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Gut gepolstert zur Bank

Die gelernte Glasgestalterin Annkathrin Winarski macht jetzt in Möbel. Ihre Manufaktur in Kühlungsborn hat sie in der Nachfolgebörse Nexxt Change entdeckt.
Dunkelbraun-gebrannte Arme und Beine. Der Körper bedeckt mit vornehmlich grauen Geldscheinen. Einige sind auch grün oder rosa. So sieht der Sessel aus, an den sich Ann­kathrin Winarski gerne zurückerinnert. Mit dem ist sie geradewegs in eine Bank marschiert. Der Kundenberater war so begeistert von dieser Idee und ihrem Unternehmenskonzept, dass sie mit einer Kreditzusage glücklich wieder nach Hause ging. Die Polstermöbelmanufaktur starlet wohnkultur in Kühlungsborn konnte ein neues Projekt in Angriff nehmen.
Das alles ist jetzt etwa zwei Jahre her. Damals hatte Annkathrin Winarski bereits eineinhalb Jahre lang die Geschäfte der Firma geführt, als ihr Stofflieferant aus den Niederlanden plötzlich den Betrieb einstellte. „Meine verlässliche Quelle war plötzlich nicht mehr da“, erinnert sich die 41-Jährige.
„Ich musste deshalb unerwartet Geld investieren und eine komplette Stoffkollektion neu organisieren. Das heißt: neue Stoffe finden, Kollektionsbücher für die Firmenkunden wie Raumausstatter, Möbelhäuser oder Innenarchitekten anfertigen, Stoffballen einkaufen und einiges mehr.“

Kunden haben Qual der Wahl aus über 2.000 Stoffen

In ihrer Polstermöbelmanufaktur stellt Winarski seit Januar 2015 mit ihren heute 23 Mitarbeitern jegliche Möbel her, die gepolstert sind: vom Stuhl über Sofas und Betten bis hin zu verwandelbaren Wohnlandschaften. Außerdem können Kunden hier ihre ausgedienten Lieblingsstücke aufarbeiten lassen. Dabei haben sie die Qual der Wahl aus über 2.000 verschiedenen Stoffen aus aller Welt. Die Muster sind schlicht, maritim, geblümt und vieles mehr. „Der Trend geht wieder zu farbenfrohen und geblümten Möbeln“, weiß die Unternehmerin.
Selbst würde sich die gebürtige Schleswig-Holsteinerin gar nicht als Unternehmerin bezeichnen. „Ich würde eher sagen, ich verwirkliche mich – und das mit Leidenschaft.“ Geholfen hat ihr dabei die Unternehmensnachfolge-Börse Nexxt Change, bei der auch die IHK zu Rostock Partner ist. Hier suchte und fand Annkathrin Winarski 2014 eine Firma, die sie übernehmen kann. Der einstige Besitzer wollte in den Ruhestand gehen. Der Betrieb stand bereits still, die Angestellten waren entlassen worden.
„Hier konnte ich Kreatives mit Kaufmännischem verbinden. Das hat mich direkt angesprochen“, sagt die gelernte Glasgestalterin, die nach ihrer Ausbildung im bayerischen Wald noch ein duales BWL-Studium in Lübeck drangehängt hat.
„Auf der Suche nach einem Unternehmen, bei dem ich dieses Duale Studium machen konnte, kam mir auch mein früheres Engagement beim Erdbeer-Hof Warnsdorf bei Lübeck zu Gute. Der damalige Chef Karl-Heinz Dahl kannte mich noch als Ferienjobberin und war sofort bereit, mir das zu ermöglichen“, ist ­Winarski heute noch dankbar.
Kaum hatte sie 2005 den Abschluss in der Tasche, holte Dahls Sohn Robert, heutiger Geschäftsführer der Karls Markt OHG, sie nach Rövershagen als seine persönliche Assistentin. „Hier war ich unter anderem zuständig für die vielen Saisonkräfte in der Erdbeer-Saison. Es hat sehr viel Spaß gemacht, aber irgendwann dachte ich: Die gesamte Energie, die ich hier reinstecke, könnte ich auch für etwas Eigenes nutzen.“ Und so gründete Annkathrin Winarksi, inzwischen zur Diplomkauffrau weitergebildet, zunächst eine Personalagentur, die nach eigenen Angaben von Anfang an sehr gut lief, da sie bereits gute Kontakte in der Branche hatte. Doch irgendwann fehlte ihr der kreative Teil bei ihrer Arbeit und da kam die Nachfolgebörse Nexxt Change ins Spiel.

Internationale Mannschaft aus Nähern und Polsterern

Viele hätten ihr von dem Schritt, die starlet wohnkultur in Kühlungsborn zu übernehmen, abgeraten. Die Branche stirbt aus, habe man ihr gesagt – vor allem wegen des Mindestlohns und der billigen Konkurrenz aus Osteuropa und Asien. Aber die Schwaanerin ließ sich nicht abhalten, lernte den ehemaligen Chef und die gekündigten Mitarbeiter kennen, „um mir ein Bild zu machen, mit wem ich mir eine Zusammenarbeit vorstellen konnte.“ Im Januar 2015 dann begann sie mit einer Angestellten das Abenteuer, und als nach und nach wieder Aufträge reinkamen, wuchs ihre Mannschaft schnell wieder auf zwölf Mitarbeiter. Zu ihnen zählen Näher, Polsterer, Lackierer, Bürokräfte, Fahrer und Verkäufer. Ebenso wie ihre Stoffe kommen ihre Angestellten aus der ganzen Welt. Die beiden Syrer Mohamad Al Kudaimi und Mohammed Shipan haben sich sogar in der Möbelmanufaktur von Winarski wiedergefunden, nachdem sich die damaligen Kollegen aufgrund der Unruhen in Damaskus aus den Augen verloren hatten. „Die beiden Polsterer sind ein echter Glücksgriff für mich“, sagt die 41-Jährige.

Expansionspläne sind noch voll im Gange

Ihr Erfolgskonzept ist eine Mischung aus Altbewährtem und neuen Ideen. Während diverse Schnittmuster und Möbelmodelle von früher weiterhin verwendet werden konnten, wollte sich Annkathrin Winarski nicht so wie ihr Vorgänger nur auf die Produktion für den Möbelhandel beschränken. „Die Gewinnmargen sind hier nicht so hoch.“ Stattdessen setzt sie auf Werksverkauf in Kühlungsborn, und 2017 hat sie jeweils ein Möbelgeschäft in Wismar und eines in Rostock eröffnet. Ende 2018 kam ein weiterer Standort in Bad Malente (Schleswig-Holstein) hinzu.
Die Expansionspläne sind noch lange nicht abgeschlossen.
„Aktuell suche ich ein Gewerbegrundstück oder eine Halle für die Polstermöbelmanufaktur und den Verkauf ab 1.000 Quadratmetern zwischen Rostock und Kühlungsborn, gerne mittendrin oder an der B105“, erzählt die starlet-Chefin.
Außerdem ist sie gerade dabei, einen Möbelkonfigurator entwickeln zu lassen, der es ihren Kunden erleichtern soll, sich die ausgewählten Möbel in Form und Design vorzustellen.
Falls Annkathrin Winarski für ihre Zukunftspläne wieder eine solide Finanzierung auf die Beine stellen muss, könnte sie ja wieder mit einem schicken Polstermöbel bei der Bank erscheinen. Mit dem mit Geldscheinen bedruckten Sessel ist das allerdings nicht mehr möglich. Das gute Stück steht seither als Leihgabe bei der Bank, die ihr seinerzeit bei der Investition für die neue Stoffkollektion geholfen hat.

Zahlen und Fakten

  • 198 Modelle gehören zum Polstermöbelsortiment
  • 90 Sofagarnituren werden pro Monat etwa produziert
  • 5.310 einzelne Stoffelemente müssen für die Stoffbezüge dieser Garnituren zusammengenäht werden.
  • 1,5 Kilometer Stoff und 7,2 Kilometer Nähgarn werden pro Monat verbraucht. 
  • 2,5 Kilometer Wellenfedern und 0,5 Millionen Tackernadeln werden verarbeitet, mit denen Stoffe, Schaumstoffe und weitere Materialien am Holzgestell „festgeschossen“ werden.
Karen Mühlbach