Interviews mit Menschen aus der Region

Marie Wasem, Weingut Wasem Doppelstück, Ingelheim

Wo liegen die Stärken des rheinhessischen Tourismus?
Die Stärken liegen für uns in der großen Vielfalt, vor allem an Outdoor-Aktivitäten. Ein gutes Netzwerk aus Gastronomie und Wein schafft die perfekte Verbindung zwischen Bewegung und Kulinarik. Gerade Wanderer, Fahrradbegeisterte und Weinliebhaber kommen in Rheinhessen auf ihre Kosten.
Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Wir brauchen vor allem in der Nebensaison noch mehr Angebot. Gerade in den kühleren, regnerischen Monaten, in denen die Gäste wenig draußen unternehmen können, ist noch mehr Programm gefragt, das sie nach Rheinhessen lotst.
Was ist notwendig, damit die Übernachtungszahlen weiter steigen?
Nachholbedarf ist schwierig zu nennen, da ich der Meinung bin, dass Rheinhessen schon sehr gut aufgestellt ist. Vielleicht wäre ein Tool gut, das Festivitäten und Termine von Kunst und Kultur vereint, sodass unsere Gäste innerhalb Rheinhessens genau Bescheid wissen, wo was statt- findet. Sollte es so etwas geben, ist mir das nicht bekannt.

Gerhard Jordan, Jordans Untermühle, Köngernheim

Wo liegen die Stärken des rheinhessischen Tourismus?
Die größte Stärke liegt meines Erachtens im noch nicht genutzten Potenzial der Region.
Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Allein der Ausbau (Instandsetzung!) von Radwegen und das Ausweisen von Hiwweltouren sind bei weitem nicht ausreichend, um im nationalen oder gar internationalen Wettbewerb anzukommen. Es braucht Leuchttürme und weithin sichtbare Investitionen in allen Bereichen, welche den Touristen einen „Reiseanreiz“ geben. Freizeit, Kultur, Unterhaltung, Übernachtung…
Was ist notwendig, damit die Übernachtungszahlen weiter steigen?
Es müssen unbedingt Anreize für Investitionen und Investoren geschaffen werden. Auch für die Kommunen. Touristische Leistungen dürfen im Haushalt keine freiwilligen Leistungen sein. Genehmigungsverfahren müssen schneller und einfacher werden. Andere Regionen und Länder sind hier wesentlich besser aufgestellt.

Julia Barth, Favorite Parkhotel, Mainz

Wo liegen die Stärken des rheinhessischen Tourismus?
Wir haben eine sehr schöne Landschaft und Umgebung – eine gute Grundlage für Tourismus. Die Infrastruktur mit der Anbindung zum Frankfurter Flughafen und den großen Bahnhöfen ist gegeben. Hinzu kommt das touristische Angebot selbst. Wir haben viel zu bieten, in Mainz etwa den Rhein, Gutenberg und die Altstadt. In Rheinhessen gibt es viele schöne Punkte, die eine Reise wert sind.
Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Es ist wichtig, immer wieder gemeinsam in den Tourismus zu investieren. Nur wenn das Angebot vor Ort attraktiv ist, kann man Gäste von einer Städtereise über- zeugen. Zudem muss die Stadt den Tourismus wollen, sowohl die Stadtverwaltung als auch die Bürger. Positiv ist, dass der Tourismus seitens Stadt und Land immer mehr gewollt und stärker gefördert wird. Nur wenn wir als touristische Akteure alle gemeinsam investieren, ergibt sich im Großen und Ganzen ein schönes Angebot für den Gast.
Was ist notwendig, damit die Übernachtungszahlen weiter steigen?
Es ist sehr förderlich, dass die Business-Gäste wieder reisen und man gemerkt hat, dass eine persönliche Begegnung mehr wert ist als ein Online-Meeting. Zudem braucht es starke Messen, die in Mainz beispielsweise in der neuen Rheingoldhalle wieder stattfinden können. Wichtig ist, dass die Stadt, das Stadtmarketing und die Caterer sich darum bemühen, große Kongresse in eine Stadt zu holen und diese auszurichten. Man muss den Gästen präsentieren, was es bei uns in der Region zu erleben gibt, auch mit deutschlandweiter Werbung. Auch hier ist ein Zusammenspiel aller Parteien und der Mix aus Business und Leisure sehr wichtig.

Stefan Spies, Gut Leben am Morstein, Westhofen

Wo liegen die Stärken des rheinhessischen Tourismus?
So viele Stärken gibt es glaube ich noch nicht, aber sehr viele Potenziale, beispielsweise bei den Themen Weinerlebnis, rheinhessische Hügellandschaft, historische Dörfer-Substanz und Gastronomie.
Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Es gibt zu wenig hochwertige Angebote, weshalb beispielsweise Wochenendtouristen nicht an Rheinhessen denken, sondern direkt in die Pfalz oder den Rheingau reisen. Es braucht Mutige, Pioniere und Visionäre, die mit Schritten jetzt dafür sorgen, dass der Tourismus in zehn Jahren in Rheinhessen eine dominante Rolle in der hiesigen Wirtschaft spielt.
Was ist notwendig, damit die Übernachtungszahlen weiter steigen?
Insbesondere Lokalpolitiker müssen die Chancen des Tourismus erkennen und verstehen, um dann entsprechende Projekte auch zu unterstützen. Genehmigungsprozesse müssen beschleunigt und Bürokratiebarrieren verringert werden, damit die Projekte nicht auf dem Weg verhungern. Der rheinhessische Tourismus ist stark saisonal geprägt. Es benötigt mehr Anreize, auch im Winter zu kommen, um die bereits vorhandenen Kapazitäten besser zu nutzen.
Die Interviews führte Melanie Dietz.
Quelle: Report – Ausgabe April/Mai/Juni 2024

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