Standortpolitik
Flächenknappheit bremst Oberhavels Entwicklung
Deutliche intraregionale Disparitäten im Landkreis Oberhavel: Unsere Studie zu Wirtschafts- und Gewerbeflächenstandort belegt eine große Dynamik in den Städten der Regionalen Wachstumskerne Brandenburgs. Der Norden allerdings hinkt hinterher.
"Der Ausbau der B 96 und eine stärkere Zusammenarbeit der Städte von Fürstenberg bis nach Hennigsdorf – das sind wichtige Schritte, um das Süd-Nord-Gefälle im Landkreis zu überwinden.“
Das sagte Peter Heydenbluth, Präsident der Industrie- und Handelskammer Potsdam, anlässlich der Vorstellung einer Studie der IHK Potsdam (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 4209 KB) zum Wirtschafts- und Gewerbeflächenstandort Landkreis Oberhavel. Die Analyse zeigt stark unterschiedliche Entwicklungen innerhalb des Landkreises bei gleichzeitig starker Konzentration des Beschäftigtenwachstums und der Vermarktung von Gewerbeflächen auf den berlinnahen Süden des Landkreises.
„Gewerbeflächen werden knapp, und in manchen Branchen ist die Konzentration der Beschäftigten unterdurchschnittlich. Die Diversifizierung des Unternehmensbesatzes sollte deshalb vorangetrieben und starke Branchen, wie zum Beispiel im Bau-, Umwelt- oder Logistikbereich, weiterentwickelt werden“, so Heydenbluth. „Nun können wir belegen, dass auch der Landkreis Oberhavel kein sogenannter Selbstläufer ist.“
Der Landkreis muss sich weiter anstrengen
Der Landkreis Oberhavel weist, insbesondere im Vergleich zum Bundesland Brandenburg, zahlreiche positive statische wie dynamische Kennzahlen auf. Im Vergleich mit dem Bundesdurchschnitt zeigt sich hingegen vielfach ein Nachholbedarf. So ist etwa der Anteil der Industriebeschäftigung, trotz Wachstum, unterdurchschnittlich. Die Produktivität im Verarbeitenden Gewerbe ist nach einem starken Einbruch im Jahr 2009 vergleichsweise langsam wieder angestiegen. Positiv hingegen sind die Wachstumstendenzen der wissensintensiven Beschäftigung. Auffällig ist die starke intraregionale Disparität im Landkreis mit einem berlinfernen, eher strukturschwachen Norden und einem berlinnahen, wirtschaftlich starken Süden. In einigen Kommunen gibt es bereits heute Engpässe bei der Gewerbeflächenversorgung. Flächenmobilisierung ist im gesamten Landkreis vonnöten, um die zukünftige Gewerbeflächennachfrage bedienen zu können.
Gewerbeflächenbedarf vor allem im Süden
Im Zeitraum der Jahre von 2007 bis 2016 wurden im Landkreis Oberhavel insgesamt 204 Hektar Gewerbeflächen vermarktet, was 20,4 Hektar pro Jahr entspricht. Darunter entfielen schätzungsweise 40 Hektar auf Logistikansiedlungen. Ohne Logistik reduziert sich folglich der Flächenumsatz auf 164 Hektar (16,4 ha/Jahr). Die Prognose der Gewerbeflächennachfrage bis zum Jahr 2025 schätzt den Bedarf auf 113 bis 148 Hektar (netto) ohne Logistik. Davon benötigt allein der südliche Teil des Landkreises 86 bis 112 Hektar. Für die Nachfrage nach Logistikflächen geht die Studie von jährlich rund 2,5 Hektar für den gesamten Landkreis aus.
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Mangelnde Flächenmobilisierung als Problem
Insgesamt betrachtet kann der abgeleitete Gewerbeflächenbedarf im Landkreis mit freien Flächen in den bestehenden Gewerbegebieten gedeckt werden. In den 38 untersuchten Standorten steht rein rechnerisch ein Flächenpotenzial in der Größenordnung von knapp 210 Hektar zur Verfügung.
Hinsichtlich der faktischen Verfügbarkeit des Flächenpotenzials zeigt sich jedoch ein differenziertes Bild: Nur knapp 50 Hektar davon stehen kurzfristig und ohne Vorbehalte zur Verfügung. Im Abgleich mit dem durchschnittlichen jährlichen Flächenumsatz zeigt sich somit eine statistische Reichweite von nur zweieinhalb Jahren mit bzw. rund drei Jahren ohne Logistikansiedlungen.
Das weitere Flächenpotenzial in der Größenordnung von rund 161 Hektar, wovon rund 123 Hektar auf die Teilregion Süd und 38 Hektar auf die Teilregion Nord entfallen, gilt als eingeschränkt verfügbar. Gründe hierfür sind u. a. eigentumsrechtliche Fragen oder die Kampfmittelbelastung.
In der Teilregion Süd reichen die kurzfristig verfügbaren Flächen, die insgesamt eine Größe von ca. 42 Hektar aufweisen, je nach Umfang weiterer Logistikansiedlungen nur für ca. zwei bis drei Jahre. In der Teilregion Nord ist das frei verfügbare Flächenangebot in den bestehenden Gebieten gering (6,5 ha), sodass die statistische Reichweite nur rund 1,5 Jahren beträgt.
In einigen Kommunen des Landkreises gibt es einen deutlichen Handlungsbedarf die eingeschränkt verfügbaren Flächen zu aktivieren bzw. neue Gewerbeflächen auszuweisen (z. B. in den Regionalen-Wachstumskern-Städten Oranienburg und Velten).
Überdurchschnittliches Beschäftigtenwachstum
Im Landkreis Oberhavel gibt es rund 56.100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort. Im südlichen Kreisgebiet wurden im Jahr 2016 rund 47.000 Beschäftigte am Arbeitsort gezählt (83,8 %). In der Teilregion Nord waren bei der Bundesagentur für Arbeit etwa 9.100 Beschäftigte gemeldet (16,2 %). Im Zeitraum von 2008 bis 2016 lag das Beschäftigtenwachstum im Landkreis Oberhavel bei 15,8 Prozent und damit über den Wachstumsraten im Land Brandenburg (+9,1 %) und in Deutschland (+13,3 %). In der Teilregion Süd fiel das Beschäftigtenwachstum mit 17,0 Prozent deutlich höher aus als in der Teilregion Nord (+9,9 %). Das ist eine erstaunlich positive konjunkturelle Entwicklung im Landkreis, wie der Gutachter Achim Georg betont. Innerhalb von acht Jahren sind 7.657 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse im Landkreis entstanden. Die zusätzlichen Arbeitsplätze entstanden hauptsächlich in der Teilregion Süd. Drei von vier Arbeitsplätzen im Landkreis wurden in Betrieben mit Sitz im RWK geschaffen.
Konzentration unterdurchschnittlich
Zwar gehört das Verarbeitende Gewerbe mit über 10.000 Beschäftigten zu den wichtigsten Beschäftigungsgebern im Landkreis, die Beschäftigungskonzentration erreicht jedoch nur rund 86 Prozent des Bundesdurchschnitts. Anders stellt sich die Situation im Bereich Logistik dar. In diesem Wirtschaftszweig arbeiten relativ betrachtet rund 40 Prozent mehr Beschäftigte als im Bundesdurchschnitt. Die absolute Beschäftigtenzahl liegt bei rund 4.000 Personen. Ebenfalls überdurchschnittlich stark präsent ist das Baugewerbe. Der Beschäftigtenanteil liegt hier um ca. 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die Exportquote in der Industrie liegt mit knapp 38 Prozent über dem brandenburgischen Durchschnitt (30,3 %), aber fast zehn Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Höhere Exportquoten als der Landkreis Oberhavel erzielen die brandenburgischen Landkreise Ostprignitz-Ruppin, Teltow-Fläming sowie Oder-Spree.
Die sogenannten wissensintensiven Industrien (u. a. Medizintechnik, Elektrotechnik, Maschinenbau) sind mit einem Beschäftigtenanteil von 8,6 Prozent im Landkreis stärker vertreten als in Brandenburg (6,0 %). Bundesweit liegt der Anteil mit 11,6 Prozent allerdings deutlich darüber.
Auffällig ist, dass die Produktivität im Verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2015 noch unter dem Niveau des Jahres 2008 lag. Die Betriebe im Landkreis Oberhavel konnten mit den landes- und bundesweiten Produktivitätszuwächsen nicht mithalten. Im Baugewerbe zeigte sich eine gegenteilige Entwicklung. Hier stieg die Produktivität im gleichen Zeitraum (2008 bis 2015) um 37,8 Prozent an.
Einwohnerentwicklung stabil mit Unterschieden
Der Landkreis Oberhavel zählt rund 207.500 Einwohner. Davon leben rund 166.800 Menschen in der Teilregion Süd (80,4 %) und 40.700 Menschen in der Teilregion Nord (19,6 %). Im RWK O-H-V (Regionaler Wachstumskern Oranienburg, Hennigsdorf und Velten) leben rund 81.600 Menschen und damit rund die Hälfte der gesamten Einwohner der Teilregion Süd.
Innerhalb des Landkreises zeigen sich unterschiedliche demografische Entwicklungen. Während in der Teilregion Nord die Einwohnerzahl seit dem Zensus 2011 insgesamt um einen Prozentpunkt zurückgegangen ist, nahm sie in der Teilregion Süd um 4,2 Prozent zu.
Erstellt wurde die Studie im Auftrag der IHK Potsdam vom Hamburger Beratungsinstitut Georg Consulting Immobilienwirtschaft | Regionalökonomie.