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Angst vor dem Brückenkollaps
Mehr als 800 Brücken auf den Autobahnen in NRW gelten als besonders sanierungsbedürftig. Was kommt da auf die Wirtschaft zu? | Text: Daniel Janning
Monatelang war die A 42-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal für den gesamten Verkehr gesperrt, inzwischen ist sie für Pkw wieder freigegeben. Sie ist nach der Leverkusener Brücke (A 1), der Rheinbrücke Duisburg-Neuenkamp (A 40), der Emschertalbrücke (A 43) sowie der Rahmedetalbrücke (A 45) die mittlerweile fünfte Brücke in NRW, die marode ist und deshalb kurzfristig gesperrt werden musste. Die Schlachthofbrücke bei Bochum (A 40) wird nach der Europameisterschaft die nächste Brücke sein, die vollgesperrt wird, um sie neu zu bauen – dies jedoch planmäßig.
© IHK Nord Westfalen/Canva
Wie konnte es zur aktuellen Situation kommen?
Mitte der 70-er Jahre, kurz nach der Freigabe der Rhein-Herne-Kanal-Brücke, querten die Brücke täglich 25.000 Fahrzeuge. Kurz vor der Sperrung im vergangenen Jahr waren es mehr als drei Mal so viele Fahrzeuge (82.000), davon allein 14.000 Lkw. Achslasten und Gesamtgewichte der Lkw sind ebenso wie die Fahrleistungen im Straßengüterverkehr in den vergangenen Jahrzehnten stetig gestiegen.
© Funke Foto Services/Lars Fröhlich
Der Zustand der Brücken wird daher regelmäßig durch die Straßenbauverwaltung überprüft, um Schäden festzustellen und kurzfristige Ausfälle sowie Sperrungen zu vermeiden. Alle sechs Jahre wird jede Brücke einer detaillierten Hauptprüfung unterzogen. Drei Jahre nach einer Hauptprüfung wird jede Brücke einer sogenannten Einfachen Prüfung unterzogen. Die Einfache Prüfung ist als intensive, erweiterte Sichtprüfung, die jährlich stattfindet, zu verstehen. Die dabei festgestellten Bauwerkszustände werden mittels Traglastindex und Zustandsnote festgehalten - sowohl bei Brücken in Zuständigkeit der Autobahn GmbH (Bundesautobahnen) oder in Zuständigkeit des Landesbetriebs Straßen.NRW (Bundesstraßen und Landesstraßen). Auf Grundlage dieser Datenbasis und systematischen Brückennachrechnungen erfolgt dann die Ermittlung des Erhaltungsbedarfs für die Brückenbauwerke.
Engmaschiges Straßennetz und hohe Verkehrsbelastung in NRW führen zu großer Betroffenheit
© andrew shots/AdobeStock
Was könnte helfen?
1. Masterplan für Sanierung und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur
2. übergeordnetes Baustellenmanagement
3. beschleunigte Genehmigungsverfahren
1. Masterplan für Sanierung und Erhalt der Verkehrsinfrastruktur
2. übergeordnetes Baustellenmanagement
3. beschleunigte Genehmigungsverfahren
Trotz der regelmäßigen Überprüfungen und der guten Datenbasis kommt es in den vergangenen Jahren gehäuft zu kurzfristigen, fast spontanen Brückensperrungen. Ein Grund hierfür ist die Vernachlässigung der Sanierung und Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur. Dies betrifft nicht nur die Straße, sondern auch die Schienenwege und das westdeutsche Kanalnetz, in dem einige Schleusen noch aus Kaiser Wilhelms Zeiten stammen. Der Sanierungsstau ist groß und stellt die Bauverwaltung vor entsprechend große Herausforderungen. Begrenzte Personalkapazitäten in der Planung, lange Planungsverfahren sowie die mangelnde Flexibilität und Kreativität bei der Bauausführung bremsen das Tempo der notwendigen Sanierungs- und Ersatzneubaumaßnahmen aus. Dadurch steigt die Gefahr, dass immer mehr Brücken weniger stark belastet werden dürfen oder ganz für den Verkehr gesperrt werden müssen. Dieser Zustand droht zu einer neuen Normalität zu werden.
Welche Maßnahmen können helfen, den Sanierungsstau zu reduzieren?
Aus den Erfahrungen der Vergangenheit müssen daher die richtigen Lehren gezogen werden. Eine auskömmliche finanzielle Ausstattung durch Bund und Länder sowie eine ausreichende Anzahl an Fachkräften wie Fachplaner und Ingenieure für die Sanierung und den Ersatzneubau sind weiterhin von zentraler Bedeutung, um eine Trendwende zu mehr Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Verkehrswege zu erreichen. Ein Masterplan für die Sanierung und Erhaltung der Verkehrsinfrastruktur in NRW kann diesen Prozess unterstützen. Dieser muss einen integrierten Handlungsansatz verfolgen. Verkehrsträger- und baulastträgerübergreifend müssen die Maßnahmen koordiniert und abgestimmt werden. Dies gilt gewiss auch für ein übergeordnetes Baustellenmanagement, um die Auswirkungen von Verkehrsverlagerungen möglichst gering zu halten. Jede Verkehrsverlagerung im Straßennetz führt zu einer Mehrbelastung und weiteren Schäden, insbesondere auch an Brücken, an anderer Stelle.
Begehung der gesperrten A 42 Brücke über den Rhein-Herne-Kanal zwischen Essen und Bottrop, am Montag den 15. Januar 2024 in Bottrop.
© FUNKE Foto Services / Lars Fröhlich
Erste Ansätze zur Beschleunigung von Baumaßnahmen, z.B. durch den Bau von Expressbrücken oder durch Bonus-Systeme für eine schnellstmögliche Bauausführung, werden bereits erprobt und umgesetzt, weitere müssen folgen. Hierfür ist auch ein Blick über die Grenze in die Niederlande hilfreich. Dort ist man in Sachen Brückenbau weiter als in Deutschland.
Die Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Verkehrsinfrastruktur muss dauerhaft ganz oben auf der Agenda der Verkehrspolitik bei Bund und Land stehen. Denn spätestens seit Sperrung der Leverkusener A 1-Brücke Ende 2012 sollte klar sein: Gut erhaltene und leistungsfähige Brücken spielen hier eine besondere Rolle.
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Redaktion Wirtschaftsspiegel