Selektive Vertriebssysteme und Plattformverbote nicht per se unzulässig

Selektive Vertriebssysteme und pauschale Plattformverbote sind einseitig durch die Hersteller vertraglich vorgegebene Vertriebsbeschränkungen. Auf diesem Weg soll in der Regel der Verkauf auf Internetplattformen, wie eBay oder auch Amazon, eingeschränkt werden. Die rechtliche Bewertung dazu ist im Wandel. Der EuGH hat die Zulässigkeit jetzt zumindest bei Luxusprodukten bestätigt.
In der Vergangenheit wurden solche Beschränkungen, die insbesondere kleine Händler hart treffen können, als überwiegend kartellrechtswidrig bewertet. Nur beim Vorliegen relativ strenger Voraussetzungen wurden sie ausnahmsweise durch die Kartellbehörden und Gerichte als zulässig bewertet.
Laut dem Bericht der EU-Kommission zur Sektorenuntersuchung zum elektronischen Handel vom Mai 2017 geben beispielsweise mehr als die Hälfte der Hersteller in ihren Vereinbarungen zum selektiven Vertrieb zumindest für einen Teil ihrer Produkte den Betrieb eines physischen Verkaufspunktes durch die Einzelhändler vor und schließen damit reine Online-Händler vom Vertrieb der betroffenen Produkte aus.

EU-Kommission: Legalisierung pauschaler Plattformverbote

Als Folge der Sektorenuntersuchung 2017 kommt die EU-Kommission dennoch zu dem Ergebnis, dass (absolute) Marktplatzverbote nicht als Kernbeschränkungen im Sinne von Artikel 4 Buchstabe b und Artikel 4 Buchstabe c der Gruppenfreistellungsverordnung für Vertikalvereinbarungen angesehen werden sollten.
Wenn diese Einschätzung auch von den Kartellbehörden und Gerichten übernommen wird, werden damit viele pauschale Plattformverbote legal. Jedoch bedeute dies nicht, dass absolute Marktplatzverbote generell mit den EU-Wettbewerbsregeln im Einklang stünden. Die Kommission oder eine nationale Wettbewerbsbehörde könne in besonderen Fällen entscheiden, den Rechtsvorteil der Gruppenfreistellungsverordnung zu entziehen, wenn dies durch die Marktsituation gerechtfertigt wäre.
Diskriminierungsfrei soll es dann aber doch sein: Nutz der Hersteller selbst Online-Plattformen, dürften pauschale Plattformverbote unzulässig sein.

EuGH: Luxuswaren-Anbieter kann autorisierten Händlern Verkauf über Drittplattform verbieten

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat nun entschieden, dass zumindest ein Luxuswaren-Anbieter es seinen autorisierten Händlern verbieten könne, die Waren im Internet über eine Drittplattform wie Amazon zu verkaufen, um deren Luxusimage sicherzustellen (Urteil v. 6.12.2017, Az.: C-230/16).
Die Besonderheiten des Falles sind jedoch zu beachten. Die Verkaufsstätten der autorisierten Händler müssen eine Reihe von Anforderungen hinsichtlich Umgebung, Ausstattung und Einrichtung erfüllen. Werde autorisierten Händlern eines selektiven Vertriebssystems für Luxuswaren verboten, die Waren über nach außen erkennbare Drittplattformen zu verkaufen, sei dies nicht zu beanstanden, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt seien: Die Klausel diene der Sicherstellung des Luxusimages der Waren, sie werde einheitlich festgelegt und ohne Diskriminierung angewandt, und sie stehe in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel, so der EuGH.

Einschätzung

Das bisher übliche Regel-Ausnahme-Verhältnis (= grundsätzliche Unzulässigkeit pauschaler Plattformverbote) müsste nach Einschätzung der EU-Kommission umgekehrt werden. Plattformverbote wären grundsätzlich zulässig. Nach dem nun vorliegendem Urteil des EuGH gilt zumindest für luxuriöse Konsumartikel, dass Plattformverbote unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind. Das Urteil kann jedoch nicht einfach auf andere Bereiche übertragen werden.
Betroffenen Unternehmern wird empfohlen, die weitere Rechtsprechung genau zu verfolgen und gegebenenfalls fachanwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, da die Zulässigkeit unter anderem stark vom Einzelfall abhängt.

Die Veröffentlichung von Merkblättern ist ein Service der IHK für ihre Mitgliedsunternehmen. Dabei handelt es sich um eine zusammenfassende Darstellung der rechtlichen Grundlagen, die erste Hinweise enthält und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Sie kann eine umfassende Prüfung und Beratung durch einen Rechtsanwalt/Steuerberater im Einzelfall nicht ersetzen.
Stand: Dezember 2017