Abmahnwelle wegen Google Fonts

Vielleicht hatten Sie es auch schon in Ihren Posteingängen: Angeblich verstoßen Sie gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), da Sie die frei verfügbaren Google-Fonts in Ihre Webseiten eingebettet haben. Hier ein kurzer Überblick, was es mit diesen Abmahnungen auf sich hat.

Was ist Google-Fonts?

Der Service Google-Fonts ermöglicht es Ihnen auf Ihrer eigenen Webseite verschiedene Schriftarten zu verwenden. So können Sie auch Schriftarten verwenden, die nicht auf den Geräten Ihrer Nutzerinnen und Nutzer installiert sind.

Warum ist das DSGVO-widrig?

Bei dem Besuch einer Webseite, die Google Fonts nutzt, werden personenbezogene Daten der Besuchenden an Google in den USA weitergegeben. Das Landgericht München hat einem Webseitenbesucher daher sogar einen Schadenersatz in Höhe von 100 Euro zugesprochen.
Dieser Anspruch ergibt sich aus Artikel 82 der DSGVO und steht Personen zu, die wegen eines Verstoßes gegen die Verordnung ein “ materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist”.

Was können Sie jetzt tun?

Wir empfehlen Ihnen drei Dinge:

  1. Zahlen Sie nicht!
  2. Prüfen Sie, ob Google-Fonts tatsächlich in die Webseite eingebunden sind. Sind Sie selbst Webseitenbetreiber, sollten Sie auf eine lokal gehostete Version von Google-Fonts umsteigen.
  3. Leiten Sie das Schreiben an uns weiter: krueger@schwerin.ihk.de
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ist Mitglied beim Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität (DSW). Um Umfang und Ausmaß der Forderung abschätzen zu können werden hier Informationen, Fälle und Angriffspunkte zusammengetragen. Sie helfen uns dabei, Abmahnmissbrauch zu bekämpfen.
Reagieren Sie also am besten zunächst gar nicht auf das Schreiben selbst, da es sich vermutlich um eine missbräuchliche Abmahnung handelt. Sie sollten aber gegebenenfalls eine Strafanzeige bei der Polizei wegen versuchten Betrugs stellen.

Google-Fonts genauer erklärt

Um eine Schrift auf einem Gerät anzeigen zu können, muss dieses dort lokal installiert sein. Um mehr als nur Standardschriftarten nutzen zu können, kann man Schriftarten in der eigenen Webseite einbinden. Dadurch kann auf einer Webseite eine Schriftart angezeigt werden, obwohl sie auf dem Gerät der Nutzerin oder des Nutzers nicht installiert ist.
Diese Einbindung kann lokal gehostet werden. Das heißt, die Schriftdatei ist auf Ihrem Webserver und wird von dort ausgeliefert. Das ist datenschutzrechtlich erstmal unbedenklich. Aber Google-Fonts spart Ihnen den Schritt, die Datei auf Ihrem Server zur Verfügung zu stellen. Sie fügen einfach nur den Link zur Schriftdatei auf den Servern von Google in Ihre Webseite ein. Wenn dann jemand Ihre Webseite aufruft, wird die Schriftart auf den Google-Servern angefragt. Dieser automatische Verbindungsaufbau zu Google bei der Nutzung Ihrer Webseite, löst die im Urteil erwähnte Datenweitergabe aus. Google speichert bei jedem Aufruf Daten wie IP-Adresse, Betriebssystem oder Browserversion der Besuchenden.
Quelle: IHK Schleswig-Holstein (mit Anpassungen durch die IHK zu Schwerin)

Wie sieht die Lage aktuell aus?

Es werden massenhaft Abmahnschreiben versandt. Diese stammen oft von Rechtsanwalt Kilian Lenard für Martin Ismail/IG Datenschutz sowie von RA Kairis der RAAG-Kanzlei aus Mehrbusch für Wang Yu. Die Aktenzeichen der Kanzleien deuten darauf hin, dass mehr als 240.000 Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen ausgesendet wurden. Diese Masse lässt vermuten, dass es sich um missbräuchliche Abmahnungen handelt.
Zusätzlich gibt es diverse Trittbrettfahrer die - teils auch ohne Rechtsanwälte - in Schreiben 100 bis 200 Euro als Schadenersatz verlangen.
Aus Sorge vor einem Zivilverfahren und in der unzutreffenden Annahme, der behauptete Anspruch bestünde tatsächlich, hatten nach Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft 2.000 Personen das „Vergleichsangebot“ des Berliner Abmahnanwalts Kilian Lenard auf Zahlung von 170 Euro angenommen und gezahlt.
Erfreulicherweise nahmen allerdings viele Unternehmen zunächst das Angebot der Industrie- und Handelskammern (IHKs) an und meldeten uns die Abmahnungen, die wir dann an den Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität weiterleiteten. Einige Unternehmen erstatteten zudem Strafanzeige.
Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat nun entsprechende Durchsuchungs- und Arrestbeschlüsse gegen einen 53‑jährigen Rechtsanwalt mit Kanzleisitz in Berlin und dessen 41‑jährigen Mandanten erlassen. Die durch die Polizei aufgefundenen Beweismittel, insbesondere Unterlagen und Datenträger, werden nunmehr ausgewertet.
Wir danken an dieser Stelle allen Unternehmen, die uns ihre Fälle zur Weiterleitung gemeldet und die Ermittlungen der Behörden unterstützt haben!

Update vom 04.04.2023
Das Amtsgericht Ludwigsburg hat in seiner Entscheidung vom 28.02.2023 zwischenzeitlich die Rechtsmissbräuchlichkeit der erfolgten Abmahnungen festgestellt.