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Betriebliche Weiterbildung als Teil der Personalentwicklung

Die Arbeitswelt befindet sich in einem kontinuierlichen Wandlungsprozess, der von unterschiedlichen Megatrends getrieben wird. Hier sind insbesondere gesellschaftliche, ökonomische und demografische Entwicklungen zu nennen. In jüngster Zeit kamen als entscheidende Einflussfaktoren die vielfältigen Krisen mit ihren nicht unerheblichen Konsequenzen für das Leben und Arbeiten hinzu. Hierdurch entsteht eine neue Normalität, der es mit adäquaten Handlungsstrategien zu begegnen gilt.

Entscheidender Attraktivitätsfaktor für Arbeitgeber

Dazu gehört auch die Aufrechterhaltung und Entwicklung der Beschäftigungsfähigkeit oder Employability von Beschäftigten. Denn angesichts eines sich stetig verschärfenden Arbeits- und Fachkräftemangels ist es aus Arbeitgebersicht unerlässlich, die Potenziale der eigenen Belegschaft zu erkennen, zu nutzen und weiterzuentwickeln. Die Beschäftigten wiederum wissen um die Notwendigkeit, immer „am Ball zu bleiben“, was ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit anbelangt und haben diesbezüglich auch eine gewisse Erwartungshaltung an Unternehmen. So wird betriebliche Weiterbildung zu einem entscheidenden Attraktivitätsfaktor für Arbeitgeber und trägt nicht unerheblich zur Mitarbeiterbindung bei.
In der Konsequenz rückt betriebliche Weiterbildung, in jüngster Zeit auch vermehrt als Re- oder Up-Skilling bezeichnet, immer stärker in den Fokus. Dabei geht es beim Re-Skilling im Sinne einer Umschulung vor allem um die Vermittlung neuer Kenntnisse und Fähigkeiten zur Übernahme einer neuen Funktion im Unternehmen, jedoch ohne Aufstiegsorientierung. Re-Skilling findet häufig dann Anwendung, wenn ein Arbeitsplatz oder ein bestimmtes Tätigkeitsprofil wegfällt und Mitarbeitende auf eine andere Aufgabe vorbereitet werden sollen. Up-Skilling ist im Gegenteil hierzu auf die Erweiterung der vorhandenen Kenntnisse ausgerichtet und verbessert die Leistung und Kompetenz im ursprünglichen Arbeitsgebiet, vielfach in Bezug auf eine bestimmte Karriereentwicklung. In der Praxis sind beide Formen nicht immer trennscharf voneinander abzugrenzen. Insofern lassen sich bestimmte Grundprinzipien für betriebliches Lernen identifizieren, die sowohl für Re-Skilling als auch für Up- Skilling Gültigkeit besitzen.*
  • Lebensphasenorientierung und Life Balance: Es gilt, die Lernziele und -methoden mit den Zielen, Bedürfnissen und Interessen der Beschäftigten zu verknüpfen und Lösungen zu finden, die ihren unterschiedlichen Lebens- und Berufsphasen gleichermaßen gerecht werden und ihnen so eine angemessene Balance zwischen beruflichen und privaten Verpflichtungen ermöglichen.
  • Diversity-Orientierung und Individualisierung tragen einer immer vielfältiger werdenden Belegschaft Rechnung, indem sie deren individuelle Bedürfnisse – sei es von unterschiedlichen Altersgruppen oder Generationen, von Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen oder von Männern und Frauen – in zielgruppenspezifischen bzw. individualisierten Angeboten abbilden.
  • Orientierung am Grundsatz der Nachhaltigkeit, bei dem es darauf ankommt, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeitenden über ein verlängertes Erwerbsleben hinweg nachhaltig zu sichern und zu fördern und im Unternehmenskontext Personal strategisch so zu planen, dass die richtigen Personen mit den benötigten Qualifikationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

Maßnahmen auch am Arbeitsmarkt orientieren

Eine entscheidende Rolle, gerade beim betrieblichen Lernen, spielen die Rahmenbedingungen, unter denen dieses stattfindet. Dabei sollte ein vorausschauender Ansatz verfolgt werden, in dem die Qualifikation der oder des Einzelnen einer kontinuierlichen Evaluation und Anpassung unterliegt, die sich nicht nur an konkreten Unternehmensbedürfnissen oder der Beschäftigungssituation ausrichtet, sondern auch an den aktuell und zukünftig auf dem Arbeitsmarkt nachgefragten Kompetenzen und Fähigkeiten. Die Initiative geht dabei sowohl vom Arbeitgeber als auch von den Arbeitnehmenden aus, die nicht die Rolle der passiven Konsumierenden der Aus- und Weiterbildungsangebote einnehmen, sondern aktiv mitgestalten. Die Bemühungen beider Seiten sollten hier die Aktivitäten der jeweils anderen Seite stärken und vorantreiben. Zu einem ganzheitlichen Konzept der betrieblichen Weiterbildung gehört allerdings neben der Kompetenzentwicklung als Personalentwicklung im engeren Sinne auch eine entsprechende Ausrichtung von Unternehmenskultur, Führung und Arbeitsorganisation.*
Es ist unbestritten, dass betriebliche Weiterbildung einen entscheidenden Baustein des lebenslangen Lernens darstellt, dessen Bedeutung sowohl Beschäftigte erkennen und zunehmend proaktiv einfordern als auch Arbeitgeber zunehmend als zentralen Wettbewerbs- und Attraktivitätsfaktor wahrnehmen. Dabei gilt es im betrieblichen Kontext, die Motivation und Aufmerksamkeit für Lernprozesse zu schärfen, das erworbene Wissen als gelebte Kompetenz in den betrieblichen Alltag einzubringen und nachhaltig den Lernerfolg zu sichern.
Dr. Jutta Rump, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE
Silke Eilers, Wissenschaftliche Projektverantwortliche am Institut für Beschäftigung und Employability IBE
* Jutta Rump, Silke Eilers: Die Zukunft des betrieblichen Lernens. Trends – Kompetenzen– Instrumente, Schäffer-Poeschel Verlag, 2021