Existenzgründung im Groß- und Einzelhandel

Wie gründe ich ein Einzelhandelsunternehmen?

Der Einzelhandel hat eine Schlüsselfunktion bei der Vermarktung von Gütern und der Befriedigung von Konsumbedürfnissen, da er die Verbindung zum Endkunden herstellt. Gleichzeitig ist ein attraktiver Einzelhandelsbesatz auch eine entscheidende Komponente für die Belebung der Innenstädte und Nebenzentren und fördert in Form einer Symbiose auch viele andere Wirtschaftsbereiche, von der Gastronomie über Dienstleistungen bis hin zum Tourismus.
Nach wie vor gibt es im Einzelhandel eine hohe Zahl von Existenzgründungen, auch wenn diese insgesamt rückläufig ist. Da die Einzelhandelsbranche einen nachhaltigen Strukturwandel durchläuft, ist die Gründung in diesem Bereich allerdingst mit erheblichen finanzellen und persönlichen Risiken verbunden. Über den Erfolg und die Zukunft eines Unternehmens entscheiden, wie in anderen Branchen auch, der Markt und die Fähigkeit des Unternehmens, sich richtig auf ihn einzustellen. Darüber hinaus sind im Einzelhandel aber auch der Standort und die Einbindung in Kooperationsformen zentrale Erfolgsfaktoren. Sie sollten Ihre Existenzgründung vor diesem Hintergrund sorgfältig planen und vorbereiten. Mit diesem Infoblatt wollen wir Sie über die besonderen Aspekte einer Existenzgründung im Einzelhandel informieren.

1. Gewerberechtliche Voraussetzungen

Die Gründung eines Einzelhandelsunternehmens ist bis auf wenige Ausnahmen genehmigungsfrei und nur beim Gewerbeamt anzumelden. Ausschlaggebend für den Ort der Anmeldung ist der künftige Firmensitz.
Beim Handel mit Lebensmitteln müssen gewisse Vorschriften der Lebensmittelhygiene und Personalhygiene beachtet werden. Erforderlich ist die Vorlage einer Bescheinigung über eine Erstbelehrung des örtlichen Gesundheitsamtes nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).
Der Handel mit Waffen und Munition unterliegt einer strengen Kontrolle.
Für den Einzelhandel mit freiverkäuflichen Arzneimitteln außerhalb der Apotheken bedarf es der nachgewiesenen Sachkenntnis des Unternehmers.

2. Ermittlung des Marktvolumens

Eine wichtige Entscheidungshilfe bei der Standortwahl für Ihr Ladengeschäft sind die Kaufkraftdaten der Region. Die allgemeine Kaufkraft bzw. die Kaufkraft des Einkommens ist die Summe aller Nettoeinkünfte (Nettoeinkünfte plus Einnahmen aus Ersparnissen und Kreditaufnahme abzüglich Bildung von Ersparnissen und Schuldentilgung), die der Bevölkerung für Konsum oder andere Zwecke zur Verfügung stehen. Die letztendlich dem Einzelhandel zufließende einzelhandelsrelevante Kaufkraft gibt das Potential für den Einzelhandel an. So genannte Kaufkraftkennziffern setzen die Höhe der durchschnittlichen Nettoeinkommen ins Verhältnis zum Bundesdurchschnitt.
Die Kaufkraft wird nicht immer an ihrem Entstehungsort ausgegeben. Informationen über Kaufkraftströme enthält die so genannte Zentralitätskennziffer. Die Einzelhandelszentralität eines Ortes beschreibt das Verhältnis des am Ort getätigten Einzelhandelsumsatzes zu der am Ort vorhandenen einzelhandelsrelevanten Kaufkraft. Je größer die Zentralität eines Ortes ist, desto größer ist die Sogkraft auf die Kaufkraft im Umland. Faktoren für die Zentralität eines Ortes sind z.B. der Branchenmix, die Verkehrsanbindung oder die Qualität und Quantität der Verkaufsfläche.
Das Marktvolumen Ihrer Branche an dem von Ihnen gewählten Standort errechnet sich aus der Einwohnerzahl (bzw. Anzahl der Haushalte) im Einzugsbereich, die mit der Kaufkraftkennziffer und den Verbrauchsangaben des betroffenen Produkts multipliziert wird. Das Produkt wird durch 100 geteilt. Als Ergebnis erhalten Sie die Höhe der örtlichen Verbrauchsausgaben (Marktvolumen = Einwohner x Verbrauchsausgaben x Kaufkraftkennziffer/100).
Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bietet aufgrund einschlägiger Studien eine Vielzahl detaillierter Informationen für eine optimale Vorbereitung.

3. Standortbewertung

Ganz entscheidend für die Erfolgschancen Ihres Unternehmens ist der Standort. Um Hinweise auf die Qualität des von Ihnen gewählten Standortes zu bekommen, sollten Sie Informationen von Ihrem Vermieter, Inhabern benachbarter Geschäfte, Ihrem Vorgänger und anderen mit der Örtlichkeit und dem regionalen Verbraucherverhalten vertrauten Personen einholen. Von Interesse wäre hier beispielsweise die Häufigkeit des Inhaberwechsels Ihres Ladenlokals während der letzten Jahre, die darin vertretenen Branchen oder die Gründe der Geschäftsaufgabe. Darüber hinaus spielt die Attraktivität der unmittelbaren Umgebung eine wichtige Rolle; u.a. die Branchenzusammensetzung, das Vorhandensein von Magnet- und Gastronomiebetrieben oder die Aufmachung der Geschäfte (Gestaltung der Auslagen, Sauberkeit usw.).
Passt Ihr Geschäft zum vorhandenen Besatz? Wichtig ist auch die Besucherfrequenz im von Ihnen avisierten Gebiet. Gibt es genügend Laufkundschaft? Fragen Sie ggf. Kunden in der Straße, die für Ihre Ansiedlung in Frage kommen, nach ihren Einschätzungen. Im Einzelhandel ist der Faktor Standort zentral ist. In einer vergleichsweise schlechten Lage sparen Sie zwar Miete, machen dafür aber erheblich weniger Umsatz. Der tatsächlichen Frequentierung des ausgewählten Standortes kommt daher eine entscheidende Bedeutung zu.

4. Verkehrssituation

Auch die Verkehrssituation des von Ihnen gewählten Standortes hat einen großen Einfluss auf die Anzahl und Art Ihrer Kunden sowie die Höhe des pro Kunden getätigten Umsatzes. Von Bedeutung ist hier die Erreichbarkeit Ihres Ladenlokals (Parkplatzsituation, öffentlicher Personennahverkehr). Berücksichtigen Sie bei Ihren Überlegungen auch, ob sich die bestehende Verkehrssituation in naher Zukunft ändern wird und sich somit eventuell positiv oder negativ auf den von Ihnen gewählten Standort auswirkt. Die wichtigsten Kriterien der Verkehrssituation sind
  • die Anbindung an das bestehende Verkehrsnetz im öffentlichen Personennahverkehr (in welcher Entferung befinden sich Haltestellen?)
  • die Beurteilung der Parkplatzsituation (Ist das Geschäft mit dem PKW zu erreichen? Gibt es genügend Kundenparkplätze? Stehen die Parkplätze den Kunden kostenlos zur Verfügung? Bleiben die vorhandenen Parkplätze langfristig erhalten?)
  • die Zukunftsperspektiven (Ist z.B. eine Veränderung der Straßenführung, der Neubau eines Parkhauses geplant? Informationen über anstehende Maßnahmen erhalten Sie beim Amt für Wirtschaft Ihrer Gemeinde oder dem Bürgermeisteram bzw. durch die Befragung von Insidern.)

5. Wettbewerbsanalyse

Unmittelbare Konkurrenten oder Wettbewerber für Sie sind Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen gleicher oder ähnlicher Art im Einzugsgebiet Ihres Unternehmens anbieten und somit um die Kaufkraft der Kunden mit Ihnen konkurrieren. Um Ihre Chancen gegenüber den Wettbewerbern zu ermitteln, sollten Sie die für Sie relevante Konkurrenz zunächst quantitativ erfassen. Unterscheiden Sie beispielsweise nach guter, befriedigender und schlechter Merkmalsausprägung und vergeben Sie entsprechend Punkte. Je höher die erreichte Punktzahl eines Wettbewerbers, umso mehr kann Ihr Geschäft durch ihn beieinflusst werden.
Wichtige Aspekte hierbei sind:
  • der Auftritt nach außen (Werbung, Ladengestaltung, Schaufenster, Image)
  • der Verkaufsraum (Platzangebot, Warenpräsentation)
  • das Sortiment (Sortimentsbreite, Sortimentstiefe, Qualitätsniveau, Preislage)
  • der Service (Servicepalette, Bedienung, Beratung)
  • die Kundschaft (Wie ist die Kundenstruktur? Wie ist die Kundenfrequenz?)
  • der Standort
  • die Parktflächen
  • die Lieferanten

6. Bewertung des Ladenlokals

Sie sollten das Ihnen angebotene Ladenlokal anhand einer Checkliste beurteilen und daraus die Kosten und die Handlungserfordernisse ableiten.
Wichtige Kriterien sind u.a.:
  • die Außenfront (Ist die Fassade modern gestaltet? Besteht die Möglichkeit, Außenwerbung gut sichtbar anzubringen? Ist Sonnenschutz gewährleistet?)
  • die Eingangszone (Ist der Eingang an einer günstigen Stelle im Passantenstrom und von der Straße her gut einsehbar? Ist eine Begehung ungehindert möglich?)
  • die technische Einrichtung (Stromversorgung, Heizung, Lüftung, Klimaanlage, ggf. Aufzug für Personen und Waren)
  • die Beleuchtung (Ist die Raumbeleuchtung ausreichend und zweckmäßig?)
  • die Ausstattung (Wie ist die Schaufensterlage? Ist genügend Dekorationsfläche vorhanden? Ist der Verkaufsraum zweckmäßig und ansprechend gestaltet?)
  • der Verkaufsraum (Bietet der Verkaufsraum eine gute Begehbarkeit und Bewegungsmöglichkeit für Kunden und Mitarbeiter? Ist er für Rollstuhlfahrer nutzbar?)
  • die Warenlieferung (Gibt es eine Haltemöglichkeit an der Warenannahme? Besteht bei der Warenannahme die Notwendigkeit von technischen Hilfsmitteln?)
  • die Höhe der Miete (Wie hoch ist die Miete pro Quadratmeter? Ist die Miete ortsüblich?)

7. Einkaufsgemeinschaften

Es wurde oben bereits erwähnt, dass Kooperation eine wichtige Überlebensstrategie für den Facheinzelhandel ist. Einkaufsgemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Einzelhändlern einer Branche, bei denen es historisch zunächst nur darum ging, durch Bündelung des Einkaufs von Waren günstigere Einkaufspreise zu erzielen. Mittlerweile erschließen sich diese Verbundgruppen des Handels aber auch andere Synergien, z.B. in der Werbung oder der Gestaltung des Internet-Auftritts.
Wenn Sie sich in einer bereits gut besetzten Einzelhandelssparte, wie z.B. Schuhe, betätigen wollen, so ist dies heute in der Regel nur über die Beteiligung an einer Einkaufsgemeinschaft möglich. Andernfalls entstünden Ihnen zu hohe Beschaffungskosten. Informationen über Verbundgruppen des Einzelhandels erhalten Sie u.a. beim
DER MITTELSTANDSVERBUND – ZGV e.V.
Verbändehaus für Handel, Dienstleistung, Tourismus
Am Weidendamm 1 a
10117 Berlin
Tel.: 030/590099-0
Email: info@mittelstandsverbund.de
Internet: www.mittelstandsverbund.de

8. Franchising

Eine interessante Kooperationsform, die über den gemeinsamen Einkauf regelmäßig weit hinausgeht, ist das sogenannte Franchising. Bekannte Beispiele für Franchising finden sich in fast allen Branchen: Gastronomie (“Domino’s Pizza Deutschland GmbH”, “NORDSEE”) , Beherbergung (“SMARTY”), Dienstleistungsbetriebe (“TUI”, “Mrs. Sporty”, “Musikschule Fröhlich”) und eben auch Einzelhandel (“Tchibo”, “Fressnapf” und “Blume 2000”). Nach einer Umfrage des Deutschen Franchiseverbandes e.V. rechnen sich 38 % der Franchisegeber dem Dienstleistungssektor, 30 % dem Gastronomie-Freizeitsektor zu, 27% stammen aus der Handelssparte und 11 % dem Handwerk (Franchisestatistik 2021). Das Leistungsprogramm des jeweiligen Franchise-Gebers ist das sogenannte Franchise-Paket. Es besteht aus einem Beschaffungs-, Absatz- und Organisationskonzept, dem Nutzungsrecht an Schutzrechten, der Ausbildung des Franchise-Nehmers und der Verpflichtung des Franchise-Gebers, den Franchise-Nehmer aktiv zu unterstützen und das Konzept ständig weiterzuentwickeln. Sie als Franchise-Nehmer sind im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig; Sie haben das Recht und die Pflicht, das Franchise-Paket gegen Entgeld zu nutzen. Als Leistungsbeitrag liefern Sie Arbeit, Kapital und Information.