Standortpolitik

Starkes Ost-West-Gefälle mit Stagnation im Westhavelland

Ein deutlich wahrnehmbares Ost-West-Gefälle mit einem „brummenden“ berlinnahen Raum, Flächenmangel von Falkensee bis Wustermark, aber Stagnation im Westhavelland: Der Landkreis Havelland zeigt stark unterschiedliche Entwicklungen innerhalb der Fläche. Das positive Bevölkerungs- und Beschäftigtenwachstum sowie die Vermarktung von Gewerbeflächen konzentrieren sich auf den berlinnahen Osten des Landkreises. Das ist das Ergebnis der erstmals erstellten Studie „Wirtschaftsprofil und Gewerbeflächengutachten - Havelland 2025 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 5433 KB)“ (PDF), die die Industrie- und Handelskammer Potsdam am 8. März 2018 vorgestellt hat.
Insgesamt weist der Landkreis Havelland positive Trends auf. Dennoch haben wir strukturelle Schwächen ausgemacht. Auffällig sind zum Beispiel eine unterdurchschnittliche Akademiker-Quote bei den Beschäftigten sowie die geringe Exportquote und Produktivität in der Industrie. Der Beschäftigtenzuwachs beruht zu einem großen Teil auf dem Aufschwung in der Logistik. Ein viel breiter aufgestelltes Wachstum, welches auch andere Wirtschaftszweige stärker erfasst, wäre sehr wünschenswert",
IHK-Hauptgeschäftsführer Mario Tobias.
Trotz der allgemein guten Versorgung mit Gewerbeflächen gebe es heute schon einige Kommunen und Standorte – von Falkensee bis Nauen - mit Flächenengpässen. Um hier die positive Entwicklung nicht zu behindern, müssten bald neue Flächen entwickelt oder mobilisiert werden, so Tobias.
Basierend auf den Untersuchungsergebnissen werden nun von der IHK Potsdam beispielhafte Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Landkreises Havelland vorgeschlagen. Dazu gehören der Ausbau der Funktion als logistische Drehscheibe im westlichen Umland von Berlin sowie die Prüfung von Ansiedlungspotenzialen entlang der Wertschöpfungsketten in den Bereichen Kunststofffaserindustrie und Recyclingwirtschaft. Wichtig sei auch die Förderung von Innovationen im industriellen Mittelstand, die Entwicklung einer Ansiedlungsstrategie mit einer stärkeren Wirtschaftsförderung sowie die Entwicklung von Exportinitiativen für den Mittelstand. Nicht zuletzt müsse die Flächenmobilisierung in den Kommunen des Osthavellandes vorangetrieben und endlich ein Masterplan für Logistikflächen erarbeitet werden.

Einwohnerzuwach regional unterschiedlich

Seit dem Zensus 2011 ist die Einwohnerzahl im Landkreis Havelland innerhalb von fünf Jahren um 4,4 Prozent auf 159.685 Einwohner angestiegen. Der Zuwachs lag deutlich über dem landes- und bundesweiten Anstieg von 1,7 bzw. 2,7 Prozent. Der Landkreis wächst durch Zuzug aus Berlin und dem Ausland. Während die Einwohnerzahl in der Teilregion Ost im Zeitraum von 2011 bis 2016 um 7,3 Prozent anstieg, gab es in der Teilregion West einen leichten Rückgang (-1,0 Prozent). Zum Jahresende 2016 zählte die Teilregion Ost 106.940 Einwohner und die Teilregion West 52.745 Einwohner. Rund zwei Drittel der Einwohner leben somit im östlichen und berlinnahen Teil des Landkreises.

Logistik als Wachstumstreiber

Der Beschäftigtenzuwachs im Landkreis geht u. a. auf positive Entwicklungen in der Logistik zurück. Von den im Zeitraum 2008 bis 2016 entstandenen 6.925 zusätzlichen Arbeitsplätzen entfielen allein auf die Logistik 2.080. Auch der Handel gehört zu den Beschäftigungsgewinnern im Landkreis. Seit dem Jahr 2008 sind hier rund 1.660 neue Arbeitsplätze (inklusive Online-Versandhandel) entstanden. Im Gesundheits- und Sozialwesen kamen knapp 1.100 neue Beschäftigungsverhältnisse hinzu. Profitiert vom Wachstum haben vor allem die Kommunen des GVZ Berlin West, Brieselang und Wustermark, mit insgesamt ca. 3.130 zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen. Weitere besonders positive Beschäftigtenentwicklungen gab es in Nauen mit über 2.030 zusätzlichen Beschäftigten und in Falkensee mit einem Plus von etwa 1.230 Beschäftigten.

Industrie mit geringer Produktivität

Mit 8.140 Beschäftigten ist das Verarbeitende Gewerbe der beschäftigungsstärkste Wirtschaftszweig im Landkreis Havelland. In diesem Zweig arbeiten 19 Prozent aller Beschäftigten. Im Handel inklusive des Kfz-Gewerbes sind 17,5 Prozent aller Beschäftigten tätig (7.498 Beschäftigte). Weitere bedeutende Wirtschaftszweige sind das Gesundheits- und Sozialwesen mit einem Beschäftigtenanteil von 12,7 Prozent (5.427 Beschäftigte) sowie der Bereich Verkehr und Lagerei mit einem Anteil von 12,0 Prozent (5.155 Beschäftigte).
Die ansässige Industrie im Landkreis ist jedoch vergleichsweise wenig international aktiv. So liegt die Exportquote im Verarbeitenden Gewerbe mit 20,6 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 47,6 Prozent.
Das Produktivitätsniveau im Verarbeitenden Gewerbe liegt im Landkreis mit 44.399 Euro je Erwerbstätigen zudem deutlich unter dem Landes- (66.166 Euro) und Bundesdurchschnitt (82.882 Euro). Die vergleichsweise geringe Produktivität in der Industrie korrespondiert mit dem unterdurchschnittlichen Anteil an Hochqualifizierten sowie mit der geringen Außenverflechtung.

Viele Fachkräfte, geringe Akademikerquote

Im Landkreis Havelland gibt es mit rund 71 Prozent einen relativ hohen Anteil an Beschäftigten mit einem anerkannten Berufsabschluss (Brandenburg 68,7 Prozent; Deutschland 62,6 Prozent). Allerdings fällt der Anteil der Beschäftigten mit einem akademischen Abschluss mit 8,6 Prozent deutlich geringer aus als in den Vergleichsräumen. In Brandenburg verfügen 12,7 Prozent über ein abgeschlossenes Studium. Im Bundesdurchschnitt trifft dies auf 15,0 Prozent der Beschäftigten zu.

Gewerbeflächendynamik schwach

Im Zeitraum 2007 bis 2016 wurden rund 118 Hektar Gewerbeflächen vermarktet. Ohne Handelsnutzungen (8 Hektar) und Logistikansiedlungen (49 Hektar) lag der Flächenumsatz im Betrachtungszeitraum bei rund 61 Hektar (= 6,1 Hektar pro Jahr). Allein auf die Großlogistik entfiel somit über 40 Prozent des gesamten Gewerbeflächenumsatzes im Landkreis. Ohne Handel und Großlogistik lag der durchschnittliche Flächenumsatz im Zeitraum 2007 bis 2016 in der Teilregion Ost bei 3,2 Hektar und in der Teilregion West bei 2,9 Hektar pro Jahr.

Flächennachfrage 2025 bis 55 Hektar (netto)

Wird der Flächenverbrauch ohne Handels- und Logistiknutzungen in Höhe von 6,1 Hektar pro Jahr bis zum Jahr 2025 fortgeschrieben, so würde die zukünftige Flächennachfrage rund 55 Hektar (netto) umfassen. In der Koppelung des Flächenverbrauchs an die konjunkturelle Entwicklung (BIP-Wachstum) entsteht bei einem durchschnittlichen Wachstum von 1,2 Prozent eine Flächennachfrage in Höhe von rund 51 Hektar (netto) bis zum Jahr 2025. Ausgehend von diesen beiden Prognosewerten liegt der Orientierungsrahmen für das klassische Gewerbe bei 51 bis 55 Hektar (netto) bzw. bei 66 bis 72 Hektar (brutto).
Die Nachfrage nach Logistikflächen ist vor allem im östlichen Teil des Landkreises aufgrund seiner guten verkehrlichen Anbindung und des GVZ-Standortes hoch. Hier wurden im Zeitraum von 2007 bis zum Jahr 2016 rund 5 Hektar für Logistikansiedlungen pro Jahr vermarktet. In welchem Umfang in Zukunft weitere Logistikflächen auf den Markt kommen, ist vor allem eine standortpolitische Entscheidung.

Kein Zusatzbedarf an Flächen

In den Gewerbegebieten im Landkreis sind derzeit rund 176 Hektar an Restflächen vorhanden. Davon entfallen 46 Hektar auf die GVZ-Standorte, 81 Hektar auf die restlichen Gewerbegebiete im östlichen Teil der Region und rund 49 Hektar auf den Westen des Landkreises, davon allein 29 Hektar im Industrie- und Gewerbepark Premnitz. Im Abgleich mit dem Orientierungsrahmen der Nachfrage bis zum Jahr 2025 zeigt sich, dass im Landkreis rein rechnerisch ausreichend Gewerbeflächen in den Bestandsgebieten vorhanden sind. In einigen Kommunen gibt es jedoch bereits jetzt bzw. kurzfristig Flächenengpässe. In Dallgow-Döberitz, Schönwalde-Glien, Wustermark sowie in der Kernstadt von Nauen gibt es aktuell kein bzw. nur ein geringes Gewerbeflächenangebot. In Falkensee sind bis auf eine größere Fläche nur noch wenige Restgrundstücke verfügbar. Während am GVZ-Standort Brieselang noch ein größeres Flächenpotenzial für Ansiedlungen zur Verfügung steht, welches zurzeit aus planungsrechtlichen Gründen jedoch nicht mobilisierbar ist, verfügt der GVZ-Standort Wustermark nur noch über ein geringes freies Flächenpotenzial.
Erstellt wurde die Studie im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Potsdam vom Hamburger Beratungsinstitut Georg Consulting Immobilienwirtschaft | Regionalökonomie.