Existenzgründung und Unternehmensförderung

Gewerbliche Nutzung in Wohngebieten

Das Arbeiten von zuhause ist besonders im vergangenen Jahr für viele Arbeitnehmer/innen und auch Selbständige in den Fokus gerückt. Für Existenzgründer/innen ist der Start ins Unternehmertum in den eigenen vier Wänden ebenfalls oft naheliegend. Durch Digitalisierung, technischen Fortschritt und ein Wandel der Arbeits- und Lebenswelten ist es für viele Berufsgruppen interessant, ihre Arbeitsstätte in die eigenen vier Wände zu verlegen.
Doch dabei gilt es neben gewerbe- und steuerrechtlichen auch die baurechtlichen Vorgaben zu beachten. Bauplanungsrechtlich sind Wohngebiete der Wohnnutzung vorbehalten und genießen einen entsprechenden Schutz vor gewerblicher Nutzung bzw. deren Folgen, beispielsweise Lärm oder vermehrtes Verkehrsaufkommen. So kann die Nutzung der Wohnung für gewerbliche Zwecke unzulässig sein. Ist dies nicht der Fall, kann sie aber zumindest genehmigungsbedürftig sein. Dabei richtet sich der Umfang der Genehmigung in erster Linie nach der geplanten Nutzung. Die gewerbliche Nutzung von Wohnräumen setzt gegebenenfalls eine Nutzungsänderung voraus, die bei der unteren Bauaufsicht beantragt werden muss, die in der Amts- oder Stadtverwaltung zu finden ist.
Für die baurechtliche Betrachtung ist dabei irrelevant, an welcher Adresse ein Gewerbe oder die freiberufliche Tätigkeit angemeldet ist. Leidglich die tatsächliche Nutzung der Gebäude bzw. einzelner Räume und deren Auswirkungen werden betrachtet.
Kann ich mein Büro also einfach in meine Wohnung verlegen? Kann ich dafür zum Beispiel meinen Keller nutzen und was muss ich beachten, wenn ich Kundschaft empfange?

Prüfung der festgesetzten Gebietskategorie im Bebauungsplan

Zunächst sollte geprüft werden, in welchem Gebiet sich die eigene Wohnung befindet. Ob ein rechtskräftiger Bebauungsplan vorliegt und welche Gebietskategorie festgesetzt ist, können Sie meist online beim kommunalen Bauamt einsehen. Zusätzlich gibt es Online-Portale, auf denen gültige Bebauungspläne abgerufen werden können, um Beispiel der Digitale Atlas Nord oder das Geoportal der Metropolregion Hamburg.
Übliche Gebietskategorien nach BauNVO, mit überwiegender Wohnnutzung sind
  • WR: Reine Wohngebiete
  • WA: Allgemeine Wohngebiete
In diesen Gebieten überwiegt das Wohnen, eine gewerbliche Nutzung darf nur in untergeordnetem und nicht störendem Maße stattfinden. Reine Wohngebiete dienen nach § 3 BauNVO (ausschließlich) dem Wohnen. In ihnen ist der Schutzanspruch vor jeder Störung, die durch gewerbliche Tätigkeiten entstehen kann, am höchsten. Daher ist dort bereits jede Tätigkeit unzulässig, bei der nach ihrem Typ störende Auswirkungen auf die Nachbarschaft nicht grundsätzlich auszuschließen sind. Das hat zur Folge, dass selbst nicht störende Gewerbe in reinen Wohngebieten nur ausnahmsweise außerhalb von Wohnungen zulässig sind. Etwas weniger streng sind die Vorschriften für allgemeine Wohngebiete. Diese dienen gemäß § 4 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Sowohl für reine als auch allgemeine Wohngebiete können die Gemeinden in den entsprechenden Bebauungsplänen Ausnahmen zulassen. Welche das sein können, ergibt sich ebenfalls aus den §§ 3 und 4 BauNVO. Diese kann die Gemeinde im betreffenden Bebauungsplan zulassen, muss es aber nicht.
Einzige Ausnahme ist die Nutzung von Räumen zur Ausübung von freien Berufen, diese ist in Wohngebieten (WR und WA) zunächst grundsätzlich zulässig, allerdings nur bis zu einem gewissen Anteil der Raumnutzung und nur wenn von einer nicht störenden Ausübung ausgegangen werden kann. Dies betrifft vor allem auch die zu erwartenden Kundenfrequenzen oder die Anzahl der Angestellten, durch die wiederum beispielsweise Verkehr erzeugt wird. Welcher Beruf tatsächlich zu den freien Berufen gehört, ist nicht immer leicht festzustellen. Hilfestellung bietet diese Übersicht oder das Existenzgründerportal des BMWi.
Selbst wenn die gewerbliche Nutzung zunächst zulässig ist und von nicht störender Ausübung ausgegangen werden kann, muss bedacht werden, dass die Nachbarn dennoch auch zukünftig die Möglichkeit haben, auf Unterlassung zu klagen, sofern tatsächliche Störungen von der Ausübung der Tätigkeit ausgehen (Ziel- und Quellverkehr, Lärm, etc.).

Prüfung der (Landes-)Bauordnung

Auch über die Bauordnung muss die Zulässigkeit von gewerblicher Nutzung in Wohnräumen geprüft werden. Hier stehen vor allem die Fragen nach der tatsächlichen Nutzung der Räume im Mittelpunkt. Werden Räume genutzt, die grundsätzlich als Aufenthaltsräume genehmigt wurden? Oder soll das Arbeitszimmer in den Keller verlegt oder gar der Dachboden ausgebaut werden? Grundsätzlich empfiehlt sich zunächst die Kontaktaufnahme zur zuständigen örtlichen Baugenehmigungsbehörde (Bauamt, Bauordnungsamt, etc.).
Der Antrag einer Nutzungsänderungsgenehmigung nach der Bauordnung ist auf einem behördlichen Antragsformular, welches bei der Baugenehmigungsbehörde erhältlich ist, zu stellen. Ist eine Nutzungsänderung erforderlich, sind auch weitere Unterlagen, wie Bauzeichnungen, Betriebsbeschreibung sowie eine Baubeschreibung einzureichen. Die Gemeinde erhebt üblicherweise Gebühren für die Nutzungsänderung ggf. bereits für die Prüfung, daher ist vorab eine formlose Anfrage beim Bauamt bzw. auf fachlicher Ebene bei der Stadtplanung und der Bauordnung sinnvoll.
Hier finden Sie weitere Informationen zur Gewerbeanmeldung.