„Zwischen Indienstnahme und Mittäterschaft“

IHK greift ihre Rolle im Nationalsozialismus kritisch auf
„In ihrer 150-jährigen Geschichte hat unsere IHK immer wieder Erfolge erzielt. Doch die Geschichte der IHK ist keine ungebrochene Erfolgsstory, wie die Zeit des Nationalsozialismus zeigt. Wir haben uns bewusst dazu entschlossen, diese Epoche im Rahmen einer historischen Aufarbeitung kritisch aufzugreifen.“ Das erklärte Jan-Felix Simon, Vizepräsident der IHK Osnabrück - Emsland - Grafschaft Bentheim, beim IHK-Mittagsgespräch in Osnabrück. Die IHK erstelle daher anlässlich des 150-jährigen IHK-Jubiläums eine Festschrift, in der sich ein Fachbeitrag mit der NS-Zeit befasse. Prof. Dr. Christoph Rass, Autor des Beitrags und gemeinsam mit Prof. Dr. Hans-Werner Niemann zugleich wissenschaftlicher Betreuer der Festschrift, stellte im IHK-Mittagsgespräch seine bisherigen Forschungsergebnisse vor.
„Längst nicht alle IHK-Vertreter waren zwischen 1933 und 1945 überzeugte Nationalsozialisten. Aber die IHK hat sich in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt und dem Regime effizient gedient“, meinte Rass. Er habe bei den Forschungen keinen Hinweis gefunden, dass sich die IHK und ihre Vertreter dem System entzogen oder gar opponiert hätten.
Direkt nach der Machtübernahme sei eine neue Kammerspitze gewählt worden. Kammerpräsident wurde Gustav Hagen, der zur Amtsübernahme zwar nicht der NSDAP angehörte, aber als DNVP-Mitglied „weit rechts gestanden“ habe. Kurz nach der Neubesetzung der Gremien habe die IHK „ihre eigenen Prinzipien verraten und die Selbstverwaltung abgeschafft“. Wie alle Kammern in Deutschland führte sie das Führerprinzip in der IHK ein. Bei der sogenannten „Entjudung“ der Wirtschaft sei die Kammer sogar vorauseilend aktiv gewesen und habe bereits Stellungnahmen abgegeben, als dies gesetzlich noch gar nicht vorgeschrieben war. Auch im Zweiten Weltkrieg übernahm sie zentrale Funktionen wie etwa die Zuweisung von Zwangsarbeitern.
Die kritische Rolle der IHK im Nationalsozialismus sei bisher nicht näher untersucht worden. „Die heutigen Befunde widersprechen sogar diametral der Darstellung der Rolle der Kammer in der Nachkriegszeit“, so Rass. Insofern sei eine Aufarbeitung des Themas an der Zeit gewesen.
Die Festschrift zum IHK-Jubiläum wird kurz vor der IHK-Jubiläumsveranstaltung Ende September 2016 erscheinen.