10 Tipps zur Auswahl von Sachverständigen

Gerichte, Behörden, Unternehmen sowie Verbraucher kommen in unserem hochtechnisierten und arbeitsteiligen Alltag kaum mehr ohne die Inanspruchnahme von Sachverständigen aus. Sei es bei Verkehrsunfällen, Bauschäden, Mietstreitigkeiten, fehlerhafter Handwerksarbeit, bei Vermögensauseinandersetzungen, Ehescheidungen oder einfach, wenn eine gekaufte Sache Mängel aufweist; oft hilft nur ein Sachverständigengutachten weiter.
Die folgenden Ratschläge geben Ihnen kurzgefasste, praxisnahe Informationen, wenn Sie einen Sachverständigen brauchen.

1. Was bedeutet “öffentlich bestellter” Sachverständiger?

Die allgemeine Bezeichnung “Sachverständiger” ist in Deutschland rechtlich nicht geschützt. Die Folge: Auch Gutachter, die nicht ausreichend qualifiziert sind, bezeichnen sich als Sachverständige und betätigen sich auf dem Markt. Um wirkliche Experten von solchen Anbietern abzugrenzen, sieht die deutsche Gesetzgebung die öffentliche Bestellung vor. Die öffentliche Bestellung ist rechtlich geschützt. Sie kann nur von bestimmten Bestellungskörperschaften durchgeführt werden. Dies sind neben den Industrie- und Handelskammern (IHKs) z. B. auch die Handwerkskammern oder die Ingenieur- und Architektenkammern.
Der öffentlich bestellte Sachverständige muss einen Eid darauf ablegen, dass er seine Gutachten und sonstigen Aufgaben unparteiisch, weisungsfrei, unabhängig, gewissenhaft und persönlich erstattet. Er wird nur dann öffentlich bestellt, wenn er zuvor die besondere Sachkunde nachgewiesen hat und keine Bedenken gegen seine persönliche Integrität bestehen. Darüber hinaus unterliegt er während der Zeit seiner öffentlichen Bestellung einem umfangreichen Pflichtenkatalog mit entsprechender Kontrolle durch die Bestellungskörperschaft. Unternehmen, Gerichte und Privatpersonen können sich so auf fachlich kompetente und unabhängige Gutachten verlassen.
Tipp 1: Wenn Sie einen Sachverständigen auswählen, achten Sie darauf, ob er öffentlich bestellt und vereidigt ist.

2. Was zeichnet einen öffentlich bestellten Sachverständigen aus?

  • Besondere Sachkunde
    Nur der öffentlich bestellte Sachverständige muss im offiziellen Bestellungsverfahren einen anspruchsvollen Nachweis über seine „besondere Sachkunde” führen. Darunter versteht man überdurchschnittliche Fachkenntnisse und Erfahrungen.
  • Vertrauenswürdigkeit
    Die Zuverlässigkeit und Integrität des Sachverständigen wird vor der öffentlichen Bestellung überprüft.
  • Objektivitität
    Der Sachverständige wird daraufhin vereidigt, seine Aufgaben gewissenhaft, weisungsfrei und persönlich zu erfüllen sowie seine Gutachten unparteiisch zu erstatten.
  • Pflicht zur Gutachtenerstattung
    Der Sachverständige darf Aufträge nur aus wichtigem Grund ablehnen (z. B. Verwandtschaft mit einer der Parteien).
  • Schweigepflicht
    Der Sachverständige muss die ihm bei Ausübung seiner Tätigkeit anvertrauten Privat- und Geschäftsgeheimnisse wahren. Bei unbefugter Verletzung der Schweigepflicht kann er bestraft werden.
  • Überwachung
    Der Sachverständige wird durch die Stelle, die ihn öffentlich bestellt hat, beaufsichtigt. Sie kann ihm die Bestellung entziehen, wenn er seine Sachverständigenpflichten verletzt.
Tipp 2: Vertrauen Sie auf die öffentliche Bestellung. Sie erleichtert Ihnen die Auswahl geeigneter Sachverständiger und bietet Gewähr für geprüfte Sachkunde und Vertrauenswürdigkeit.

3. Wie erkennt man einen öffentlich bestellten Sachverständigen?

  • An der Bezeichnung
    Nur der öffentlich bestellte Sachverständige darf die Bezeichnung “von der Industrie- und Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für ...” führen.
  • Am Stempel
    Nur der öffentlich bestellte Sachverständige darf einen Rundstempel führen, Originalgröße: 43 mm Durchmesser.
  • Am Ausweis
    Öffentlich bestellte Sachverständige haben einen offiziellen Ausweis, den sie auf Verlangen vorzeigen müssen und in dem Personalien, Bestellungskörperschaft und Sachgebiet angegeben sind.
  • Zeichen für Sachverstand
    Viele Sachverständige nutzen in ihrem Schriftverkehr das lizenzierte “Zeichen für Sachverstand”, welches nur öffentlich bestellten Sachverständigen vorbehalten ist.
Tipp 3: Gehen Sie auf Nummer Sicher: Sehen Sie sich Bezeichnung, Stempel und Ausweis genau an.

4. Wann kann ein öffentlich bestellter Sachverständiger helfen?

Immer, wenn eine unabhängige fachliche Information oder Beratung benötigt wird, ein Schaden beurteilt, eine Sache bewertet, ein fachlicher Streit außergerichtlich geklärt oder der tatsächliche Zustand eines Gegenstandes zu Beweiszwecken festgestellt werden soll. Rechtsfragen darf der öffentlich bestellte Sachverständige allerdings nicht beantworten.
Das Gutachten eines öffentlich bestellten Sachverständigen genießt erhöhte Glaubwürdigkeit. Deshalb bietet es oft die Grundlage für eine gütliche außergerichtliche Einigung. Als Schiedsgutachter im Auftrag der Parteien kann der Sachverständige Streitfragen außergerichtlich schnell und verbindlich entscheiden.
Im Gerichtsverfahren sollen nach den Prozessordnungen nur öffentlich bestellte Sachverständige beauftragt werden.
Tipp 4: Prüfen Sie sorgfältig, ob und wann es zweckmäßig ist, einen öffentlich bestellten Sachverständigen hinzuzuziehen.

5. Wie geht man mit einem öffentlich bestellten Sachverständigen um?

Ein öffentlich bestellter Sachverständiger darf keine fachlichen Weisungen befolgen und Beeinflussungsversuchen nachgeben, die die Objektivität des Gutachtens beeinträchtigen würden. Auch Dritte, denen das Gutachten bestimmungsgemäß vorgelegt wird (z. B. Banken, Versicherungen usw.) müssen sich auf seine Objektivität und Richtigkeit verlassen können. Die zu beantwortenden Fragen werden jedoch vom Gericht vorgegeben oder zwischen Sachverständigen und privatem Auftraggeber vertraglich festgelegt.
Der Sachverständige muss das Gutachten und dessen tragende Grundlage (z. B. Untersuchungen, Besichtigungen, Prüfung von Unterlagen) persönlich erarbeiten.
Ständige Geschäftsbeziehungen, gute Bekanntschaft oder Verwandtschaft und dergleichen stellen die Unparteilichkeit des Sachverständigen und die Verwertbarkeit des Gutachtens regelmäßig in Frage.
Tipp 5: Ein objektives Gutachten dient Ihnen letztlich am besten. Stellen Sie deshalb sicher, dass der Sachverständige seine Unabhängigkeit wahren kann.

6. Wie muss der Auftraggeber den Sachverständigen unterstützen?

Ist ein Gutachten in Auftrag gegeben, besteht für den Auftraggeber eines Gutachtens nach Werkvertragsrecht eine Mitwirkungspflicht. Das bedeutet, dass der Auftraggeber
  1. alles einschlägige Material zur Verfügung stellt,
  2. alle Informationen weitergibt, die von Bedeutung sind bzw. sein können,
  3. jede erforderliche Besichtigung ermöglicht,
  4. alle notwendigen Untersuchungen durchführen lässt,
  5. alles unterlässt, um den Sachverständigen einseitig zu beeinflussen.
Kann oder will der Auftraggeber nicht im erforderlichen Umfang mitwirken, weil z. B. bestimmte Tatsachen nicht bekannt werden sollen, ist der Zweck des Auftrags insgesamt in Frage gestellt. Der Sachverständige kann sich in diesem Fall weigern, den Auftrag durchzuführen, weil er nur zur Herstellung eines ordnungsgemäßen Gutachtens verpflichtet werden kann. Der Sachverständige unterliegt zwar einer Schweigepflicht, hat aber im Prozess kein besonderes Aussageverweigerungsrecht.
Tipp 6: Püfen Sie vor Erteilung eines Gutachtenauftrags, ob Sie der Mitwirkungspflicht nachkommen können oder wollen.

7. Was kostet ein Gutachten?

Für die Sachverständigentätigkeit gibt es bis auf die Tätigkeit vor Gericht keine Gebührenordnung. Deshalb sollte das Honorar vor Auftragsübernahme mit dem Sachverständigen ausgehandelt werden.
Wird kein Honorar vereinbart, gilt die so genannte „übliche Vergütung”, deren Feststellung im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Die meisten Sachverständigen berechnen ihr Honorar nach den aufgewendeten Stunden. Der Stundensatz hängt vom Sachgebiet, der Schwierigkeit des Gutachtens, den besonderen Umständen des Falles und der Beschäftigungslage des Sachverständigen ab. Nebenkosten und Mehrwertsteuer werden in der Regel gesondert berechnet.
Wird der Sachverständige im Auftrag eines Gerichtes tätig, so richtet sich die Höhe seiner Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Zusätzlich werden dem Sachverständigen die notwendigen Auslagen wie die Kosten für Hilfskräfte, Fotokopien, Reisen und Übernachtungen ersetzt. Die Kosten des Sachverständigen sind Teil der Prozesskosten und von der unterliegenden Partei je nach Prozessausgang ganz oder anteilig zu tragen.
Tipp 7: Vereinbaren Sie vor der Erteilung eines privaten Auftrags das Honorar.

8. Wie haftet der öffentlich bestellte Sachverständige?

Auch ein öffentlich bestellter Sachverständiger ist nicht unfehlbar. Er muss für Fehler in seinem Gutachten einstehen, bei privatem Auftrag ein fehlerhaftes Gutachten nachbessern oder eine Honorarkürzung hinnehmen. Hat er einen Mangel am Gutachten schuldhaft verursacht, haftet er auch für alle Folgeschäden, die aus der Verwendung des Gutachtens entstehen. Schuldhaft bedeutet, dass der Sachverständige nicht mit der notwendigen Sorgfalt gearbeitet hat. Die Haftung ist auch vom Inhalt des Gutachtenauftrags abhängig. Daher sollte der Auftrag schriftlich formuliert und genau abgegrenzt werden.
Durch Vereinbarung mit dem Auftraggeber kann der Sachverständige in gewissem Umfang seine Haftung individuell regeln; die Haftung für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit darf jedoch nicht ausgeschlossen werden.
Die Industrie- und Handelskammern empfehlen den Sachverständigen nachdrücklich den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Schäden aus der Sachverständigentätigkeit.
Wird der Sachverständige im Gerichtsauftrag tätig, gelten andere Haftungsregeln, die gesetzlich festgelegt sind und nicht abbedungen werden können.
Tipp 8: Klären Sie den Umfang der Haftung mit dem Sachverständigen, bevor Sie den Auftrag erteilen.

9. Was geschieht bei Beschwerden?

Besteht Grund zur Beschwerde über die Tätigkeit des Sachverständigen, sollte in jedem Fall die Stelle informiert werden, die den Sachverständigen öffentlich bestellt hat. Dort wird die Angelegenheit sorgfältig überprüft, um sicherzustellen, dass nur geeignete Sachverständige öffentlich bestellt bleiben. Die Überprüfung erfolgt deshalb ausschließlich im Interesse der Öffentlichkeit.
Bei schwerwiegenden oder wiederholten Pflichtverstößen muss der Sachverständige mit dem Widerruf seiner öffentlichen Bestellung rechnen. Ist dem Beschwerdeführer ein Schaden entstanden, kann er privatrechtlich gegen den Sachverständigen vorgehen (siehe Ziffer 8). Die Aufsicht führende Stelle kann nicht in seinem Interesse tätig werden und etwaige Nachbesserungswünsche oder Schadenersatzansprüche beim Sachverständigen durchsetzen.
Bei Beschwerden über eine gerichtliche Tätigkeit eines Sachverständigen muss die Aufsichtsbehörde abwarten, bis das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
Tipp 9: Setzen Sie sich mit der Aufsichtsbehörde in Verbindung, wenn Sie meinen, dass ein Sachverständiger gegen seine Pflichten verstoßen hat.

10. Wo bekommen Sie Rat und Hilfe?

Auskunft über öffentlich bestellte Sachverständige und Antworten auf Fragen zum Sachverständigenwesen erteilen die bestellenden Stellen.
Die Bestellungskörperschaften geben regionale und überregionale Verzeichnisse über öffentlich bestellte Sachverständige heraus. Sie benennen auf Anfrage kostenlos geeignete Sachverständige. Je konkreter der zu beurteilende Sachverhalt geschildert wird, desto gezielter kann der richtige Sachverständige gefunden werden.
Tipp 10: Wenden Sie sich an die zuständige Kammer, wenn Sie einen öffentlich bestellten Sachverständigen benötigen oder Probleme mit Sachverständigen haben. Oder suchen Sie direkt im bundesweiten Sachverständigenverzeichnis nach geeigneten Sachverständigen. Die IHK in Osnabrück verfügt zudem ein regionales Sachverständigenverzeichnis.