Juni 2024 | Freizeitwirtschaft

„Auf Landesebene ist Kultur ein schlafendes Thema“

Während der Coronapandemie gehörte die Veranstaltungsbranche zu den am meisten von den Einschränkungen betroffenen Wirtschaftszweigen. Wie geht es den Unternehmen heute? Petra Burmeister, Geschäftsführerin der inRostock GmbH Messen, Kongresse & Events, Fabian Schwabe von Sound Projekt und Hans Jensen, Geschäftsführer der Supreme GmbH haben uns Einblicke in ihre Arbeit gegeben.
Zwei Frauen und ein Mann stehen nebeneinander und lächeln in die Kamera.
IHK-Referentin Katja Riebe (l.) mit Stadthallenchefin Petra Burmeister und Hans Jensen von Supreme. © IHK zu Rostock
„Wir rutschen von einer Krise in die nächste“, sagt Fabian Schwabe, wenn man ihn auf den Status quo der Veranstaltungswirtschaft anspricht. Schwabe ist Projektleiter beim Stralsunder Unternehmen Sound Projekt. Während der Coronajahre hat er sich gemeinsam mit anderen regionalen Vertretern der Branche beim IHK Round Table engagiert. Die Veranstaltungsreihe bot verschiedenen Wirtschaftszweigen eine Plattform, um untereinander und auch mit politischen Entscheidungsträgern ins Gespräch zu kommen und Lösungen zu finden.
Wie geht es der Branche heute? Konnte die Veranstaltungswirtschaft mittlerweile wieder an alte Erfolge anknüpfen? Zu diesen Fragen haben wir uns mit Fabian Schwabe ausgetauscht und auch das Gespräch mit anderen Beteiligten der damaligen Round Tables gesucht: Petra Burmeister, Geschäftsführerin der Rostocker Stadthalle und HanseMesse, und Hans Jensen, Geschäftsführer der Supreme GmbH.
Ein Mann mit Mütze lächelt in die Kamera.
Fabian Schwabe ist Projektleiter beim Stralsunder Unternehmen Sound Projekt. © Sound Projekt

Verändertes Konsumverhalten

Nachdem Lockdowns und Co. der Vergangenheit angehörten, kam die Zeit der nachgeholten Events. Für Sound Projekt erwies sich 2022 dadurch als sehr starkes Jahr, berichtet Fabian Schwabe. „Dadurch konnten wir zumindest annähernd das Vor-Corona-Niveau erreichen.“ Während dieser Zeit konnte das Unternehmen auch drei neue Mitarbeiter einstellen. Die Teamerweiterung sei schon vorher geplant gewesen, konnte in der Coronaphase aber zunächst nicht umgesetzt werden.
Viele kommen erst zur Abendkasse. Was Einfluss auf unsere Arbeit hat. Denn Ton und Beleuchtung sind abhängig von der Zuschauerzahl.

Fabian Schwabe, Sound Projekt

Weitere Einstellungen sind demnächst aber nicht mehr geplant. Das liegt unter anderem auch daran, dass das Geschäft aktuell – so wie Fabian Schwabe es gleich zu Beginn des Gesprächs betonte – immer noch abhängig von diversen Krisen ist. Ukrainekrieg, Energiepreise, Inflation und Co. sorgen für deutlich höhere Eintrittspreise und dadurch entscheiden sich Kunden immer spontaner für den Ticketkauf. „Viele kommen erst zur Abendkasse. Was Einfluss auf unsere Arbeit hat. Denn Ton und Beleuchtung sind abhängig von der Zuschauerzahl“, sagt Schwabe.
Die späte Entschlossenheit kennt auch Petra Burmeister. „Für bestimmte Veranstaltungen läuft der Verkauf immer noch rasend schnell. Aber die Entscheidungen werden bei den aktuellen Ticketpreisen immer bewusster gewählt – und das Niveau wird stark hinterfragt“, sagt die Stadthallenchefin.
Früher haben die Menschen extrem viel geboten bekommen für ihr Geld. Im internationalen Vergleich waren und sind Festivaltickets aber dennoch ziemlich günstig.

Hans Jensen, Supreme GmbH

Höhere Preise gibt es auch beim Pangea Festival von Hans Jensen. Doch die Nachfrage hat darunter bislang nicht gelitten, sagt er. „Früher haben die Menschen extrem viel geboten bekommen für ihr Geld. Im internationalen Vergleich waren und sind Festivaltickets aber dennoch ziemlich günstig.“ Jetzt hätten sich die Kosten für die Produktion erhöht, das Team sei durch die erhöhten Anforderungen gewachsen.

Die Auftragslage

Nicht nur die Preisentwicklungen haben zu Veränderungen geführt. Auch darüber hinaus hat die Pandemie für Verschiebungen gesorgt. Petra Burmeister: „Es ist immer noch so, dass viel mehr Konzerte draußen stattfinden. Das war 2022/23 noch verständlich, aber der Trend reißt immer noch nicht ab.“ Während 2019 insgesamt 101 Konzerte in der Stadthalle stattfanden, waren es 2023 „nur“ noch 74. „Das finde ich schon eine krasse Entwicklung“, sagt Burmeister.
Durch die anderen Standbeine wie Feiern, Sportevents und Messen kann die Stadthalle jedoch stabile Besucherzahlen vorweisen. 2023 waren es knapp 300.000. Besonders stark hat sich laut Burmeister die Sparte der Kongresse entwickelt.
Bei Sound Projekt machen Tagungen und Messen aktuell noch einen geringeren Teil aus. Wir sind aber gerade auf dem Weg, das nach und nach aufzubauen“, sagt Fabian Schwabe. Die meisten Aufträge der Stralsunder beziehen sich auf Live-Entertainment. Aktuell befinde sich das Unternehmen auf einem Plateau, konnte aufgrund aller äußeren Umstände nicht wachsen. Für Schwabe kein Grund für große Besorgnis: „Man kann nicht immer nur wachsen. Insgesamt ist es für die Wirtschaft wichtig, zu verstehen, dass es normal sein muss, sich eine Zeit auf einem Niveau zu halten. Das ist ja schließlich kein Verlustgeschäft.“
Schwabe räumt aber auch ein, dass das Team einen erheblichen Aufwand leisten muss, um das Niveau überhaupt zu halten. „Um den Umsatz in der aktuellen Lage stabil zu halten, müssen wir immer neue Kunden akquirieren. Denn insgesamt wird weniger Geld ausgegeben“, betont Schwabe. „Wir alle engagieren uns dafür aber gern und schauen positiv in die Zukunft.“

Fachkräfte: Unterschiedliche Herausforderungen

Um diese Herausforderungen zu meistern, ist gutes Personal wichtig. Und das ist – für alle Wirtschaftszweige – aktuell eine besondere Herausforderung. Die Supreme GmbH hat laut Hans Jensen keine Probleme, nötige Stellen zu besetzen. Das Image und die Sache selbst ziehen Mitarbeiter an. „Wir brennen alle für das, was wir tun“, sagt er. „Wir geben uns als Arbeitgeber aber auch viel Mühe ein Umfeld zu schaffen, in dem die Mitarbeiter gern arbeiten. Allerdings sei die Festivalbranche keine, in der das Personal Jahrzehnte dort arbeitet. „In der Regel arbeitet ein Teammitglied drei bis fünf Jahre für uns.“
Ganz anders ist es in der Stadthalle und HanseMesse. „Bei uns sind die Fachkräfte oft erst nach drei Jahren komplett eingearbeitet, weil die Abläufe so vielfältig sind“, sagt Petra Burmeister. Das Beschäftigungsniveau sei bei den festen Stellen grundsätzlich auf einem souveränen Niveau. Dennoch sei es nicht einfach, gerade Veranstaltungstechniker zu finden. „Das liegt vor allem daran, dass wir Spitzen bedienen müssen. Wenn wir für diese nicht genügend Personal finden, müssen wir auf freie Arbeitskräfte zugreifen – aber das ist ein Markt, der eigentlich nicht mehr vorhanden ist.“ Zeitarbeitsfirmen seien dann die letzte Alternative. „Außerdem ist unsere Branche nicht attraktiv, was die Arbeitszeiten anbelangt. Wir arbeiten teilweise im Drei-Schicht-System. Vor allem die Techniker sind oft nachts wegen Umbauten beschäftigt.“

Ausbildung: „Bewerberzahlen auf einem guten Niveau“

Als bester Weg, an Fachpersonal zu kommen, hat sich für Sound Projekt die Ausbildung erwiesen. Auch während der Pandemie hat das Unternehmen daran festgehalten. Und auch seitdem sind die Bewerberzahlen laut Schwabe nicht zurückgegangen. „Unsere Bewerberzahlen halten sich auf einem guten Niveau und wir schaffen es in der Regel ein bis zwei qualifizierte Auszubildende pro Jahr anzustellen,  denen wir im Anschluss auch Übernahmeperspektiven anbieten können.“
Ein Mann mit Kopfhörern sitzt vor einem Mischpult.
Ein Veranstaltungstechniker von Sound Projekt bei einer Veranstaltung der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern © Sound Projekt
Genauso in den Rostocker Großhallen. „Wir haben immer noch ausreichend Azubibewerbungen, auch viele sehr gute“, sagt Petra Burmeister. „So können wir eine Ausbildungsquote von rund 20 Prozent halten.“ Hans Jensen sieht darin einen Vorteil für die ganze Branche: „Es ist wichtig, dass es die Stadthalle als Ausbildungsstätte gibt. Wenn sich Fachkräfte von dort bewerben, ist die fachliche Eignung auf jeden Fall gegeben.“
Für die Supreme GmbH ist das von besonderer Bedeutung. Denn das Unternehmen bildet selbst nicht aus und muss zwangsläufig auf extern ausgebildetes Personal zurückgreifen. „Wir haben die Entscheidung bewusst getroffen. Weil wir immer auf die eine Spitze, das Festival, hinarbeiten und den ganzjährigen Anforderungen einer Ausbildung nicht gerecht werden können.“
Hunderte Menschen bei Nacht vor einer beleuchteten Bühne.
Jedes Jahr strömen tausende Besucher zum Pangea Festival auf Pütnitz bei Ribnitz-Damgarten. © About You Pangea Festival

Erwartungen an die Politik

Und was wünschen sich die Unternehmer und die Unternehmerin von der Politik? Für Fabian Schwabe ist ganz klar eine „ordentliche Kommunikation“ unerlässlich. „Zumindest einmal im Jahr sollte es eine Expertenrunde geben, in der besprochen wird, was sinnvolle Wege für die Branche sind.“ Auch der Landtag sollte sich seiner Meinung nach viel mehr mit dem Thema beschäftigen. „Kultur ist auf Landesebene ein schlafendes Thema“, konstatiert er.
Hans Jensen spricht sich für eine Kulturförderung für das jüngere Publikum aus. „Es wäre unser Wunsch, dass für jüngere Besucher in dieser Hinsicht spezielle Programme ausgebaut werden.“ Die kleinere Kulturszene abseits der Megakonzerte sterbe aus und individuelle Veranstaltungen würden immer weniger. Da müsse die Politik mit ansetzen. Ein Punkt, der auch Fabian Schwabe sehr am Herzen liegt.
Petra Burmeister wünscht sich zudem, dass die Politik Verordnungen mit Bezug auf die tatsächliche Situation erlässt oder anpasst. Ihr Beispiel: Die Novellierung der Versammlungsstättenverordnung muss dringend abgeschlossen werden. Derzeit müssen zwei Meister für Veranstaltungstechnik bei jedem Event über 5.000 Besucher verpflichtend anwesend sein. „Das kriegen wir bei dem aktuellen Personal- und Weiterbildungsangebot gar nicht mehr realisiert“, betont sie.