Was das neue Sorgfaltspflichtengesetz für Unternehmen bedeutet
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ist zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Wir stellen Ihnen umfangreiche Informationen, u. a. zu Unterstützungsmöglichkeiten für Unternehmen, zur Verfügung.
Allgemeines
Nachdem die Bundesregierung die Selbstregulierung der Wirtschaft als gescheitert angesehen hat (siehe Nationaler Aktionsplan), hat das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gemeinsam mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Initiative für ein Sorgfaltspflichtengesetz übernommen. In diesem Kontext wurde am 16. Juli 2021 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz erlassen. Das Gesetz trat am 01.01.2023 in Kraft.
Das Gesetz legt rechtlich verbindliche Sorgfalts- und Handlungspflichten hinsichtlich international anerkannter Menschenrechte fest. Unternehmen werden im eigenen Interesse dazu angehalten, drohende Verstöße gegen Menschenrechte zu erkennen und abzustellen.
Hintergründe und Auswirkungen auf Unternehmen
- Welchen Zweck hat das Gesetz?
Grundgedanke des Gesetzes ist der Schutz von Leib, Leben, Freiheit und Eigentum, wobei sich das Sorgfaltspflichtengesetz an dem weiten Menschenrechtsbegriff der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrecht und der Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung orientiert, der auch arbeits- und sozialrechtliche Standards sowie den Umweltschutz umfasst. Soweit also bestimmte Umweltrisiken zu Menschenrechtsverletzungen führen können, werden auch diese vom Gesetz umfasst.
- Für wen gilt das Sorgfaltspflichtengesetz?
Das Gesetz ist ab 2023 für Unternehmen mit in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmern und Hauptverwaltung, Hauptniederlassung oder Sitz in Deutschland anwendbar. Ab 2024 sinkt die Schwelle auf 1.000 Arbeitnehmer, wobei anschließend eine erneute Evaluierung stattfinden soll.Der Grad der Betroffenheit für Lieferanten von Unternehmen mit mind. 3.000 oder dann 1.000 Arbeitnehmern wird unterschiedlich sein.Sie hängt einerseits von der Kundenstruktur des Unternehmens ab:
- Wie viele Ihrer direkten und mittelbaren Kunden unterliegen dem Lieferkettengesetz?
- Welchen Umsatzanteil tragen die Leistungen an diese Kunden zum Gesamtumsatz Ihres Unternehmens bei?
Und sie hängt andererseits davon ab, welche Anforderungen diese Kunden laut Gesetz an das Unternehmen als Zulieferer zu stellen haben. Dies hängt wiederum im Wesentlichen von drei Faktoren ab.- Für wie risikoanfällig hält der Gesetzgeber die Lieferkette des von Ihnen belieferten Unternehmens hinsichtlich Verletzungen von Menschenrechte und zugehörige Umweltrisiken?
- Welche Einflussmöglichkeiten vermutet der Gesetzgeber bei dem belieferten Unternehmen auf seine Zulieferer und insbesondere auf Ihr Unternehmen?
- Wie bedeutsam sind öffentliche Ausschreibungen für Ihre Kunden? (Ein Ausschluss von bis zu drei Jahren von Öffentlichen Ausschreibungen ist für Ihren Kunden gemäß § 22 bei bestimmten Gesetzesverstößen möglich, die sich auch aus dem Umgang mit seinen Lieferanten ergeben können).
- Das Risikomanagementsystem
Unternehmen werden diverse Sorgfaltspflichten auferlegt, die zudem von organisatorischen Pflichten und Veröffentlichungspflichten flankiert werden.Von zentraler Bedeutung ist die Einrichtung und wirksame Umsetzung eines angemessenen Risikomanagementsystems. Hier ist die Zuständigkeit einer Person zu benennen, die die Geschäftsleitung regelmäßig mindestens einmal jährlich, über die Arbeit informiert.In diesem Zusammenhang sollen potenzielle und tatsächliche Risiken von Menschenrechtsverletzungen wie Zwangsarbeit, Sklaverei, Kinderarbeit, Diskriminierung, problematische Anstellungs- und Arbeitsbedingungen oder auch Umweltschädigungen identifiziert, ihrer Verwirklichung vorgebeut sowie Verletzungen beendet werden.Das Risikomanagement beinhaltet auch die Risikoanalyse, nämlich die Prüfung, an welcher Stelle der Lieferkette ein potenzielles Risiko für Menschenrechte besteht. Darunter fällt die Betrachtung sämtlicher Prozesse von der Gewinnung der Rohstoffe über die Produktherstellung bis hin zu Lieferung an den Endkunden bzw. der (End-) Verwertung. Unternehmen müssen anschließend Maßnahmen ergreifen, um Verstößen gegen die Menschenrecht vorzubeugen, diese zu minimieren und zu beheben.
- Unmittelbare und Mittelbare Zulieferer
Betroffene Unternehmen müssen gewährleisten, dass es sowohl im eigenen Geschäftsbereich als auch bei ihren eigenen Lieferanten, also den unmittelbaren Zulieferern, zu keinen Menschenrechtsverstößen kommt.Mittelbare Zulieferer bis hin zum Lieferanten der Rohstoffe müssen abgestuft überprüft werden, eine Risikoanalyse jedoch muss nur dann vorgenommen werden, wenn Beschwerden der Mitarbeiter des mittelbaren Zulieferers das deutsche Unternehmen erreichen.Sowohl bei der
- Pflicht zur Risikoanalyse als auch bei der
- Verpflichtung zur Ergreifung von Folgemaßnahmen
soll es sich nicht um eine Erfolgspflicht, sondern um eine Bemühenspflicht handeln und der Abbruch der Geschäftsbeziehungen sollte nur ultima ratio sein. - Vereinbarungen mit Lieferanten treffen
So könnten im Vorfeld beispielsweise Lieferantenvereinbarungen geschlossen werden, die auf einen verbindlichen Verhaltenskodex verweisen oder es könnten Lieferantenverpflichtungen festgelegt werden, die dafür sorgen, dass Compliance-Standards entlang der Lieferkette eingehalten werden.Als Folge ist die vertragliche Fixierung von Sanktionen wie Kündigungsrechten und Schadensersatzansprüchen ebenso denkbar wie der Nachweis von Schulungen.Neben der Wirksamkeit muss das Risikomanagement angemessen sein, wobei unklar ist, was die Angemessenheit im Einzelfall bedeutet. Jedenfalls richten sich die in der Lieferkette zu ergreifenden Maßnahmen nach
- der Art und Umfang der Geschäftstätigkeit,
- dem Einflussvermögen des Unternehmens auf Verletzer,
- der Wahrscheinlichkeit einer Verletzung und
- der Schwere eines möglichen Schadens.
- Risikoanalyse und Maßnahmen
In einer Grundsatzerklärung müssen betroffene Unternehmen zudem insbesondere die Ergebnisse der Risikoanalyse und die getroffenen Maßnahmen zur Vorbeugung von Menschenrechtsverletzungen niederlegen und jährlich auf der Homepage unter anderem über die identifizierten Risiken sowie die zukünftige Strategie berichten.
- Haftung der Unternehmen bei Menschenrechtsverletzungen
Der Gesetzentwurf enthält keine eigenständige Haftungsregelung, sodass Fragen der Haftung für die Verletzung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten grundsätzlich den allgemeinen Regeln unterliegen.Dass deutsche Gerichte über einen Sachverhalt entscheiden, der in einem anderen Staat stattgefunden hat, ist nicht ungewöhnlich. Denn für Klagen gegen ein Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind die deutschen Gerichte international zuständig (Art. 4 Absatz 1, 63 EuGVVO). Allerdings müssen die Gerichte gemäß Art. 4 Absatz 1 ROM II-VO in erster Linie das Recht des Staates anwenden, in dem der Schaden eingetreten ist.
- Welches nationale Recht kommt zur Anwendung?
Ein praktisches Beispiel: Wenn sich beispielsweise mangels Brandschutz in einer Fabrik im Ausland ein Unfall ereignet, kommt deutsches Recht im Regelfall gar nicht zur Anwendung, vielmehr gilt das Recht am Brandort. Die Befürchtung, dass geschädigte Mitarbeiter in diesem Fall keine ausreichende Kompensation ihrer Schäden erhalten könnten, weil Defizite in der lokalen Rechtsordnung und Schwierigkeiten in der Rechtsdurchsetzung bestehen könnten, ist verständlich - demgegenüber wird deutsches Recht häufig als schutzintensiver wahrgenommen.Dennoch gilt es, den völkerrechtlichen Grundsatz der Gleichwertigkeit aller Rechtsordnungen nicht außer Betracht zu lassen: Eine ausländische Rechtsordnung sollte nicht deshalb abgelehnt werden, weil der dortige Rechtsstandard als ungenügend empfunden wird. Es gilt darauf hinzuwirken, dass bei internationalen Lieferkettengeschäften Lösungen auch auf internationaler Ebene erreicht werden Eine intensivere Kooperation mit den jeweiligen Regierungen zur Einhaltung internationaler Standards wäre sinnvoll mit dem Ziel, dass die betroffenen Länder die Rechtslage vor Ort verbessern.Dies kann sich jedoch ändern. So hat der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments am 11. September 2020 den Entwurf eines Berichts mit Empfehlungen an die Kommission zur Sorgfaltspflicht und Rechenschaftspflicht von Unternehmen veröffentlicht, der auch eine Änderung der Rom-II-VO vorsieht. Nach einem neuen Art. 6a Rom-II-VO soll der Geschädigte bei einer Menschenrechtsverletzung innerhalb der Lieferkette ein Wahlrecht haben. Ansprüche sollen neben dem nach Art. 4 Absatz 1 Rom-II-VO ermittelten Recht auch auf das Recht am Handlungsort, das Recht am Sitz oder am Tätigkeitsort der Muttergesellschaft gestützt werden können.Damit können Geschädigte Ansprüche auch nach deutschem Recht geltend machen, wenn der Sachverhalt zum Beispiel auf einer Geschäftsführerentscheidung in Deutschland beruht, also dem Handlungsort.Künftig soll es möglich sein (jedenfalls nach dem derzeitigen Entwurf des Sorgfaltspflichtengesetzes), dass sich Geschädigte im Wege der Prozessstandschaft sowohl von Nichtregierungsorganisationen als auch Gewerkschaften vor deutschen Gerichten vertreten lassen können, wenn es um Verstöße gegen Standards in der Lieferkette geht.
- Was bedeutet das Gesetz für kleine und mittlere Unternehmen?
Es ist zu erwarten, dass nicht nur Unternehmen, die aufgrund ihrer Größe direkt betroffen sind, die Auswirkungen des Sorgfaltspflichtengesetzes auf ihre unternehmerischen Abläufe spüren werden. Die Tendenz, dass größere Unternehmen Nachweise auch von ihren kleineren Vertragspartnern einfordern, was deren menschenrechtlich und umweltbezogen verantwortungsbewusstes Handeln betrifft, gibt es seit Längerem. Diese Tendenz dürfte durch das Gesetz bestärkt werden.Viele Unternehmen setzten sich schon seit geraumer Zeit gezielt damit auseinander, wie sie dem Prinzip unternehmerischer Sorgfalt nachkommen können und wie sie entsprechende Nachweise - auch wenn diese rechtlich nicht verpflichtend sind - ihren größeren Geschäftspartnern bei Bedarf vorlegen können. Nicht selten ist das gerade für kleinere Unternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden.Da der Regelungsansatz des Sorgfaltspflichtengesetzes in der jetzigen Form durchaus anspruchsvoll ist, bleibt zu hoffen, dass kleine und mittelständische Betriebe durch ihre übersichtlichen Strukturen Vorteile ziehen können und dadurch in die Lage versetzt werden, auf ihr Geschäft bezogene Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Diese - wie die gesamte gewerbliche Wirtschaft - sind sich ihrer Verantwortung des Ehrbaren Kaufmanns durchaus bewusst.Es gibt unzählige Beispiele für Unternehmen, die schon jetzt und ohne rechtliche Verpflichtung, die Wahrung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten zu einem zentralen unternehmerischen Prinzip erklärt haben. Es bleibt zu hoffen, dass die Umsetzung des Gesetzes flankiert wird von entsprechenden Tools, Hilfestellungen und zielgerichteten Informationen, sodass Unternehmen in dieser Haltung gestärkt werden können.Gleichzeitig müssen kleinere Unternehmen Achtgeben, sich nicht durch neue Verpflichtungen einseitig benachteiligen zu lassen. Auch im Geschäftsverkehr hat die Vertragsfreiheit seine Grenzen und insbesondere zu weitreichende Audit-Klauseln sowie unklare Vertragsstrafen-Regelungen können von Gerichten als “unangemessene Benachteiligung” eingestuft und für unwirksam erklärt werden.
- Übersicht zu Sorgfalts- und Handlungspflichten
Diese Pflichten kommen auf betroffene Unternehmen zu:
- Einführung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements
- Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit
- Risikoanalyse: Verfahren zur Ermittlung nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte durchführen
- Pflicht zu Folgemaßnahmen:
- Im Fall einer Verletzung muss das Unternehmen im eigenen Geschäftsbereich unverzüglich Abhilfemaßnahmen ergreifen, die zwingend zur Beendigung der Verletzung führen. Zudem muss es weitere Präventionsmaßnahmen einleiten.
- Wenn das Unternehmen die Verletzung beim unmittelbaren Zulieferer nicht in absehbarer Zeit beenden kann, muss es einen konkreten Plan zur Minimierung und Vermeidung erstellen.
- Erlangt das Unternehmen Kenntnis von einem möglichen Verstoß bei einem mittelbaren Zulieferer, so hat es unverzüglich angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern.
- Der Abbruch der Geschäftsbeziehung gilt nur als ultima ratio.
- Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte verabschieden
- Beschwerdemechanismus und Berichterstattungspflicht etablieren
- Bemühenspflicht und Prinzip der Angemessenheit umsetzen
- Sechs Schritte zum nachhaltigen Lieferkettenmanagement
Wie lassen sich internationale Liefer- und Warenströme nach sozialen und ökologischen Kriterien ausrichten und sich dadurch auch Risiken minimieren? Durch eine partnerschaftliche Lieferantenbasis und einer hohen Beschaffungsqualität kann zugleich die eigene Wettbewerbssituation verbessert werden. Hierbei spielen folgende Punkte eine Rolle.
1. Ausgangslage erfassen
Als Grundlage für ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement sollten Sie sich einen Überblick über die Anforderungen Ihrer Stakeholder (Anspruchsgruppen), der Struktur Ihrer Lieferkette und die sozialen und ökologischen Risiken verschaffen.- Wer sind Ihre Anspruchsgruppen (z.B. Kunden, Einkäufer, Investoren, Zivilgesellschaft) und welche Erwartungen haben diese?
- Wer sind die Akteure entlang Ihrer Lieferkette?
- An welchen Stellen Ihrer Lieferkette ist das Risiko nachteiliger sozialer und ökologischer Auswirkungen besonders groß (z.B. in welchem Land, bei welchem Produktionsschritt oder in welcher Branche)?
2. Strategie und Erwartungshaltung an Lieferanten definieren
Definieren Sie eine Beschaffungsstrategie sowie eine Erwartungshaltung (Lieferantenkodex) an Ihre Lieferanten hinsichtlich Umwelt- und Sozialstandards. Sie können sich dabei an relevanten, bereits existierenden Standards orientieren, wie z.B. an den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).Stellen Sie sicher, dass Ihre Erwartungshaltung an alle Lieferanten kommuniziert wird, z.B. über den persönlichen Dialog mit dem Einkäufer oder über einen Kundenbrief.3. Maßnahmen festlegen
Unter Berücksichtigung des jeweiligen Risikos sowie der Bedeutung des Zulieferers für Ihr Unternehmen können sie konkrete Maßnahmen für die Zulieferer definieren. Je nach Risiko und Bedeutung des Zulieferers können dies z.B. sein:- Verpflichtung des Zulieferers zum Lieferantenkodex
- Selbstbeurteilung des Zulieferers
- Beurteilung des Lieferanten vor Ort und im Gespräch
- Audit durch einen externen Dienstleister.
4. Umsetzung sicherstellen
Wurden die geplanten Maßnahmen zur Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards entlang der Lieferkette eingeführt, müssen sie kontinuierlich überprüft und verbessert werden.Im Sinne einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit ist es wichtig, die Lieferanten beispielsweise durch Schulungen oder bei der Umsetzung von Korrekturmaßnahmen, die im Rahmen eines Audits festgestellt wurden, zu unterstützen.5. Messen und Berichten
Bestimmen Sie Indikatoren, um die Erfolge Ihres Lieferkettenmanagements zu verfolgen, wie z.B.- Prozentsatz der Lieferanten, welche sich dem Lieferantenkodex verpflichtet haben
- Prozentsatz der Lieferanten, welche eine Selbstbeurteilung ausgefüllt haben
- Prozentsatz der Lieferanten, welche vor Ort beurteilt wurden
- Prozentsatz der Lieferanten, welche durch einen externen Dienstleister überprüft wurden
- Anzahl der Lieferanten, mit denen die Geschäftsbeziehung aufgrund schwerer Verstöße beendet wurde
Die Indikatoren können auch als Grundlage für die Berichterstattung dienen.6. Strategien und Maßnahmen weiterentwickeln
Die oben beschriebenen Schritte und Maßnahmen sollten stets als kontinuierlicher Prozess betrachtet werden.Die Prozesse sollten an sich immer wieder kritisch bewertet und gegebenenfalls verbessert werden (z.B. den Einbezug weiterer relevanter Ansprechpartner im Unternehmen oder die Anpassung der Beschaffungsstrategie).Darüber hinaus gilt es, Ihre Lieferanten und deren Bewertungsprozesse stetig weiterzuentwickeln. Unterstützungsmaßnahmen, wie z.B. der Dialog mit den Lieferanten oder das Angebot spezifischer Schulungen können hier einen wichtigen Beitrag leisten. - BAFA - Kontrollbehörde über die Einhaltung
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat die inhaltlichen und technischen Voraussetzungen geschaffen, um seinem gesetzlichen Auftrag zur Kontrolle der Einhaltung des LkSG nachzukommen.Dafür hat das BAFA unter anderem wirksame, bürokratiearme und ressourcensparende Lösungen erarbeitet sowie Handreichungen veröffentlicht, die Unternehmen bei der Umsetzung des Gesetzes unterstützen.
Aufgaben des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle:
- zu überprüfen, ob Unternehmen ihrer Berichtspflicht nachkommen
- die Durchführung von Kontrollen
- Verstöße festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern
- die Verhängung von Zwangs- und Bußgeldern
BAFA-Handreichungen
Um die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten zu unterstützen, entwickelt und veröffentlicht das BAFA Handreichungen.Bis Mitte 2023 werden im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) der Branchendialog praxisorientierte Handlungsanleitungen zur Umsetzung der Sorgfaltspflichten in betrieblichen Managementsystemen erstellt. Die Handlungsanleitungen sollen sowohl die Anforderungen des NAP als auch des LkSG berücksichtigen. Die Bundesregierung wird darauf aufbauend im Anschluss zudem branchenübergreifende Handlungsanleitungen veröffentlichen.
Informations- und Unterstützungsangebote zur Umsetzung
- BAFA Fragenkatalog zur Berichtserstattung (Link: https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/Berichtspflicht/berichtspflicht_node.html)
- BAFA Handreichungen zur Angemessenheit und Wirksamkeit (Link: https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Lieferketten/handreichung_angemessenheit.html)
- BAFA-Handreichungen zum Beschwerdeverfahren (Link: https://www.bafa.de/SharedDocs/Downloads/DE/Lieferketten/handreichung_beschwerdeverfahren.html)
- BAFA-Handreichungen zur Risikoanalyse (Link: https://www.bafa.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/Lieferketten/2022_06_handreichung.html)
- Helpdesk berät Unternehmen (Nr. 5764396)
- Online-Zertifikatslehrgang "Nachhaltiges Lieferkettenmanagement IHK" (Nr. 5717768)
- IHK-Tipps für ein erfolgreiches nachhaltiges Lieferkettenmanagement (Nr. 5764400)
- Unternehmerischen Sorgfaltspflichten in der Lieferkette (Link: https://www.bafa.de/DE/Lieferketten/lieferketten_node.html)
EU-Lieferkettengesetz im Überblick
- Das EU-Lieferkettengesetz
Der Vorschlag für ein europäisches Lieferkettengesetz geht sowohl im Geltungsbereich als auch hinsichtlich der zu erfüllenden Sorgfaltspflichten deutlich über das deutsche Pendant hinaus. So sollen bereits Unternehmen ab 500 Beschäftigten und 150 Millionen Euro Jahresumsatz in die Pflicht genommen werden, entlang der gesamten Wertschöpfungskette menschenrechts- und umweltbezogene Risiken zu identifizieren – in einer Reihe von Branchen auch noch kleinere Unternehmen. Der aktuelle Vorschlag kann sich im Gesetzgebungsprozess noch ändern.
Anwendungsbereich (Art.2)
Bei EU-Unternehmen sind zwei Gruppen zu unterscheiden:- Gruppe 1: Alle EU-Gesellschaften mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. Euro weltweit.
- Gruppe 2: Andere Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die mehr als 250 Arbeitnehmer haben und weltweit einen Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. Euro erwirtschaften, sofern mindestens 50% dieses Nettoumsatzes in einem oder mehreren der folgenden Wirtschaftszweige erwirtschaftet wurden: Textil- und Lederindustrie, Land- und Forstwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion, Gewinnung von Rohstoffen, Verarbeitung von metallischen und nicht-metallischen Erzeugnissen sowie der Großhandel mit mineralischen Rohstoffen.
In der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten sind betroffen, wenn sie einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 bzw. Gruppe 2 innerhalb der EU erwirtschaften. Diese müssen einen Bevollmächtigten (Art.16) mit Wohnsitz in der EU bestimmen, der bei der nationalen Kontrollbehörde bekanntgegeben werden muss.Umsetzungsfristen (Art. 30)
Die Pflichten aus dieser Richtlinie sollen für die Gruppe 1 der Unternehmen (über 500 Mitarbeiter und mehr als 150 Millionen Euro Umsatz) zwei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie wirksam werden. Für Unternehmen der Gruppe 2 (über 250 Mitarbeiter, 40 Mio. Euro Nettoumsatz, Risikosektor) wird diese Frist auf vier Jahre erweitert.Umfang
Sorgfaltspflichten sind sowohl aufwärts auf allen Ebenen der Zulieferer als auch abwärts zu allen Ebenen der Kunden und Verwerter zu erfüllen. Der Finanzsektor ist ebenfalls betroffen. Entscheidend ist eine „etablierte Geschäftsbeziehung“: Laut Art. 3 ist eine direkte oder indirekte Geschäftsbeziehung gemeint, die aufgrund ihrer Intensität oder Dauer dauerhaft ist oder voraussichtlich dauerhaft sein wird und nicht nur einen unbedeutenden oder nebensächlichen Teil der Wertschöpfungskette darstellt.
Die geschützten Rechtspositionen speisen sich aus einer Reihe von internationalen Menschenrechts-, Grundfreiheits- und Umweltschutzabkommen, die im Annex zum Richtlinienvorschlag (Anlage) aufgeführt werden.Sorgfaltspflichten
Gemäß Art. 5 sollen die Unternehmen bei allen Tätigkeiten einen Sorgfaltspflichtenprozess etablieren, dokumentieren und befolgen, um auf bestehende oder potenzielle „negative Auswirkungen“ auf Mensch und Umwelt zu reagieren. Dieser Prozess soll das durch das Unternehmen verfolgte Konzept, einen entsprechenden Verhaltenskodex sowie die Beschreibung des geplanten Verfahrens und seine Umsetzung umfassen. Bei den Vorgaben zur Vermeidung, Minimierung oder Beendigung von negativen Auswirkungen unterscheiden sich die Sorgfaltspflichten jedoch nach Grad des Einflusses (direkter vs. indirekter Partner). Der Sorgfaltspflichtenprozess soll dazu dienen, geeignete Maßnahmen zu treffen, um aktuell bestehende oder potentielle negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt entlang der Wertschöpfungskette zu identifizieren (Art. 6) sowie ihnen vorzubeugen, sie zu vermeiden, zu minimieren oder sie zu beenden (Art. 7 und Art. 8). Die Unternehmen der Gruppe 2 müssen sich dabei nur auf sektorspezifische negative Auswirkungen (Art. 6 Abs. 2) fokussieren.
„Gegebenenfalls“ sollte sich das Unternehmen von seinem Geschäftspartner vertraglich zusichern lassen, dass dieser den Verhaltenskodex des Unternehmens einhält, indem er auch von seinen Partnern entsprechende vertragliche Zusicherungen einholt (vertragliche Kaskadierung, Art.7).
Handelt es sich beim direkten Vertragspartner um ein KMU, so muss dieses „gezielte und angemessene Unterstützung“ durch das direkt betroffene Unternehmen erfahren (vgl. Art. 7 Abs. 4 bzw. Art. 8 Abs. 5), um die vertraglichen Bestimmungen zur Sicherung der Sorgfaltspflichten einzuhalten. Denkbar ist die Kostenübernahme für den Beitritt zu einer geeigneten Industrieinitiative oder für die Überprüfung durch unabhängige Dritte.Managementpflichten
Die Unternehmensleiter der betroffenen EU-Unternehmen sind für die Einführung und Beaufsichtigung der genannten Sorgfaltspflichten verantwortlich, wobei Beiträge von Interessensgruppen zu berücksichtigen sind (Art.26). Bei der Erfüllung ihrer Pflicht, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln, soll die Unternehmensleitung gemäß Art.25 die Folgen ihrer Entscheidungen für die Nachhaltigkeit, gegebenenfalls auch für die Menschenrechte, den Klimawandel und die Umwelt berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten sollen hierzu auch gesetzliche Rahmen für Verstöße gegen diese Vorgaben schaffen.Beschwerde-Mechanismen
Zu unterscheiden sind ein unternehmensinternes sowie ein nationales Beschwerde-System: Um die Verletzung oder den Verdacht einer Verletzung der Sorgfaltspflichten anmelden zu können, soll das Unternehmen einen Beschwerde-Mechanismus (Art. 9) implementieren. Das Recht zur Beschwerde haben direkt betroffene Personen sowie Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen (NGO). Dem Beschwerdeführer soll neben einem Follow-Up zur Beschwerde auch ein Treffen mit Vertretern des Unternehmens eingeräumt werden. Mitgliedstaaten sollen außerdem nationale Stellen für die Bearbeitung von Verdachtsfällen aufbauen (Art. 19). Dabei sollen alle Personen, die sich an Beschwerdestellen wenden, unter die Hinweisgeberrichtlinie der EU fallen (Art. 22).Überprüfungs- und Berichtspflichten
Art. 10 schreibt vor, das eigene Handeln, das Handeln der Tochterunternehmen und der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette mindestens einmal pro Jahr zu überprüfen. Gemäß Art. 11 sollen betroffene Unternehmen regelmäßig über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten berichten (Ausnahme sind Unternehmen, die unter die Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD, fallen). Die Kommission erarbeitet im Rahmen eines delegierten Rechtsaktes einen Kriterienkatalog für die Ausarbeitung der Berichtspflicht.Weitere Pflichten für europäische Unternehmen der Gruppe 1
Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. Euro sollen einen "Übergangsplan" erstellen (Art.15). Dieser soll aufzeigen, wie das Geschäftsmodell und die Strategie des Unternehmens mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C vereinbar sind. Falls der Klimawandel als Hauptrisiko für die Geschäftstätigkeit des Unternehmens identifiziert wird, muss der Plan Ziele zur Reduktion der Emissionen enthalten. Die Einhaltung des Plans soll bei der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung berücksichtigt werden.Managementpflichten
Die Leitung der betroffenen EU-Unternehmen ist für die Einführung und Beaufsichtigung der genannten Sorgfaltspflichten verantwortlich, wobei Beiträge von Interessensgruppen zu berücksichtigen sind (Art.26). Bei der Erfüllung ihrer Pflicht, im besten Interesse der Gesellschaft zu handeln, soll die Unternehmensleitung gemäß Art.25 die Folgen ihrer Entscheidungen für die Nachhaltigkeit, gegebenenfalls auch für die Menschenrechte, den Klimawandel und die Umwelt berücksichtigen. Die Mitgliedstaaten sollen hierzu auch gesetzliche Rahmen für Verstöße gegen diese Vorgaben schaffen.Sanktionen (Art.20)
Die Mitgliedstaaten bestimmen über die Sanktionen, die wirksam, verhältnismäßig sowie abschreckend sein und sich am Umsatz des Unternehmens orientieren sollen. Bei der Bemessung der Sanktion soll das Bemühen des Unternehmens berücksichtigt werden. Falls ein Unternehmen sanktioniert wird, so muss die Entscheidung der nationalen Kontrollbehörde veröffentlicht werden und das Unternehmen gemäß Art. 24 bei öffentlichen Fördermaßnahmen ausgeschlossen werden.Zivilrechtliche Haftung (Art. 22)
Unternehmen müssen für Schäden haften, wenn sie gegen die in Art. 7 und 8 beschriebenen Sorgfaltspflichten verstoßen haben UND infolge des Pflichtverstoßes eine „nachteilige Auswirkung“ eingetreten ist, die zu einem Schaden geführt hat. Die Mitgliedstaaten sollen dafür einen entsprechenden Haftungstatbestand für Schäden schaffen. Unternehmen müssen jedoch nicht für Schäden haften, die durch die Aktivitäten eines indirekten Geschäftspartners entstanden sind. Hier reicht es, ein ernsthaftes Bemühen zur Vermeidung des Schadens nachzuweisen.Guidelines und weitere flankierende Maßnahmen (Art. 13 und 14)
Die Kommission plant Leitlinien, insbesondere für bestimmte Sektoren. Um Unternehmen bei der Erfüllung der Sorgfaltspflichten und Informationsgewinnung zu unterstützen, sollen die Mitgliedsstaaten Webseiten und Plattformen zur Verfügung stellen. Außerdem wird Ihnen gewährt, KMU finanziell zu unterstützen.EU-Lieferkettengesetz: IHK-Organisation mahnt Nachbesserungsbedarf an
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) fordert in seiner Stellungnahme angesichts der enormen aktuellen Belastungen der Unternehmeneine grundsätzliche Überprüfung sowie umfassende Nachbesserungen der geplanten Pflichten. Die DIHK fordert eine Richtlinie, die dem Think-Small-First-Prinzip der EU gerecht wird, und hat dies im Mai 2022 in einer Stellungnahme formuliert sowie Leitlinien zur Entlastung vorgeschlagen.Leitlinien für Entlastung
- Den unternehmerischen Einfluss nicht überschätzen
Die unternehmerischen Sorgfaltspflichten sollten sich auf den eigenen Geschäftsbereich sowie auf direkte Zulieferer beschränken und dabei auf die Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen fokussieren, die auch tatsächlich den unternehmerischen Kontrollmöglichkeiten unterliegen - Den Mittelstand stärker in den Fokus der geplanten EU-Richtlinie rücken
Analog zum deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) sollten nur Unternehmen ab 1.000 beziehungsweise 3.000 Beschäftigten erfasst werden. Unmittelbar – und damit nachrangig auch mittelbar – betroffene Unternehmen sollten sich lediglich auf schwerwiegende Risiken innerhalb des eigenen Sektors konzentrieren müssen. - Rechtssicherheit schaffen, Wettbewerbsverzerrungen vermeiden
Unklare Formulierungen und unbestimmte Rechtsbegriffe verursachen bei den Unternehmen erhebliche Rechtsunsicherheit und erschweren eine einheitliche Umsetzung in das nationale Recht der Mitgliedstaaten. Insbesondere aber der vorgesehene weite Gestaltungsspielraum für die nationalen Kontrollbehörden lässt Zweifel an EU-weit harmonisierten Rahmenbedingungen aufkommen. Unternehmen können nur für ihre eigenen Aktivitäten in der Lieferkette haften, nicht aber für die ihrer Geschäftspartner oder ihrer Lieferanten. Angesichts der rechtlichen Unklarheit der unternehmerischen Pflichtenstellungen muss von einer zivilrechtlichen Haftung abgesehen werden.
GTAI-Sonderseite mit Informationen und Analysen
- Lieferketten: Marktanalysen und Entwicklungen
Das Thema Lieferketten gewinnt immer mehr an Bedeutung. Von Menschenrechten und Compliance über Rohstoffknappheit und Importabhängigkeit – am Thema Lieferketten kommt man derzeit nicht vorbei.Germany Trade and Invest (GTAI) hat eine Sonderseite mit Informationen und Analysen rund um das Thema Lieferketten erstellt. Darin werden die Bezugsstrukturen und Beschaffungsmärkte für wichtige Branchen der deutschen Industrie beleuchtet.
Weitere Infos
Die Sonderseite von Germany Trade and Invest informiert:- zum “Lieferkettengesetz”,
- zur Einkaufsinitiative des Markterschließungsprogramm vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz sowie
- zu Zoll und Einfuhr.