Wann bewegt sich endlich was?
„Es wird leider immer schlimmer statt besser.“ So fasst Birgit Heitzer, Bereichsleiterin Beschaffungslogistik & Logistik Services der REWE Group, die Lage auf den Straßen in und um Köln herum zusammen.
Aus drei großen Lagerstandorten im Kölner Norden heraus beliefert das Handelsunternehmen Supermärkte, Discounter und Online-Kunden in der Region. Eigentlich liegen die Lager verkehrsgünstig, direkt an der Autobahn A1. Doch wer in den vergangenen Jahren und Monaten mit dem Auto hier unterwegs war, weiß: Auf der wichtigen Verkehrsader geht an vielen Tagen gar nichts mehr.
Dauerstau ist an der Tagesordnung, seitdem für die Leverkusener Rheinbrücke ein Neubau errichtet werden muss. Mindestens bis Ende 2023 wird das marode, aus den 1960er Jahren stammende Bestandsbauwerk noch für den Schwerlastverkehr gesperrt bleiben.
Für die REWE-Logistikexpertin bedeutet das: „Jeden Tag Stau und viele Umwegkilometer für unsere Fahrzeuge.“ Um trotzdem alle Lieferungen pünktlich zu Märkten und Kunden zu schicken, muss die Handelsgruppe zusätzliche Lkw einsetzen.
Die Folge: „Wir können unsere Fahrzeuge nicht effizient auslasten. Wir brauchen mehr Fahrer, obwohl Fachkräfte ohnehin schon schwer zu finden sind. Wir verbrauchen mehr Treibstoff.“ Das treibt die Logistikkosten, macht eine verlässliche Planung der Fahrten zum Kraftakt. Und nicht zuletzt: „Die zusätzlichen Lkw-Kilometer erhöhen unseren CO2-Ausstoß und bremsen uns so bei der Erreichung unserer Nachhaltigkeitsziele.“
So wie dem Kölner Handelskonzern geht es vielen Unternehmen in der Region. Denn in und um Köln herum stockt seit langem die dringend notwendige Sanierung und der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur – und das für alle wichtigen Verkehrsträger. Die Auswirkungen sind für die Wirtschaft im gesamten Rheinland spürbar. Besonders angespannt ist die Lage auf den Autobahnen. „Vier der zehn bundesweit am meisten genutzten Autobahnabschnitte liegen auf dem Kölner Autobahnring“, konstatiert Christopher Köhne, Experte für Verkehrspolitik, Logistik und Mobilität an der IHK Köln.
Stetig steigendes Verkehrsaufkommen
Das liegt zum einen daran, dass hier einfach viel los ist auf den Straßen: Wichtige Verkehrsadern für die Industrie in Nordrhein-Westfalen, aber auch die wichtigsten Transitstrecken für den Güterverkehr in Richtung der großen Seehäfen in den Niederlanden und Belgien, gen Ostdeutschland und ins Ruhrgebiet treffen sich in Köln.
Von Jahr zu Jahr steigt das Verkehrsaufkommen, nicht nur auf der A3 und der A4. Doch die Infrastruktur ist an vielen Stellen marode. So sind zurzeit nicht nur die Kölner Brücken Sorgenkinder der Logistikunternehmen. Seit mehr als einem Jahr ist nun auch schon die Brücke Rahmede auf der A45 bei Lüdenscheid vollständig gesperrt – sie muss gesprengt und neu gebaut werden.
Welche Folgen das hat, beschreibt Thomas Hillebrand, Inhaber der Spedition G. Hillebrand in Bergneustadt: „Vor der Brückensperrung konnten wir drei Verladungen täglich Richtung Köln abwickeln, heute schaffen wir nur noch zwei.“
„Wir wissen, dass die Lage mit den maroden Rheinbrücken sich in den kommenden Jahren zuspitzen wird. Jetzt müssen schnelle Entscheidungen getroffen und Planverfahren beschleunigt werden. Um gut durch die kommenden, absehbar weiter sehr angespannten, Jahre zu kommen.”
Birgit Heitzer, Bereichsleiterin Beschaffungslogistik & Logistik Services, REWE Group
Allein die Dauer-Staus auf der A45 und der A4 erhöhen den Zeitaufwand für Transporte des Logistikunternehmens um rund 30 Prozent, rechnet Hillebrand vor. Die große Sorge, die viele Unternehmen in der Region umtreibt: So wie die Rahmede-Brücke sind auch wichtige Rheinbrücken längst überaltert.
Die A4-Brücke in Köln-Rodenkirchen wird in den nächsten Jahren ebenso ans Ende ihrer Lebensdauer kommen wie die Friedrich-Ebert-Brücke auf der A565 in Bonn. „Das sind zwei Mega-Baustellen, die da auf uns zukommen“, warnt IHK-Experte Köhne.
Eine Entlastung könnte dann eine neue Rheinquerung im Kölner Süden bieten, die so genannte Rheinspange“. Diese würde vielen Unternehmen helfen, sagt Jürgen Weinzierl, Geschäftsführer des Busunternehmens e-weinzierl: „Eine zusätzliche Rheinquerung zwischen Köln und Bonn würde den südlichen Autobahnring natürlich nachhaltig entlasten.“
Das Unternehmen ist in der Nähe des Eifeltors im Kölner Süden ansässig und spürt täglich die massiven Verkehrsprobleme am Autobahnkreuz Köln-Süd. „In jeder Rush-Hour wird das Autobahnkreuz durch zu starken Zufluss von der BAB 555 überlastet. Das sorgt für Staus und dann auch zu vielen, teilweise auch sehr schweren Unfällen. Eine neue Rheinquerung würde Verkehrswege verkürzen und verbessern.“
Bahnstreckenausbau hinkt auch hinterher
Doch die Planung der Rheinspange verzögert sich immer wieder. „Ein Brückenbau ist nicht ganz einfach, eil Umweltschutzgebiete aufgrund strenger europäischer Vorgaben in den Rheinauen weiträumig umfahren werden müssten“, erklärt IHK-Experte Köhne. Als mögliche Alternative werden auch Tunnelvarianten geplant. Diese würden Umweltschutzgebiete unterqueren und reduzieren dazu noch Konflikte mit Anliegern.
Ein Tunnel erfordert unter Umständen aber auch eine längere Bauzeit. Es wird also noch einige Zeit ins Land gehen, bevor eine neue, südliche Rheinquerung Realität wird. Viele Unternehmen würden daher gerne auf die Schiene ausweichen. „Doch auch da hakt es leider“, sagt Köhne.
So gelten unter anderem die Bahnstrecken von Köln über Duisburg bis Dortmund und die linksrheinische Strecke ab Hürth-Kalscheuren über Bonn bis Remagen bei der DB Netz AG offiziell als überlastete Schienenwege und können bis auf weiteres keine Mehrverkehre mehr aufnehmen. Das zeigt auch eine aktuelle Studie zum Güterverkehr in der Metropolregion Rheinland.
Zwar baut die Deutsche Bahn bereits den Knoten Köln aus, damit mehr Regional- und Güterzüge auf getrennten Gleisen fahren können. „Doch auch hier verzögern sich die Bauprojekte, zum Beispiel der Ausbau der rechtsrheinischen Bahnstrecke von Bonn-Beuel über Troisdorf nach Köln“, berichtet Köhne.
Bleibt noch der Rhein als meistbefahrene Wasserstraße Europas. Hier bremsten zuletzt niedrige Pegelstände den Güterverkehr: Binnenschiffer konnten ihre Schiffe oft nur zur Hälfte beladen. Zudem ist auch hier das Problem die letzte Meile bis in die Häfen, die für Logistiker immer schwerer erreichbar sind. Alle stehen überall im Stau – und Unternehmer aller Branchen fragen sich: Wann bewegt sich endlich was?
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Christopher Köhne
Verkehrspolitik, Logistik, Mobilität