Titelgeschichte IHKplus 06/2022

„Unternehmen profitieren von der Transparenz“

Interview mit Heike Klembt-Kriegel, Geschäftsführerin von IHK FOSA.
„Der besseren Nutzung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen für den deutschen Arbeitsmarkt, um eine qualifikationsnahe Beschäftigung zu ermöglichen“, dient das Gesetz über die Feststellung der Gleichwertigkeit von Berufsqualifikationen (BQFG). So steht es in Paragraf 1. Es trat vor zehn Jahren in Kraft. Die IHKs in Deutschland schufen zeitgleich ein Kompetenzzentrum, das sich seitdem zentral um die Feststellung der Gleichwertigkeit ausländischer Berufsabschlüsse kümmert (engl. FOreign Skills Approval): IHK FOSA mit Sitz in Nürnberg. „IHKplus“-Autor Lothar Schmitz sprach mit Geschäftsführerin Heike Klembt-Kriegel.
Frau Klembt-Kriegel, wenn ein Unternehmen eine ukrainische IT-Spezialistin oder einen kroatischen Elektroniker beschäftigen möchte und die beiden sich in der Praxis bewähren – weshalb brauchen die ausländischen Fachkräfte dann eigentlich eine formelle Anerkennung der beruflichen Qualifikation?
Personen mit qualifizierter Berufsausbildung aus dem Ausland können Ausbildungsnachweise transparent präsentieren und zeigen, dass sie die erforderliche berufliche Handlungsfähigkeit wie eine Fachkraft in Deutschland besitzen. Der Bescheid hat das komplette Berufsleben Bestand und besitzt daher nachhaltigen Charakter. Im Zusammenhang mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) ist der Anerkennungsbescheid Zuwanderungsvoraussetzung für Fachkräfte geworden.
Und was haben die deutschen Unternehmen davon?
Unternehmen profitieren von dieser Transparenz: Der Anerkennungsbescheid ermöglicht ihnen eine bessere Einschätzung im Ausland erworbener beruflicher Qualifikationen und damit eine passgenaue Besetzung von Stellen.
Worum geht es bei der Anerkennung denn genau – und wo lauern typische Fallstricke?
Kern des Anerkennungsverfahrens ist die sogenannte Gleichwertigkeitsfeststellung, das heißt der detaillierte Vergleich der ausländischen Berufsqualifikation mit der aktuellen deutschen Ausbildungsordnung des entsprechenden Berufes nach den Kriterien Dauer und Inhalt. Ergibt dieser Vergleich wesentliche Unterschiede, ermöglicht das Anerkennungsgesetz den zu ständigen Stellen, ebenfalls Berufserfahrung und sonstige Befähigungsnachweise, also beispielsweise Weiterbildungen, zu berücksichtigen, um diese gegebenenfalls auszugleichen. Je nachdem endet das Verfahren mit einer vollen oder teilweisen Gleichwertigkeit. Seit zehn Jahren kommen wir unserem Auftrag nach und helfen Antragstellenden über Probleme hinweg.
Die Bildungssysteme in den Herkunftsländern sowie in Deutschland unterscheiden sich teils erheblich voneinander. Gibt es überhaupt den Fall, dass Sie eine volle Gleichwertigkeit feststellen, oder ist das die Ausnahme?
Nachdem im Anerkennungsgesetz die Möglichkeit verankert ist, einschlägige Berufserfahrung und sonstige Befähigungsnachweise in die Gleichwertigkeitsfeststellung einzubeziehen, können sehr oft volle Gleichwertigkeiten erreicht werden.
Wenn die Qualifikationen nicht gleichwertig sind – was bedeutet das dann eigentlich für das interessierte Unternehmen und für die ausländische Fachkraft?
Antragstellende haben nach einem Bescheid über eine teilweise Gleichwertigkeit die Möglichkeit, festgestellte wesentliche Unterschiede durch gezielte Anpassungsqualifizierung nachzuholen. Damit kann eine volle Gleichwertigkeit erreicht werden.
Hat sich Ihre Arbeit in den zehn Jahren seit Gründung von IHK FOSA verändert? Stellen Sie bestimmte Trends fest?
Wir arbeiten seit zehn Jahren auf der gleichen gesetzlichen Basis, die Länder und Umstände haben sich jedoch sehr stark verändert. Zu Beginn stellten überwiegend Antragstellende mit Wohnsitz in Deutschland sowie Bildungsabschlüssen aus Ländern der Europäischen Union einen Antrag. Mit dem Zuzug von Geflüchteten ab 2015 hat sich dies deutlich geändert. Ab März 2020 hat dann das FEG die Zuwanderung nach Deutschland auch für beruflich Qualifizierte aus Drittstaaten erleichtert, seither bekommen wir viele Anträge direkt aus Drittstaaten.
Wegen des russischen Angriffskriegs sehen sich viele Menschen aus der Ukraine gezwungen, ihr Land zu verlassen. Darunter sind viele gut ausgebildete Frauen. Welche Chancen haben sie bei der Anerkennung ihrer Qualifikationen auf dem deutschen Arbeitsmarkt?
Pauschale Aussagen hinsichtlich der Erfolgsaussichten von Anerkennungsverfahren für Ausbildungsabschlüsse aus spezifischen Ländern können wir nicht treffen. Wie bereits erwähnt, beeinflusst die individuelle Erwerbsbiografie den Verfahrensausgang, zudem ändern sich die Bildungssysteme im Ausland ebenso wie das deutsche Bildungssystem. Jedoch beurteilen wir die Anerkennungsfähigkeit von Berufsausbildungen aus der Ukraine allgemein als verhältnismäßig gut. Dies aufgrund des gut geordneten, grundsätzlich staatlich und zentralisiert geregelten Ausbildungssystems.

Akhila Kunstmann
Aus- und Weiterbildung - Anerkennungsberaterin
Jasna Rezo-Flanze
Aus- und Weiterbildung | Leiterin Fachkräfteentwicklung