Wirtschaft wettbewerbsfähig - Rahmenbedingungen nicht
Regionaler Konjunkturbericht Jahresbeginn 2024
J: Jahresbeginn, F: Frühjahr, H: Herbst
Die Stimmung bei den Unternehmen aus Industrie, Handel und Dienstleistungen in der Region ist zum Jahresstart 2024 eingetrübt. Ihre Geschäftslage beurteilen die Teilnehmer an der Konjunkturumfrage der IHK Regensburg für Oberpfalz / Kelheim mit den schlechtesten Werten seit drei Jahren. Mit Blick auf die nächsten zwölf Monate bleiben die Unternehmen abwartend, eine positive Trendwende ist nicht in Sicht.
Um eine schleichende Deindustrialisierung zu stoppen und Konsumanreize zu setzen, sollte die Politik endlich verlässliche Rahmenbedingungen setzen, heißt es von der IHK. „Unsere Unternehmen sind wettbewerbsfähig, der Standort Deutschland ist es derzeit leider nicht“, sagt IHK-Präsident Michael Matt bei der Vorstellung der Ergebnisse. Er sieht die Politik in der Bringschuld, denn das Hin und Her der Bundesregierung sorge für Verunsicherung bei den Unternehmen und den Verbrauchern. Das hemmt die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft hierzulande.“
Die unternehmensnahen Dienstleister sind derzeit noch ein stabiler Anker für die regionale Konjunktur. Hier bezeichnen 51 Prozent ihre Geschäftslage als gut. Bei den bau- und baunahen Betrieben zeigt sich die schlechteste Stimmung seit 2011. In der Industrie zieht insbesondere der Einbruch in der Konsumgüterindustrie die Kurve nach unten. Die Auftragslage bei Investitionsgütern ist hingegen positiv. Während die Reisebranche weiter boomt, sinkt die Lage bei Hotels und Gaststätten. Im Handel zeigte sich der Weihnachtseffekt weniger ausgeprägt als in den Vorjahren. Trotz des Inflationsrückgangs können nach Angaben aller Branchen Prozessoptimierungen die Preissteigerungen weiterhin nicht auffangen.
Auslandsgeschäft hofft auf Impulse
Parallel zur Außenhandelsstatistik bestätigen auch die exportorientierten Industrie- und Dienstleistungsunternehmen wenig neue Impulse durch das Auslandsgeschäft, mit positivem Ausreißer bei der Nachfrage aus Nordamerika. Die Umsatzsteigerungen im Export beruhen überwiegend auf Inflationseffekten. Für die kommenden Monate setzen die Unternehmen vor allem auf zusätzliche Kunden und Aufträge aus Nord-, Mittel- und Südamerika sowie aus dem Asien-Pazifik-Raum (ohne China). Aufgrund neuer geopolitischer Entwicklungen wie z. B. dem Nahost-Krieg und anhaltender Unsicherheiten in China und Osteuropa bleibt für 28 Prozent aller Industrieunternehmen die Auslandsnachfrage ein Risikofaktor.
Investitionsklima hierzulande leidet
Das Investitionsklima leidet aufgrund vielfältiger Unsicherheitsfaktoren. „Immer weniger Unternehmen planen derzeit Investitionen in der Heimat,“ warnt IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Jürgen Helmes. Gleichzeitig investieren Ostbayerns Unternehmen mehr und mehr in ihre Auslandsstandorte. Von den 50 Prozent der Befragten mit Auslandsbudget geben 16 Prozent an, dass damit eine Teilverlagerung von Prozessen ins Ausland verbunden sei. Immerhin wollen noch zwölf Prozent ihre Inlandskapazitäten erhöhen. Für 2024 geplante Projekte siedeln sie schwerpunktmäßig in den Bereichen Ersatzbedarf sowie Energie- und Umweltschutzmaßnahmen an.
Ausblick
Die Beschäftigungsabsichten sind erstmals seit 2021 leicht im negativen Bereich. Mehr als ein Viertel der Betriebe in Industrie und Handel planen mit weniger Beschäftigten, was angesichts der pessimistischen Geschäftserwartungen jedoch noch vergleichbar stabil sei. Als Reaktion auf den Arbeitskräftemangel stehen Maßnahmen zur Standardisierung und Digitalisierung im Fokus der Betriebe.
Insbesondere die Risikobewertungen zeigen: Das unberechenbare politische Umfeld lähmt die Wirtschaft. Der Sparzwang bei öffentlichen Auftraggebern schlägt bereits auf Auftragnehmer aus Dienstleistung, Industrie und Bau durch. Gleichzeitig wird die hohe Steuer- und Abgabenbelastung als wachstumshemmend gesehen. Insgesamt fehlt es in der Region an einer Aufbruchstimmung. Hoffnung keimt angesichts steigender Erwartungen in der Industrie bezüglich der Auslandsaufträge. Eine positive Entwicklung im Bereich der Vorleistungs- und Konsumgüter könnte den notwendigen Aufwärtssog für den Rest der Wertschöpfungsketten bedeuten, so die IHK-Experten.
Das sagen Unternehmen aus der Region:
Das Jahr 2023 endete für die mit 70 Prozent Exportanteil international stark orientierte Nabaltec AG aus Schwandorf ernüchternd, wie Vorstandsvorsitzender Johannes Heckmann berichtet. „Wir hatten wie viele andere Industriebetriebe zum Jahresende Betriebsurlaub, um damit konsequent Lagerbestände und Urlaub abzubauen.“ Jetzt zum Anfang des Jahres ist das breit aufgestellte Geschäft des Herstellers von chemischen Grundstoffen und Additiven zwar wieder etwas angelaufen, aber: „Insgesamt ist die Nachfrage in unseren Märkten noch immer sehr verhalten. Bei den Kunden merkt man starke Verunsicherung und damit Zurückhaltung beim Konsum“, so Heckmann. Die Nabaltec AG stünde in den Wertschöpfungsketten „am Anfang der Nahrungskette“. Für den Endkunden finden ihre Grundstoffe dann etwa im Elektronikbereich, Automotive und bei der E-Mobilität Verwendung. Bei Elektroautos wirkten sich der Produktionseinbruch hierzulande und das Marktdumping chinesischer Anbieter negativ auf das Geschäft von Nabaltec aus. Aber auch die schwächelnde Baubranche spürt das Unternehmen, dessen Produkte in der Kabelindustrie Verwendung finden.
„Der Cocktail ist gerade nicht förderlich für die Industrie“, sagt Heckmann im Hinblick auf die Weltwirtschaft und angesichts fehlender Rahmenbedingungen sowie ausbleibender Impulse durch die Politik. „Die Energiepolitik des Bundes bleibt diffus, die Bürokratie wächst weiter ins Unermessliche und die Planungssicherheit fehlt“, stellt der Unternehmer fest. „Ich wage derzeit keine große Prognose für das Geschäft im neuen Jahr.“ Das Engagement in vielen verschiedenen Anwendungsbereichen lässt der Nabaltec AG dabei Spielräume offen. „Indem wir in heterogenen Märkten unterwegs sind, können wir ein Klumpenrisiko bei der Nachfrage vermeiden. Bei alledem aber bleiben wir von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig“, so Heckmann.
Christian Petter von der Petter Ingenieure GmbH in Neumarkt plant Projekte im Tiefbau etwa bei Straßen oder der Entwässerung. Viele der Kunden des rund 50 Mitarbeiter starken Ingenieursdienstleisters kommen aus dem öffentlichen Bereich. Da es selbst hier derzeit zu einem Investitionsstau kommt, fallen seine Erwartungen an das Geschäft im neuen Jahr verhalten aus. „Wir haben viele sehr langfristige Projekte am Laufen und spüren noch keine Reduktion in der Arbeitsauslastung. Allerdings werden immer weniger Angebote angefordert.“ Das läge vor allem daran, dass viele staatliche Förderprogramme derzeit eingefroren seien. „Die öffentliche Hand baut nur, wenn sie Zuschüsse bekommt.“ Noch gravierender sieht Petter die Lage bei Ingenieurbüros, die im Hochbau tätig sind. Weil das öffentliche Vergabewesen immer bürokratischer werde, setzt der Unternehmer vermehrt auch auf gewerbliche Kunden. „Die ziehen ihre Projekte wenigstens durch, weil sie einen größeren Leidensdruck haben.“ Eine neue Fabrik zum Beispiel müsse mit Straßen, Zu- und Ableitungen versorgt werden, damit sie läuft. Eine Gemeinde wiederum, die ein Gewerbegebiet zu zwei Dritteln bebaut habe, halte sich mit der Ausweisung neuer Flächen derzeit zurück.
(07.02.2024)