende Sprachkurse integriert, die die Fachkräfte bereits vor der Einreise auf ein bestimmtes Level bringen. Das heißt andererseits natürlich auch, dass die Fachkräfte nicht am Tag nach der Auswahl bereits im Betrieb stehen.
Neben der sprachlichen Vorbereitung ist auch die inhaltliche Beratung wichtig. Die meisten ausländischen Fachkräfte haben kein genaues Bild von Deutschland und wissen nicht, was sie hier erwartet. Das ist aber Voraussetzung, um falsche Erwartungen und am Ende Enttäuschungen zu vermeiden. Zunächst müssen sie daher genau wissen, wie ihre Tätigkeit in Deutschland aussehen wird, da sich das erheblich von dem unterscheiden kann, was sie aus ihrem Heimatland gewohnt sind. Aber auch Informationen zum Arbeitsort sind wichtig für die Entscheidungsfindung, vor allem wenn die Familie mitkommt. Gibt es Kindergärten und Schulen, Krankenhäuser und Einkaufsmöglichkeiten? Wie sieht es mit Verkehrsanbindungen in größere Städte aus? Und nicht zuletzt: Wie unterstützt mich mein neuer Arbeitgeber bei der Einreise und beim Ankommen?
Womit wir beim dritten Punkt wären: Die Menschen, die aus dem Ausland hierherkommen, um eine berufliche Zukunft zu finden, müssen sich auch nach Feierabend und am Wochenende wohl fühlen, sonst werden sie nicht lange bleiben. Daher müssen auch Unternehmen hier mehr investieren als bei einer deutschen Fachkraft. Das kann zum Beispiel bedeuten, die neuen Fachkräfte mit Vereinen in Kontakt zu bringen oder eigene Gemeinschaftsaktivitäten zu veranstalten. Außerdem empfiehlt es sich, einen „Kümmerer“ im Betrieb zu benennen, der oder die bei Fragen und Problemen zur Verfügung steht. Kleinere Betriebe in einer Region könnten sich zusammenschließen, um diese Herausforderungen gemeinsam zu schultern.
Interview: Markus Brunnbauer, Irina Wöhler, Gudrun Hölz