Verbraucherstreitbeilegung: Infopflicht bei Kauf- und Dienstleistungsverträgen

Während Online-Händler bereits seit dem 09.01.2016 über einen leicht zugänglichen Link auf eine Online-Streitschlichtungsplattform (sog. OS-Plattform) auf ihrer Website informieren müssen (vgl. dazu: Informationspflichten für Händler über Streitbeilegungsplattform), gibt es seit dem 01.02.2017 weitere Informationspflichten für alle auf Verbraucher ausgerichtete Online-Shops und alle (auch stationären) Unternehmen, die für Kauf- und Dienstleistungsverträge mit dem Verbraucher Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwenden. Somit gelten seit dem 01.02.2017 weitergehende Informationspflichten für nahezu alle Unternehmen, die im B2C-Bereich agieren.
Seit dem 01.04.2016 ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) in Kraft, mit dem in Deutschland die EU-Richtlinie 2013/11/EU (ADR-Richtlinie) umgesetzt wurde. Ziel des Gesetzes ist es, in der EU ein Netz von Verbraucherschlichtungsstellen zu schaffen, an die sich Verbraucher und Unternehmen bei Streitigkeiten aus Verbraucherverträgen (Kauf und Dienstleistung) wenden können – entweder an branchenspezifische oder in Branchen, in denen es noch keine branchenspezifische Schlichtungsstelle gibt, an eine Allgemeine Schlichtungsstelle. Die Teilnahme ist für Unternehmen grundsätzlich freiwillig. Verpflichtet sind nur wenige Unternehmen aus bestimmten Branchen (z. B. Energieversorger, Luftfahrt- und Eisenbahnverkehrsunternehmen). Alle anderen können über ihre Teilnahme an einer Schlichtung frei entscheiden und diese Entscheidung jederzeit wieder ändern.

Allgemeine Informationspflicht zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren (§ 36 VSBG)

Ein Unternehmen, das
  1. mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt (Stichtag ist der 31. Dezember des Vorjahres; es zählt die tatsächliche Kopfzahl unabhängig von der Arbeitszeit) und
  2. das eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet und
  3. Verträge mit Verbrauchern schließt,
muss gem. § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG darüber informieren, inwieweit es entweder freiwillig bereit ist, an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen oder durch bestimmte Regelungen zur Teilnahme verpflichtet ist. Eine Verpflichtung kann sich aus gesetzlichen Vorschriften ergeben, z. B. im Bereich der Energieversorgung oder im Luftverkehr. Eine Verpflichtung kann sich auch aus einer Vereinbarung ergeben. Ein Beispiel für eine Vereinbarung ist die pauschale Selbstverpflichtung eines Unternehmens in der Vereinssatzung des Trägervereins einer Schlichtungsstelle. Die Teilnahme kann auf bestimmte Konflikte oder Wertgrenzen beschränkt werden.
Besteht allgemein keine Bereitschaft, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, müssen Verbraucher darüber ebenfalls auf der Webseite und in den AGBs informiert werden. Verbraucher sollen nämlich bereits bei Vertragsschluss wissen, ob sie im Falle einer eventuell auftretenden Streitigkeit ein Verfahren bei einer Verbraucherschlichtungsstelle durchführen können oder nicht.
Darüber hinaus muss jedes Unternehmen, egal welcher Größe, das
  1. eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet und
  2. Verträge mit Verbrauchern schließt und
  3. sich freiwillig zur Teilnahme an Schlichtungsverfahren verpflichtet hat oder zur Teilnahme gesetzlich verpflichtet ist,
nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 zudem die zuständige Verbraucherschichtungsstelle mit Anschrift und Webseite nennen. Diese Vorschrift gilt also unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten.
Im Fall der Teilnahme kann folgender Hinweis gegeben werden:
"Wir nehmen an einem Streitbeilegungsverfahren vor der Verbraucherschlichtungsstelle (hier die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle inklusive Anschrift und der Website nennen) teil.".
Im Fall der Nichtteilnahme kann folgender Hinweis gegeben werden:
"Wir sind zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle nicht verpflichtet und nicht bereit".
Unternehmen, die sowohl eine Webseite haben als auch AGB verwenden, müssen den Hinweis in beiden Medien aufnehmen.

Weitergehende Informationspflichten im Streitfall (§ 37 VSBG)

Unabhängig von der vorgenannten allgemeinen Informationspflicht muss ein Unternehmen dann, wenn es zu einem Streit mit einem Kunden kommt, weitere Informationspflichten erfüllen.
Diese Pflicht betrifft ALLE Unternehmen (also unabhängig von der Zahl der Beschäftigten, es muss auch nicht unbedingt online tätig sein oder AGBs verwenden). Die Pflicht besteht auch für Unternehmen, die an Streitbeilegungsverfahren nicht teilnehmen möchten.
In Streitfällen, also wenn sich eine Beschwerde nicht direkt lösen lässt - muss jedes Unternehmen den Verbraucher in Textform – also z. B. per E-Mail – informieren, an welche Verbraucherstelle (mit Angabe der Anschrift und Webseite) sich der Verbraucher wenden kann. Dabei ist auch anzugeben, ob lediglich eine Bereitschaft oder eine Verpflichtung zur Teilnahme am Verfahren besteht. Auch wenn ein Unternehmen hierzu nicht bereit oder verpflichtet ist, muss es dies mitteilen und auf die zuständige Stelle (einschließlich Anschrift und Webseite) hinweisen.
Dem Verbraucher kann beispielsweise folgender Hinweis gegeben werden:
"Die für Sie zuständige Verbraucherschlichtungsstelle ist die (Name, Anschrift und Website einfügen). Wir nehmen an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teil / nicht teil."
Anmerkung: "Zuständige Verbraucherschlichtungsstelle" ist die Stelle, die für die konkrete Verbraucherstreitigkeit sachlich und örtlich zuständig wäre und deren Verfahren dem Unternehmen zur Teilnahme offen steht.

Liste der Schlichtungsstellen

Eine Liste der anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen findet sich unter dem folgenden Link:

Ablauf und Kosten der Schlichtung

Wendet sich ein Verbraucher mit seinem Antrag an die örtlich und sachlich zuständige Schlichtungsstelle, wird dem Unternehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Ein Streitmittler soll den Parteien dann innerhalb von 90 Tagen einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten, der sich an der geltenden Rechtslage orientiert, aber auch die Möglichkeit bietet, auf die Parteiinteressen ausreichend Rücksicht zu nehmen.
Sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmer kann die Schlichtung jederzeit abbrechen.
Mit der Mitteilung des Ergebnisses ist das Verfahren beendet.
Für den Zeitraum des Verfahrens ist die Verjährung der Ansprüche gehemmt. Sind die Parteien mit dem Lösungsvorschlag nicht einverstanden, besteht also noch die Möglichkeit, den Streit vor den ordentlichen Gerichten klären zu lassen.
Die Kosten des Verfahrens trägt grundsätzlich der Unternehmer. Nur wenn der Verbraucher die Schlichtungsstelle missbräuchlich anruft, wird eine Gebühr von ihm erhoben.

Worauf ist zu achten?

Bei der Umsetzung ist insbesondere darauf zu achten, dass die Informationen für den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich sind.
Sofern Unternehmen sowohl eine Webseite unterhalten als auch AGB verwenden, muss der Hinweis auf die Möglichkeit der Schlichtung in beiden Medien erscheinen.

Weitere Informationen

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat einen Leitfaden für Unternehmen zur Verbraucherschlichtung veröffentlicht. Den Link finden Sie rechts unter "Weitere Informationen".
Weitere Informationen zu diesem Thema gibt die DIHK-Broschüre "Ist Schlichten besser als Richten? Die neuen Regelungen in der Verbraucherschlichtung und ihre Auswirkungen auf Unternehmen". Die 40-seitige Broschüre kann über den DIHK-Verlag zum Preis von 7,90 € bestellt werden (nebenstehender Link).