„Der digitale Euro kommt, das Bargeld bleibt“
Liegt im digitalen Euro die Zukunft des Geldes? Künftig soll er die Auswahlmöglichkeiten an Zahlungsmitteln für die Bürger Europas erweitern. Jan Greitens, Referatsleiter für Unternehmensfinanzierung bei der DIHK, erklärt im Gespräch, wo noch Schwachstellen im Konzept liegen, welche Vorteile die Einführung mit sich bringen kann, nennt aber auch Risiken für die Wirtschaft.
Herr Greitens, was ist der digitale Euro?
Jan Greitens: Der digitale Euro ist eine digitale Form des gesetzlichen Zahlungsmittels – sozusagen digitales Bargeld. Die Währung soll in Wallets, also virtuellen Geldbörsen, gehalten werden können. Da Bargeld immer weniger verwendet wird, stellt der digitale Euro für uns Bürger sicher, dass wir weiterhin Zugang zu einem gesetzlichen Zahlungsmittel haben. Wenn sich die gesamte Wirtschaft digitalisiert, soll das auch für das Bargeld gelten. Aber, um einen Punkt gleich zu sagen: Es wird keine Abschaffung des Bargeldes geplant.
Warum brauchen wir diese neue Form der Währung?
Zunächst gibt es Gründe, die recht abstrakt sind: Die Europäische Zentralbank (EZB) möchte sich gegen private und ausländische Währungskonkurrenz wappnen und die Kontrolle über das Geldsystem behalten. Auslöser war der Versuch eines Konsortiums um den Konzern Meta, der unter anderem WhatsApp betreibt, eine eigene Währung zu etablieren. Aber es gibt auch konkretere Ziele: 25 Jahre nach Einführung des Euros gibt es noch immer kein europaweites Zahlungssystem. Angesichts von zunehmenden geopolitischen Spannungen ist es für Europa wichtig, nicht abhängig von ausländischen Anbietern zu sein und gleichzeitig den Binnenmarkt zu stärken.
Was ist derzeit geplant?
Bisher waren alle Planungen der EZB auf die Bürger bezogen. Das wird als Retail-Version bezeichnet. Hier sind die Pläne schon recht ausgereift, und die EZB arbeitet derzeit die Details der Umsetzung aus. Mittlerweile haben auch die Planungen begonnen, wie die Zentralbank mit den privaten Banken effizienter zusammenarbeiten kann. Das wird als Wholesale-Version bezeichnet. Hier traut sich die EZB auch an modernere technische Lösungen heran, die häufig als Blockchain-Technologie bezeichnet werden. Leider sind die Unternehmen, die für uns als DIHK natürlich im Mittelpunkt stehen, bisher noch gar nicht berücksichtigt worden – dabei liegen hier die größten Chancen.
Welche Position vertritt die DIHK?
Die Digitalisierung der Währung ist ein notwendiger Schritt. Wir sehen aber die Fokussierung der EZB auf den Retail-Bereich kritisch. Gerade für Unternehmen bietet eine Modernisierung der Zahlungssysteme neue Optionen. Maschinen können direkt miteinander Zahlungen austauschen, Leistungen werden laufend und automatisch beglichen, in digitalen Welten wie dem Metaversum gibt es eine sichere Zahlungsmethode, kurzum: Mit programmierbaren Zahlungen können neue Geschäftsmodelle entstehen. Diesen Bereich sollte die EZB viel mehr in den Blick nehmen.
Welche Risiken sehen Sie?
Ein zentrales Risiko besteht in der Refinanzierung der Banken: Wenn mehr Zentralbankgeld gehalten wird, haben die Banken und Sparkassen weniger Einlagen zur Verfügung, um Geschäfte zu machen. Dadurch können die Kredite für Unternehmen teurer werden. Auch die Befürchtung, dass Vertrauenskrisen in das Bankensystem durch einen digitalen Euro schneller um sich greifen und Banken rascher pleitegehen, wird diskutiert.
Wie wird die EZB mit diesen Risiken umgehen?
Wie es aussieht, wird die Menge der digitalen Euros, die gehalten werden dürfen, begrenzt werden. Bisher war immer von 3.000 Euro die Rede. Das führt aber leider dazu, dass die technische Umsetzung deutlich komplexer wird: Um die Haltelimits kontrollieren zu können, müssen die Anzahl der Wallets und die Guthaben abgeglichen werden. Daraus folgen auch Probleme für den Datenschutz.
Welche Entwicklungen sind aus Ihrer Perspektive zu erwarten, wie geht es weiter?
Wir gehen davon aus, dass der digitale Euro kommen wird, jedoch vermutlich später als ursprünglich geplant. Im Moment sind noch viele Fragen offen, zum Beispiel, wie sich das neu gewählte EU-Parlament positionieren wird. Wichtig ist, das ganze Thema mit Nüchternheit zu betrachten. Es gibt Chancen und Risiken, die gegeneinander abgewogen werden müssen.
Interview: Jonas Schmittel und Mareike Ruhl
Aktuell laufen zum digitalen Euro Abstimmungen auf politischer Ebene: Die investigative Phase der EZB ist bereits abgeschlossen. Bis zur geplanten Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes müssen sich die EZB, der Europäische Rat und das Europäische Parlament auf einen gemeinsamen Vorschlag verständigen. Zum aktuellen Stand hat die DIHK eine Stellungnahme veröffentlicht.
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