Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit
Europäischer Emissionshandel: Fit for 55
Reform des europäischen Emissionshandels: Die Vorschläge im Überblick
Für alle Unternehmen relevant sind absehbar weiter steigende CO2-Preise und damit ein höherer Druck auf Unternehmen, Energieverbräuche zu senken, erneuerbare Energieträger zu nutzen und auf emissionsarme Produktionsverfahren umzustellen. Die Kommission schlägt vor, den heute bestehenden europäischen Emissionshandel (EU-ETS) zu reformieren.
Konkret soll das Ausgangsniveau der zur Verfügung gestellten Emissionszertifikate einmalig abgesenkt und der Pfad zur weiteren Reduzierung steiler werden. Zudem soll eine höhere Entnahme von Zertifikaten aus der Marktstabilitätsreserve ermöglicht werden und es ist geplant, den Anwendungsbereich des Emissionshandels um den Seeverkehr zu erweitern.
Für Unternehmen mit großen, am EU-ETS beteiligten Industrieanlagen, ist die teilweise freie Zuteilung von Zertifikaten Voraussetzung dafür, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit ihrer Produkte gewahrt bleibt. Der Kommissionsvorschlag sieht vor, diese freie Zuteilung an Industrieunternehmen herunterzufahren, indem die maximale Abwertung der Benchmarks von 1,6 auf 2,5 Prozent pro Jahr angehoben wird. Das führt in Kombination mit der erwarteten Steigerung der CO2-Preise zu deutlich höheren Belastungen dieser Unternehmen. Zusätzlich wird als Gegenleistung für die freie Zuteilung eine Verpflichtung zu Klimaschutzinvestitionen eingeführt.
Ein neuer Emissionshandel für Gebäude und Verkehr
Neben dem bestehenden Emissionshandel soll ein weiteres Emissionshandelssystem eingeführt werden, das ab 2026 die Emissionen des Energieeinsatzes in Gebäuden und Verkehr bepreist. Wie im deutschen nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) werden die Inverkehrbringer von Kraft-/Brennstoffen zur Teilnahme verpflichtet. Diese geben dann den CO2-Preis an ihre Kunden weiter.
Ausgenommen von dem neuen Emissionshandel sollen Brennstoffverbräuche für die Erzeugung industrieller Prozesswärme sein. Eine freie Zuteilung beziehungsweise Entlastung besonders betroffener Energieverbraucher ist nicht vorgesehen; die Versteigerungserlöse sollen aber für Investitionen in den Klimaschutz und zur Unterstützung ärmerer Haushalte eingesetzt werden.
CO₂-Grenzausgleich für einzelne Branchen
Der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) soll das EU-Emissionshandelssystems (EU ETS) ergänzen und sicherstellen, dass für Importe die gleichen Emissionspreise anfallen wie für Produkte, die innerhalb der Europäischen Union hergestellt wurden. So soll „Carbon Leakage“ verhindert werden, eine Abwanderung von industriellen Prozessen, die durch das höhere klimapolitische Ambitionsniveau der EU im globalen Vergleich entstehen. Der EU CO2-Grenzausgleich trat in 2023 in Kraft und erfordert von den Unternehmen eine gründliche Vorbereitung. Anbei finden Sie ein DIHK-Informationspapier zu CBAM.
Ausbau erneuerbarer Energien
Damit die mit dem Green Deal beabsichtigte Transformation gelingen kann, werden entsprechende CO2-arme Alternativen zur Energieversorgung, also Strom aus erneuerbaren Quellen und klimafreundlicher Wasserstoff in auskömmlichen Mengen und zu wettbewerbsfähigen Preisen, zur Verfügung stehen müssen. Dafür plant die EU-Kommission die Festlegung eines verbindlichen EU-Ausbauzieles von 38 bis 40 Prozent Anteil am Endenergieverbrauch bis 2030.
Nationale Ziele will sie nicht vorschreiben. Vorgesehen sind aber indikative Erneuerbaren-Ziele für die Bereiche Gebäude – voraussichtlich 39 Prozent bis 2030 – und die Industrie. Im Bereich Verkehr soll neben dem Unterziel für fortschrittliche Kraftstoffe auch eines für Treibstoffe nicht biogenen Ursprungs eingeführt werden, etwa für Strom, Wasserstoff oder E-Fuels. Vorgeschlagen wird zudem ein EU-weit gültiges System für Herkunftsnachweise. Das soll unter anderen dazu beitragen, dass im EU-Strombinnenmarkt mehr Verträge für die Direktabnahme von erneuerbarem Strom (PPA) geschlossen werden.
Stärkung der Energieeffizienz
Das derzeit gültige Energieeinsparziel von 32,5 Prozent bis 2030 gegenüber 2008 wird nach Einschätzung der Kommission voraussichtlich um rund 3 Prozent verfehlt. Nachsteuerungsbedarf bestehe daher auch ohne eine weitere Verschärfung. Ob die Effizienzziele erhöht werden sollen, ist noch offen. Klar ist, dass die Kommission darauf setzt, das Prinzip „Efficiency First" – also den Leitgedanken, sparsam mit Energie umzugehen – in allen energieverbrauchsrelevanten Segmenten zu stärken.
Einen besonderen Beitrag soll dabei die öffentliche Hand leisten, unter anderem über Sanierungsverpflichtungen für mehr öffentliche Gebäude und eine stärkere Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der öffentlichen Beschaffung (green public procurement). Insgesamt wird mehr als bislang ein stärkeres Gewicht auf die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden gelegt.
Die Kriterien für die Verpflichtung zu Energie-Audits und Energie-Managementsysteme sollen nicht mehr an Art und Größe des Unternehmens festgemacht werden, sondern an der Höhe ihres Energieverbrauchs.
Automobil: Flottengrenzwerte und Ladeinfrastruktur
Im Verkehrssektor sind eine Anpassung der CO₂-Flottengrenzwerte für Pkw und der Ausbau der Ladeinfrastruktur geplant. Damit soll die vollständige Marktdurchdringung mit Elektrofahrzeugen erheblich beschleunigt werden.
Bisher sah die Verordnung für die CO₂-Flottengrenzwerte von Pkw bis 2030 eine Verringerung der Emissionen um 37,5 Prozent bei neuen Pkw gegenüber 2021 vor. Die vorgeschlagenen 55 Prozent Reduktion gegenüber 2021 auf dann rund 50 Gramm CO2 je Kilometer und Pkw sind nur ein Zwischenschritt. Bereits 2035 sollen neu zugelassene Pkw und Vans komplett emissionsfrei sein. Das bedeutet das Ende für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.
Darüber hinaus schlägt die EU-Kommission mit der novellierten Gesetzgebung zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe deutlich konkretere Ausbaupläne für Ladesäulen sowie für Wasserstoff- und Gastankstellen vor. Die bestehende Richtlinie wird in eine direkt gültige Verordnung umgewandelt. Unter den alternativen Kraftstoffen wird der Schwerpunkt klar auf Strom und Wasserstoff gelegt – auch für Nutzfahrzeuge. Jeder Mitgliedsstaat muss hierfür eine bestimmte Netzabdeckung bei der Lade- beziehungsweise Tankinfrastruktur erreichen. Die Kraftstoffe Erdgas (CNG, LNG) und Flüssiggas (LPG) werden nur noch übergangsweise beim Infrastrukturausbau berücksichtigt. Nicht zuletzt werden Minimalausstattungen für See- und Binnenhäfen bei der Landstromversorgung sowie an Flughäfen für die stationäre Bordstromversorgung vorgeschrieben.
Land und Forst als CO₂-Senke
Absehbar ist, dass ein kleiner Teil der Emissionen unvermeidbar bleibt. Damit Europa unterm Strich spätestens im Jahr 2050 keine Treibhausgase mehr emittiert, wird also die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre erforderlich sein. Hierzu soll der Bereich der Land- und Forstwirtschaft einen wesentlichen Beitrag leisten.
Ziel ist es deshalb nicht nur, wie bisher, dass die Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) im gleichen Sektor vollständig bilanziell ausgeglichen werden, sondern vielmehr, dass eine CO2-Senke entsteht, also ein Ökosystem, das Kohlendioxid dauerhaft speichert. Ziel ist eine Netto-Treibhausgasentnahme im LULUCF-Sektor von 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2030.
Ergänzt wird dieses Dossier um eine Waldstrategie.