Hansebelt: Früher Geflüchtete, heute Fachkräfte

Karriere in der neuen Heimat

Sie kommen aus Syrien, Iran und Afghanistan: Viele Menschen sind in den vergangenen Jahren nach Schleswig-Holstein gekommen – und haben sich hier mit viel Ehrgeiz eine neue Existenz aufgebaut. Das IHK-Magazin stellt drei Lebenswege vor.
Der Karriereweg von Mohamad Daas könnte beinahe aus einem Drehbuch stammen: 2017 ist der damals 17-Jährige allein aus Syrien nach Deutschland geflohen – sieben Jahre später steht er als landesbester Azubi auf der großen Bühne. Die Auszeichnung als bester Auszubildender Schleswig-Holsteins zum Industrieelektriker (Fachrichtung Betriebstechnik) hat den jungen Mann mit Stolz erfüllt: „Ich war perplex, als ich die Nachricht von der IHK bekam. Es ist ein großartiges Gefühl: Ich habe mein Bestes gegeben, hart gearbeitet und werde nun dafür belohnt“, so Daas.

Ehemals Flüchtling, heute Landesbester

Die Fluchtroute des jungen Syrers führte ihn 2017 über die Türkei und Griechenland bis nach Norderstedt, wo sein bereits zuvor geflüchteter Vater eine Anstellung als Schweißer gefunden hatte. In Deutschland angekommen holte Daas den Hauptschulabschluss und die Mittlere Reife in deutscher Sprache nach und besuchte zunächst ein berufliches Gymnasium. „Ich habe gemerkt, dass mir die Praxis fehlt, und habe mich nach einer Ausbildung umgeschaut, da ich mich schon immer für Technik und Elektronik interessiert habe“, sagt Daas. Kurz darauf begann er seine Karriere bei der HPS Hanseatic Power Solutions GmbH in Norderstedt – zunächst mit einem Praktikum und einer halbjährigen Einstiegsqualifizierung, die im Jahr 2021 schließlich in einen Ausbildungsvertrag mündet. Heute ist er als Servicetechniker ein festes Mitglied des Unternehmens.
„Wir wussten schon früh, dass wir Mohamad übernehmen wollen. Er hat uns schnell überzeugt und von Anfang an super ins Team gepasst. Auch von der Einstiegsqualifizierung haben wir sehr profitiert, da er sich in dieser Zeit das nötige Fachvokabular aneignen konnte“, sagt HPS-Geschäftsführer Michael Grenz. Das Norderstedter Unternehmen habe bereits häufig gute Erfahrungen mit geflüchteten Menschen aus dem Nahen Osten gemacht: „Junge Geflüchtete haben oftmals eine andere Einstellung als gleichaltrige deutsche Jugendliche – sie nehmen die Ausbildung ernster und verhalten sich dem Unternehmen gegenüber verantwortungsbewusster“, so Grenz.
Die neue Aufgabe als Servicetechniker ist anspruchsvoll, da Mohamad Daas – zunächst bundesweit, später auch international – für Kunden verschiedenster Branchen verantwortlich ist. Künftig muss er Schalt- und Steuerungsanlagen unter anderem für Netzersatzanlagen für Industriekunden rund um den Globus warten und reparieren können. Die HPS Hanseatic Power Solutions GmbH unterstützt Daas auch bei den neuen Aufgaben und zum Beispiel beim Erwerb des dafür nötigen Führerscheins.
Mohamad Daas schaut motiviert auf das Jahr 2025: „Ich möchte mich auch in Zukunft weiterbilden und die neuen Aufgaben in Angriff nehmen“, sagt er. Außer auf seine Leistungen sei er auch auf seine Geschichte stolz, die er oftmals weitergibt: „Viele junge Schüler, die ebenfalls geflüchtet sind, wollen sich hier in Deutschland einbringen. Das gefällt mir.“

Fitnesskarriere mit Statement

Um ihren Traum von einer sportlichen und selbstbestimmten Karriere zu verwirklichen, kam Media Niroomand im Jahr 2021 nach Deutschland. Schon in ihrer früheren Heimat, der iranischen Hauptstadt Teheran, arbeitete Niroomand als Fitnesstrainerin – allerdings mit Einschränkungen: „Männer und Frauen trainieren im Iran getrennt voneinander, sie besuchen zu verschiedenen Tageszeiten das Fitnessstudio“, erzählt Niroomand. Und auch das Training mit Kopftuch hat der gebürtigen Iranerin missfallen, die stolz auf ihre sportlichen Erfolge und ihren durchtrainierten Körper ist. Heute arbeitet Media Niroomand als Fitnesstrainerin im Infinity Fitness & Wellness Club in Reinbek.
„Hier in Deutschland kann ich meine Ziele erreichen, das war im Iran leider nicht möglich“, sagt sie. Ein großes Ziel hat Niroomand bereits erreicht: 2023 nahm sie an dem TV-Format Ninja Warrior Germany teil, das sie im Iran bereits als Kind gesehen hatte. Eine Teilnahme sei dort für sie als Frau allerdings unmöglich, erzählt sie. Und so habe sie mit der TV-Show auch ein Statement setzen wollen. „Ich wollte zeigen, dass iranische Frauen alles erreichen können, wenn sie dafür kämpfen. So konnte ich vielen Frauen Mut machen, das hat mich besonders gefreut“, so Niroomand. Auch über Instagram möchte sie mit kurzen Videos iranische Frauen inspirieren und gleichzeitig für ein richtig ausgeführtes Fitnesstraining werben.
Im Reinbeker Infinity Fitness & Wellness Club gibt Media Niroomand ihr Fitness-Knowhow inzwischen im Freihantelbereich und in vielen Kursen weiter. Anfangs war sie selbst als Kundin täglich im Fitnessstudio. „Ich bin mit meinem heutigen Chef ins Gespräch gekommen und habe ihm von meinem Beruf als Trainerin im Iran erzählt – und konnte ihn überzeugen, mich als Trainerin anzustellen.“ Trotz der sprachlichen Herausforderung schaffte sie den Sprung ins feste Team des Studios, zunächst als Minijob, heute in Vollzeit. In der Zukunft möchte sich Niroomand eventuell als Trainerin selbstständig machen – und noch einmal an Ninja Warrior teilnehmen.

Afghanische Spezialitäten in Bad Schwartau

„Ich möchte die afghanische Kultur mit all ihren Facetten über die Küche vermitteln“, sagt Janam Yaghubi. Im September 2023 hat die 24-Jährige das Jan Restaurant-Café-Bar in Bad Schwartau eröffnet. 2015 ist Yaghubi mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Lübeck gekommen, hat die Realschule abgeschlossen und wollte eigentlich Ärztin werden. „Ich habe mich dann für eine Ausbildung in der Pflege entschieden. Währenddessen ist mir aber klar geworden, dass ich meine Leidenschaft fürs Kochen zum Beruf machen möchte“, sagt sie. Nach der Ausbildung schrieb die gebürtige Afghanin ein Kochbuch und nahm mehrere Jobs an, um eine Kücheneinrichtung, Möbel und eine Restaurantfläche finanzieren zu können.
An der Markttwiete in unmittelbarer Nähe zur Fußgängerzone fand sie dann eine geeignete Fläche und eröffnete ihr eigenes Restaurant, das auch persische Gerichte anbietet. Der Fokus liegt auf gesunden, oftmals vegetarischen Speisen. Das Gastronomie-Gen sei ihr in die Wiege gelegt worden: Auch ihre Eltern hatten in Kabul ein Restaurant geführt und verkauften afghanische Spezialitäten auf einem Lübecker Wochenmarkt. „Wir Afghanen sind Familienmenschen, das gemeinsame Essen nimmt bei uns eine wichtige Rolle ein. Viele Deutsche haben noch andere Vorstellungen von uns Afghanen. Das möchte ich mit meinem Restaurant ändern und unsere Kultur vermitteln“, berichtet Janam Yaghubi.
Der Weg zum eigenen Restaurant sei nicht einfach gewesen, und auch die große Ladenfläche und die Fixkosten seien gerade in der Nebensaison eine Herausforderung. Dennoch ist Yaghubi stolz auf den Schritt in die Selbstständigkeit: „Ich habe hier meinen Traum verwirklicht – andernfalls hätte ich es später sicher bereut. Erfahrungen sammeln gehören für mich dazu. Ich war bei der Unternehmensgründung auf mich allein gestellt, aber dadurch bin ich auch stärker geworden. Lebenslanges Lernen gehört dazu“, sagt Yaghubi, die heute auch vielen Freunden und Verwandten mit Ratschlägen zur Seite steht.
Autor: Benjamin Tietjen
Veröffentlicht: 29. Januar 2025