Übernahmeprozess

Leitfaden zur Unternehmensübernahme

Die Übernahme eines Unternehmens ist ein komplexer Prozess, der eine sorgfältige Planung und eine strukturierte Vorgehensweise erfordert. Ein gut durchdachter Übernahmeprozess erhöht die Erfolgschancen und minimiert Risiken. In diesem Artikel werden die wesentlichen Schritte zur erfolgreichen Unternehmensübernahme erläutert.

Identifizierung potenzieller Unternehmen zur Übernahme

Der erste Schritt zur Übernahme eines Unternehmens besteht darin, potenzielle Übernahmekandidatenfirmen zu identifizieren. Dabei gilt es, zunächst Klarheit über die eigenen gewünschten Kriterien zu gewinnen:
  • Wählen Sie Unternehmen aus, die in Ihnen vertrauten Branchen und Marktsegmenten tätig sind.
  • Achten Sie auf Unternehmen, die in Größe und Umsatz zu Ihren finanziellen und strategischen Zielen passen.
  • Berücksichtigen Sie beim Standort die geografische Lage und deren Bedeutung für das Geschäftsmodell und Ihr Privatleben.
Tipp: Quellen zur Identifizierung von Betrieben, die einen Nachfolger suchen, können Online-Plattformen, Netzwerke, Branchenverbände und Unternehmensberater sein.

Bewertung des Unternehmens und Risikoprüfung

Es ist für beide Seiten entscheidend, sich zunächst einen genaueren Eindruck voneinander zu verschaffen und sich besser kennenzulernen. Unternehmensübergeber benötigen Informationen über potenzielle Nachfolger, um fundierte Verhandlungen führen zu können, während Übernehmer sicherstellen wollen, dass sie beim Unternehmenskauf keine Fehlentscheidungen treffen.
Tipp: Mit der Unterstützung erfahrener Fachleute, wie z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte und Unternehmensberater, sollte das Unternehmen sorgfältig geprüft werden, um mögliche Risiken frühzeitig zu erkennen und zu minimieren.
Für eine umfassende Analyse der Unternehmenssituation werden die relevanten wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Gegebenheiten, das Ertragspotenzial sowie die Qualität der Mitarbeiter geprüft. Darüber hinaus werden mögliche Risiken im Unternehmen identifiziert. Die Risiko-Prüfung, auch Due-Diligence-Prüfung genannt, ist ein entscheidender Schritt im Übernahmeprozess, um alle relevanten Informationen zu sammeln und Risiken zu bewerten. Je mehr Informationen über das Unternehmen vorliegen, desto präziser können Verhandlungen über den Kaufpreis geführt werden.
Eine gründliche Analyse des Marktumfelds ist entscheidend, um ein Unternehmen erfolgreich zu bewerten. Dabei werden sowohl der Markt selbst als auch die Wettbewerber und die Kundenbasis genau betrachtet. Es wird untersucht, in welchem Markt das Unternehmen agiert, wer die Hauptkonkurrenten sind und wie das Wettbewerbsumfeld aussieht. Diese Informationen dienen dazu, die Marktstellung des Unternehmens zu bewerten.
Die Analyse der Kundenstruktur zeigt, wie divers und stabil die Kundengrundlage des Unternehmens ist und zeigt Abhängigkeiten von einzelnen Kunden oder Branchen auf. Eine solide Kundenbasis kann ein Indikator für eine starke Marktposition sein.
In der Betriebsanalyse werden die Produktionsprozesse, Lieferketten und IT-Systeme des Unternehmens untersucht. Dabei geht es darum, die Effizienz und den Ablauf der operativen Tätigkeiten zu verstehen. Eine zentrale Rolle spielt die Bewertung der Geschäftsprozesse und der eingesetzten Technologien, um die Betriebseffizienz und mögliche Optimierungspotenziale zu identifizieren. So kann die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in seinem täglichen Betrieb beurteilt werden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Bewertung der Mitarbeiterstruktur. Hier werden unter anderem die bestehenden Arbeitsverträge sowie die Unternehmenskultur analysiert, um ein klares Bild über die Stabilität und Qualität des Personals zu erhalten. Eine starke, gut strukturierte Belegschaft trägt wesentlich zum Erfolg eines Unternehmens bei.
Eine gründliche rechtliche Überprüfung ist für die Bewertung eines Unternehmens unerlässlich. Dabei werden relevante rechtliche Aspekte, regulatorische Anforderungen und Rechtsstreitigkeiten des Betriebes betrachtet, um potenzielle Risiken und Handlungsbedarfe zu identifizieren. Bei der Vertrags- und Lizenzüberprüfung werden alle wichtigen Verträge, Lizenzen und rechtlichen Vereinbarungen des Unternehmens auf ihre Gültigkeit und potenzielle Risiken hin überprüft. Dies umfasst Verträge mit Kunden, Lieferanten und Partnern, Mitarbeitende sowie bestehende Lizenz- und Patentvereinbarungen. Bei der Übernahme eines Unternehmens sollte auch geklärt werden, ob das Unternehmen in der bisherigen Rechtsform bleibt oder ob es sinnvoll ist, die Rechtsform zu ändern. Hierbei sind insbesondere steuerliche, haftungsrechtliche und persönliche Aspekte von besonderer Bedeutung.
Eine detaillierte Prüfung der Finanzen liefert wertvolle Einblicke in die wirtschaftliche Situation und das Potenzial des Unternehmens. Die Analyse der Finanzberichte, darunter die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), gibt Aufschluss über die finanzielle Performance des Unternehmens. Hier werden unter anderem der Cashflow, Schulden, Vermögenswerte sowie Ergebniserwartungen geprüft, um ein umfassendes Bild der wirtschaftlichen Lage zu erhalten. Ein weiterer Fokus liegt auf der Bewertung der Liquidität und der finanziellen Prognosen. Die Fähigkeit des Unternehmens, kurzfristige Verbindlichkeiten zu decken, wird ebenso betrachtet wie die langfristige Finanzplanung. Dies beinhaltet auch die Analyse der Kalkulation und Steuersituation. Die Steuerunterlagen werden im Zusammenhang mit den finanziellen Prozessen überprüft, um sicherzustellen, dass alle steuerlichen Verpflichtungen korrekt erfüllt werden und keine rechtlichen Risiken bestehen.

Die Erkenntnisse aus diesen Informationen haben Einfluss auf die Berechnung des Unternehmenswertes.
Damit sich der Unternehmensverkäufer einen Eindruck vom potenziellen Kaufinteressenten verschaffen kann, erwartet dieser ein Informationspaket bestehend aus verschiedenen Unterlagen, die Eignung und Seriosität belegen.
Eine Übersicht über die unternehmerischen und branchenspezifischen Kenntnisse und Erfahrungen des Nachfolgers ist wichtig, um seine fachliche Kompetenz darzustellen, zum Beispiel in einem Lebenslauf und mit Hilfe von Arbeitszeugnissen.
Berufszulassungen oder Tätigkeitserlaubnisse, die für den Betrieb des Unternehmens erforderlich sind, sollten vorgelegt werden, um zu gewährleisten, dass der Nachfolger die rechtlichen Anforderungen erfüllt.
Eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vom Finanzamt bestätigt, dass der Nachfolger keine offenen Steuerschulden hat und seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.
Ein Nachweis über das vorhandene Eigenkapital zeigt, dass der Nachfolger über die finanziellen Mittel verfügt, um das Unternehmen zu erwerben und erfolgreich weiterzuführen.
Diese Dokumente helfen dem Verkäufer, die Qualifikationen des Nachfolgers realistisch einzuschätzen, Vertrauen aufzubauen und die Basis für erfolgreiche Verhandlungen zu schaffen.

Finanzierungsbedarf klären

Beim Erwerb eines Unternehmens gilt es, den resultierenden Kapitalbedarf zu ermitteln und die Finanzierungsmöglichkeiten zu prüfen. Ein gut strukturierter Finanzplan hilft, diese Überlegungen zu systematisieren. Der Kapitalbedarf setzt sich individuell aus verschiedenen Positionen zusammen, zum Beispiel Kaufpreis, Nebenkosten, Notarkosten, Investitionen, Betriebsmittelbedarf u.a. Die Finanzierung kann durch einen Mix aus Eigenkapital und Fremdkapital dargestellt werden. Dabei sollten neben der Finanzierbarkeit des Vorhabens auch die Besicherung des Fremdkapitals zum Beispiel durch Bürgschaften berücksichtigt werden.
Auf Basis des erstellten Finanzplans ist zu prüfen, ob der Kapitaldienst (Zinsen und Tilgung) des Fremdkapitals durch die zukünftige Umsatz- und Ertragsplanung (Rentabilitätsvorschau) tragbar ist. Ebenso muss die Auswirkung auf die Liquidität des Unternehmens (Liquiditätsvorschau) bewertet werden.
Bei der Finanzierung der Unternehmensübernahme sollten Förderprogramme des Bundes und aus Schleswig-Holstein einbezogen werden. Diese bieten häufig attraktive Konditionen wie niedrige Zinssätze, tilgungsfreie Zeiten, lange Laufzeiten und teilweise Erleichterungen bei der Sicherheitenstellung. Solche Finanzierungshilfen können den Erwerbsprozess erheblich erleichtern.
Als Grundlage für das Bankgespräch dient ein Fortführungskonzept, angelehnt an einen Businessplan.
Tipp: In monatlich stattfindenden Finanzierungssprechtagen zusammen mit den Förderlotsen der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) zeigen die Berater der IHK Finanzierungs- und Förderprogramme für eine Übernahme auf. Informationen über die Fördermöglichkeiten des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein aus erster Hand, ein erstes Feedback zum Vorhaben und praktische Tipps zur weiteren Vorgehensweise - das alles bietet unser Finanzierungssprechtag an verschiedenen Standorten in Schleswig-Holstein individuell und diskret. Die Beratungszeit ist auf eine Stunde begrenzt und kostenfrei.

Verhandlungen und Vertragsabschluss

Auf Basis der Ergebnisse der Sammlung aus dem Datenraum gibt der Kaufinteressent ein indikatives Angebot ab oder verhandelt den vom Verkäufer aufgerufenen Kaufpreis. Mögliche Risiken oder Schwächen, die bei der Prüfung aufgedeckt wurden, können dazu führen, dass der Preis nach unten korrigiert wird. In dieser Phase werden auch Details zur Zahlungsstruktur (z. B. Ratenzahlung oder Earn-Out-Modelle) und zu weiteren Vertragsbedingungen festgelegt. Sobald der Kaufpreis und die wesentlichen Bedingungen vereinbart sind, wird der Kaufvertrag ausgearbeitet. Der Vertrag enthält alle wichtigen Punkte wie Kaufpreis, Zahlungsmodalitäten, Haftung, Garantien, Gewährleistungen und Übergabeprozeduren. Käufer und Verkäufer verhandeln hier die letzten Details, oft mit Unterstützung von Rechtsanwälten.


Integration und Übergangsmanagement

Eine erfolgreiche Übernahme endet nicht mit dem Vertragsabschluss - die Integration ist entscheidend. Entwickeln Sie einen detaillierten Plan zur Integration des übernommenen Unternehmens, um sicherzustellen, dass alle Prozesse reibungslos ineinandergreifen. Managen Sie den Übergang sorgfältig, um Betriebsstörungen zu minimieren und den Geschäftsbetrieb nahtlos fortzusetzen. Es ist außerdem von großer Bedeutung, Mitarbeiter, Kunden und andere Stakeholder kontinuierlich zu informieren und einzubeziehen, um Vertrauen und Klarheit während des gesamten Prozesses zu gewährleisten.


Fazit

Der Prozess der Unternehmensübernahme umfasst mehrere wichtige Schritte, von der Identifizierung und Bewertung potenzieller Unternehmen bis hin zur Integration und dem Übergangsmanagement. Eine sorgfältige Planung und strukturierte Vorgehensweise sind entscheidend für den Erfolg. Nutzen Sie die Chancen, die sich Ihnen bieten, und meistern Sie die Herausforderungen, um langfristig erfolgreich zu sein.
Tipp: Im Beratungsformat Stabwechsel informieren die Berater der IHK gemeinsam mit externen Experten aus der Praxis regelmäßig Interessierte, die eine Unternehmensübernahme planen und bereits einen konkreten Betrieb gefunden haben. Die ausgesuchten Spezialisten und die IHK-Berater arbeiten eng zusammen und erstellen unter anderem Leitfäden zu den Themen Vorbereitung und Organisation der Unternehmensübernahme sowie Aufbau von Finanzierungen. Auch Fragen zu den Themen Unternehmensbewertung, rechtliche Aspekte, Steuern und Konfliktlösungen lassen sich in streng vertraulichen Einzelberatungen an verschiedenen Standorten in Schleswig-Holstein individuell und diskret erörtern.