IHKN-Positionen zur Landtagswahl 2022
Im Vorfeld der Landtagswahl in Niedersachsen am 9. Oktober 2022 entstand unter der Federführung unserer IHK ein Positionspapier (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 1216 KB)mit den wichtigsten landespolitischen Forderungen aus Sicht der Wirtschaft. Grundlage hierfür waren unter anderem die Ergebnisse einer zuvor gemeinsam von den sieben niedersächsischen IHKn durchgeführten Standortumfrage (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 2475 KB). Zudem wurden drei regionale Podiumsdiskussionen sowie auf Landesebene eine Wahlkampfarena mit den Landtagskandidatinnen und -kandidaten ausgerichtet.
Wir geben Ihnen einen kurzen Überblick:
- Infrastruktur ausbauen, Transformation befördern
Nachhaltigkeit fördern - Unternehmen befähigen statt beschränken
Die ambitionierten Pläne zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, etwa im Bereich Klimaschutz, erfordern die Transformation ganzer Wirtschaftszweige. Die Nachhaltigkeit muss sich so als Wirtschaftsprinzip etablieren, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen nicht gefährdet, sondern gestärkt wird. Diese Transformation soll durch Innovation ermöglicht werden. Die Selbstbefähigung soll gefördert werden, statt Selbstbeschränkung zu verordnen. Hierfür müssen attraktive Rahmenbedingungen geschaffen und gute Finanzierungs- und Förderbedingungen sichergestellt werden. Das freiwillige Engagement von Unternehmen soll belohnt werden.IKT-Infrastruktur und Digitalisierung vorantreiben
Die Breitbandnetze und flächendeckender stabiler Mobilfunk sind entscheidend für die Digitalisierung der Wirtschaft. Die Digitalisierung soll zur „Chef*Innen-Sache“ gemacht werden, um privaten und geförderten Ausbau zu koordinieren und letzteren zu unterstützen. Der flächendeckende Gigabitausbau soll abgeschlossen und der Glasfaserausbau schneller gefördert werden, indem die finanzielle Unterstützung der Kommunen erhöht wird. Verbleibende Mobilfunklücken sind zu schließen und Ausbauvorhaben müssen koordiniert werden. Die Digitalisierung muss in Niedersachsen vorangetrieben werden, z. B. durch die Fortsetzung der TECHTIDE über 2022 hinaus.Bezahlbare und sichere Energieversorgung gewährleisten
Die Preise für Strom und Gas sind derzeit in Rekordhöhe. Energie muss bezahlbar bleiben. Die Akzeptanz für die Energiewende ist vorhanden und alternative Energieträger tragen sinnvoll zum Energiemix bei. Der Anteil an Erneuerbarer Energie und deren Netzausbau muss daher rapide ansteigen. Alternative Energieträger müssen technologieoffen gefördert werden, dafür muss Erneuerbare Energie ausgebaut werden. Auch die Potenziale der Wasserstofftechnologie sollten angehoben werden, um so die Versorgungssicherheit in der Energiewende zu stärken. Weiterhin soll Transparenz und Planbarkeit bei Steuern und Abgaben geschaffen werden.Verkehrsinfrastruktur verbessern und schneller umsetzen
Unzureichende Verkehrsinfrastruktur belastet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Es braucht lückenlose und belastbare Verkehrswegenetze zu Land, zu Luft und zu Wasser. Die Belastung der Unternehmen durch unzureichende Verkehrsinfrastruktur muss beseitigt werden durch stabile und dauerhafte Investitionen für leistungsstarke Verkehrswege. Die leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur muss daher erhalten und ausgebaut werden. Hierzu gilt es, die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und multimodale und digital konnektive Mobilitätsstrukturen zu fördern.Mobilität der Zukunft gestalten
Veraltete Mobilitätsangebote schmälern die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts. Daher bedarf es digital gesteuerter, vernetzter Mobilität für effiziente und nachhaltige Verkehre. Dies kann durch Erneuerung und Digitalisierung sowie der Beseitigung von Hürden zum Einsatz neuer Mobilitätsangebote erfolgen. Es soll die Lebens- und Mobilitätsqualität verbessert werden. Die Multimodalität und kombinierter Verkehr sind zu fördern, durch eine intelligente Kombination von Verkehrs- und Transportmitteln. - Standorte stärken, attraktive Standortbedingungen schaffen
Innenstädte und Zentren stärken
Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen führen zu rückläufigen Frequenzen in den Zentren und zu städtebaulichen Problemen. Die Innenstädte und Ortskerne müssen als attraktive, multifunktionale Räume gesichert und wo nötig weiterentwickelt werden. Die Instrumente der Stadtentwicklung müssen lösungsorientiert gebündelt und Rahmenbedingungen für attraktive Zentren geschaffen werden. Dazu müssen vorhandene Planungsinstrumente überprüft und angepasst oder durch neue ergänzt werden. Die Angebote von Betrieben, Einrichtungen, Standortgemeinschaften, aber auch Standorten sollen digital unterstützt werden. Eine Optimierung der Förderkulisse für Innenstadt- und Ortskern-Entwicklung wird angeregt und verkaufsoffene Sonntage sollen planungssicher ausgestaltet werden. Die innerstädtische Erreichbarkeit soll multimodal und uneingeschränkt sichergestellt werden. Dem Fachkräftemangel im Bereich der Stadtplanung, -marketing und -entwicklung muss durch attraktive Studienangebote entgegengewirkt werden.Potenziale im Tourismus gezielt ausschöpfen
Der Tourismus musste während der Coronapandemie erhebliche Umsatzeinbußen und die Abwanderung von Fach- und Arbeitskräften verkraften. Die Branche soll den Neustart nach der Pandemie schaffen und sich mit einem aufgewerteten Image zukunftsorientiert aufstellen. Dazu müssen attraktive Rahmenbedingungen zur Sicherung des Fach- und Arbeitskräftebedarfs geschaffen werden. Bürokratische Vorschriften müssen entschlackt und Fördermittel zielgerichtet eingesetzt werden. Die Rahmenbedingungen zur Sicherung des Fach- und Arbeitskräftebedarfs müssen verbessert werden. Hierfür soll einerseits die Erreichbarkeit der Destinationen und Tourismusorte optimiert und die Betriebe für die Digitalisierung fit gemacht werden. Weiterhin soll der Trend zur Nachhaltigkeit umgesetzt und die Internationalität des niedersächsischen Tourismus ausgebaut werden.Öffentliche Daseinsvorsorge sicherstellen
Niedersachsen braucht als Flächenland in allen Landesteilen gute infrastrukturelle Rahmenbedingungen zur Sicherstellung gleichwertiger Lebensbedingungen. Nicht nur in den urbanen Gebieten, sondern auch in den ländlich geprägten Räumen sind Einrichtungen der Daseinsvorsorge zu erhalten und zu entwickeln. Daher müssen die Kommunen beim gezielten, regionalbezogenen Erhalt sowie dem Ausbau der Daseinsvorsorgeeinrichtungen und -strukturen unterstützen. Dafür sollen die Stärken des ländlichen Raumes regionalbezogen hervorgehoben werden. Auch die Nahversorgung im Einzelhandel soll landesweit gestärkt werden. Die Innenstädte und Ortskerne brauchen eine zukunftsfähige Gestaltung. Auch die Leistungsfähigkeit und Innovationskraft der Gesundheitswirtschaft muss sichergestellt werden.Zukunftsfähige Gewerbe- und Industrieflächen schaffen
Die wirtschaftliche Entwicklung hängt von attraktiven Flächen für Betriebserweiterungen und für Neuansiedlungen ab. Dafür sind bedarfsgerechte Gewerbe- und Industriegebietsangebote zu schaffen. Hierzu muss die Gewerbeflächenentwicklung in der Bauleitplanung und Landesplanung ausgebaut werden. Daher müssen Gewerbe- und Industrieflächen vorausschauend ausgewiesen und bestehende Gewerbeflächen geschützt werden. Um zukunftsfähig zu sein, benötigen die Gewerbegebiete eine leistungsfähige digitale und verkehrliche Infrastruktur. Zudem sollen die Gewerbeflächen auf die Elektromobilität vorbereitet werden. - Fachkräfte sichern, Potenziale heben, Schulen modernisieren
Fachkräfte halten und gewinnen
Da bis 2040 die Zahl der Erwerbstätigen in Niedersachen um 130 000 Personen zurückgeht, muss dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden. Zugleich verändert die Digitalisierung Qualifikationsanforderungen und Arbeitsprozesse. Es sind daher alle Fachkräftepotenziale zu entwickeln sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Integration zu stärken. Dazu müssen praxisnahe Rahmenbedingungen für mehr Beschäftigung geschaffen werden.Berufliche Ausbildung attraktiv und zeitgemäß gestalten
Beinahe ein Fünftel aller Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt, sodass es dringend geboten ist, die duale Ausbildung zu stärken und die berufliche Orientierung zu verbessern. Dazu müssen die Beruflichen Schulen weiterentwickelt und personell verstärkt werden. Die Digitalisierung ist zu professionalisieren und die Berufsorientierung auszubauen. Es muss in Marketingmaßnahmen investiert werden, um neue Zielgruppen zu erschließen. Auch die Mobilität von Auszubildenden soll unterstützt werden.Schulen modernisieren – Jugendliche und Lehrende befähigen
Schülerinnen und Schüler verlassen die allgemeinbildenden Schulen oft mit mangelnden Elementarkompetenzen und ohne hinreichende berufliche Orientierung. Das Ziel sollte sein allen Jugendlichen zu einer beruflichen Perspektive für ihr Leben verhelfen und der Wirtschaft den notwendigen Fachkräfte- und Spezialistennachwuchs vorzubereiten. Es müssen technische, curriculare und didaktische die Voraussetzungen für den Schulerfolg für alle geschaffen werden. Die Grundkompetenzen sind allen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln. Die berufliche Orientierung muss verlässlich und systematisch durchgeführt werden – auch an Gymnasien. Die Schulen müssen in das digitale Zeitalter gebracht werden und die ökonomische und MINT-Bildung soll gestärkt werden.Lebenslanges Lernen forcieren
Die Weiterbildungsteilnahme wächst, reicht aber noch nicht aus, um künftig gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen die Fachkräftebedarfe zu decken. Weiterbildung und lebenslanges Lernen muss für Betriebe und Erwerbstätige noch selbstverständlicher werden. Die Förderung der betrieblichen Weiterbildung und die digitalen Kompetenzen sind ausbauen, um auch die Arbeitswelt 4.0 ermöglichen. Dazu muss eine nachhaltige Weiterbildungskultur etabliert und die Marke „Höhere Berufsbildung“ gestärkt werden. - Innovationen ermöglichen, Wirtschaftsfreundlichkeit erhöhen
Innovationspotenziale heben
Die Entwicklung von innovativen, technologieorientierten Produkten oder Verfahren ist gerade für KMU oft mit zu hohem Aufwand, Risiko und Kosten verbunden. Deshalb soll die Wertschöpfung erhöht und Innovationsfähigkeit der niedersächsischen Wirtschaft verbessert werden. Dazu braucht es optimale Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung in den Betrieben. Die Innovationsprogramme müssen fortgeführt und Antragsverfahren verschlankt und beschleunigt werden. Eine Vernetzung von Unternehmen und Hochschulen soll stattfinden.Gründungen erleichtern und Wachstum fördern
Die Zahl der Gründungen hat sich in Niedersachsen seit 2019 deutlich erhöht. Dennoch bleiben zu viele Potenziale ungenutzt. Die Selbständigkeit sollte eine selbstverständliche Alternative zur abhängigen Beschäftigung sein, die durch Förderprogramme unterstützt wird. Es sind die Rahmenbedingungen für ein gutes Gründungsklima zu schaffen und Gründungsthemen in die Lehrpläne aufzunehmen. Das Unternehmerinnen- und Unternehmertum sollen gefördert werden, um Gründungspotenziale heben. Eine Verbesserung von Förderprogrammen und Beteiligungskapital wird angestrebt. Weiterhin soll das Internationale Standortmarketing und Ansiedlung professionalisiert werden.Bürokratie abbauen, Verwaltung serviceorientiert ausrichten
Seit vielen Jahren sehen die niedersächsischen Unternehmen den Bürokratieabbau als dringliche Aufgabe der Politik auf Landes- wie auf Bundesebene an. Ein effizienter Rechtsrahmen und eine zeitgemäße Verwaltung ermöglichen den Unternehmen, sich auf ihr operatives Geschäft zu konzentrieren. Es sind dazu eine Praxisnähe in der Gesetzgebung herzustellen, professionelle Strukturen zu schaffen und die Digitalisierung zu nutzen. Die Überregulierung soll abgebaut und ein regelmäßiges Bürokratiemonitoring eingeführt werden. So soll die Wirtschaftsfreundlichkeit der Verwaltung erhöht werden.E-Government serviceorientiert voranbringen
Unternehmen sind auf effiziente Verwaltungsstrukturen angewiesen. Dazu gehört auch die stärkere Digitalisierung von Verwaltungsvorgängen. Flächendeckend sollen schlanke digitale Verwaltungsstrukturen geschaffen werden. Dazu sind digitale Rahmenbedingungen der Verwaltung auszubauen und zu verbessern. Verwaltungsverfahren sollen digital gestrafft werden. Die Melde- und Registrierungspflichten sollen verschlankt werden. Es muss ein Digitalisierungs-Check in Gesetzgebungsverfahren etabliert und die vollständige Digitalisierung von Prozessen ermöglicht werden.Steuern senken und vereinfachen
Die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen ist zu hoch und das Steuerrecht zu komplex. Die Steuerbelastung soll als Standortfaktor begriffen, die Realsteuern abgesenkt und Steuerverfahren modernisiert werden. Es werden faire Grundsteuern und Gewerbesteuerreform gefordert sowie eine Steuervereinfachung und die Senkung der Gesamtsteuerbelastung. Die Grundsteuer soll belastungsneutral umgesetzt werden.Staatsfinanzen zukunftsfähig gestalten
Niedersachsen hat eine pandemiebedingte Rekordneuverschuldung. Die Schuldenbremse soll zeitnah eingehalten werden. Die Haushalte sollen konsolidiert, die Schulden abgebaut und die Steuerbelastung gesenkt werden, ohne Steuern zu erhöhen. Dazu ist eine Aufgabenkritik durchzuführen und der kommunale Finanzausgleich neu zu regeln. Auch hier ist ein Digitalisierungs-Check in das Gesetzgebungsverfahren etablieren und die vollständige Digitalisierung von Prozessen ermöglichen.
Die IHKN-Positionen zur Landtagswahl 2022 basieren auf den Ergebnissen einer gemeinsam von den sieben niedersächsischen IHKn durchgeführten Standortumfrage. Im Ergebnis wird der Wirtschaftsstandort Niedersachsen mit einer Gesamtnote von 2,6 insgesamt solide bewertet - zugleich überwiegt bei lediglich sechs der insgesamt 18 abgefragten Standortfaktoren der Anteil der zufriedenen Unternehmen dem der unzufriedenen Unternehmen. Diese und alle weiteren Ergebnisse sind im “Impulspapier” (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 2475 KB) zusammengefasst.